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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.06.2009
Aktenzeichen: 2 BvR 1498/05
Rechtsgebiete: StGB, NLottG, KStG, HBeglG 2005, GG, StPO


Vorschriften:

StGB § 284
NLottG vom 21. Juni 1997 § 3 Abs. 2
KStG § 5 Abs. 1
HBeglG 2005 Art. 10
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 105 Abs. 1
StPO § 152 Abs. 2
StPO § 153
StPO § 160 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

die Richterin Osterloh und

die Richter Mellinghoff, Gerhardt

am 29. Juni 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 28. Juli 2005 - 8 Qs 160/05 - sowie der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 11. März 2005 - 3 Gs 754/05 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Braunschweig zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.

Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB (Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276).

I.

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er vermittelte seit dem 1. Februar 2005 von Geschäftsräumen in Niedersachsen aus über das Internet Oddset-Sportwetten an einen österreichischen Wettanbieter. Dieser verfügte über eine österreichische Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten, die ihm auch die Entgegennahme von über das Internet aus dem Ausland vermittelten Sportwetten gestattete.

Der Beschwerdeführer hatte keine behördliche Erlaubnis für seine Tätigkeit. Das deutsche Recht sah keinen Erlaubnistatbestand für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch Privatpersonen vor. Bei den vermittelten Wetten handelte es sich nicht um Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, deren Abschluss und Vermittlung nach dem als Bundesrecht fortgeltenden und vom Bundesgesetzgeber mehrfach geänderten Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl I S. 335, 393) erlaubt werden konnten. Die Länder gestatteten die Veranstaltung von Wetten nur durch den Staat oder von ihm beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform. Nach § 3 Abs. 2 NLottG vom 21. Juni 1997 (Nds. GVBl S. 289), geändert durch Art. 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl S. 664), durfte eine Konzession für das Veranstalten öffentlicher Wetten über den Ausgang sportlicher Wettkämpfe (Sportwetten) nur einer Gesellschaft (Wettunternehmen) erteilt werden, an der das Land unmittelbar oder mittelbar beteiligt war und deren andere Beteiligte entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Zusammenschlüsse oder Gesellschaften solcher Personen waren oder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 erfüllten.

Die Polizei wurde am 14. Februar 2005 auf das Geschäft des Beschwerdeführers aufmerksam und holte einen Auszug aus dem Gewerberegister ein. Daraus ergab sich, dass der Beschwerdeführer die Vermittlung von Sportwetten am 3. Februar 2005 bei der Stadt Braunschweig als Gewerbe angemeldet hatte.

Mit Beschluss vom 11. März 2005 ordnete das Amtsgericht Braunschweig wegen des Verdachts des Veranstaltens von Glücksspielen gemäß §§ 284 ff. StGB die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers an. Der Beschwerdeführer betreibe eine Wettannahmestelle und vermittle ohne behördliche Genehmigung Sportwetten ins Ausland. Die Genehmigung derartiger Sportwetten sei bislang allein der Toto-Lotto-Gesellschaft vorbehalten. Der Tatverdacht beruhe auf Erkenntnisse der Polizei. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, nämlich Unterlagen über den Wettanbieter, Art der angenommenen und weitervermittelten Sportwetten und der Wettscheine, die Aufschluss über den Umfang der angenommenen Sportwetten geben könnten, führen werde.

Bei der am 6. April 2005 vollzogenen Durchsuchung wurden diverse Unterlagen sichergestellt.

Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Es fehle an einem Tatverdacht gemäß § 284 StGB. Sportwetten seien keine Glücksspiele, sondern auf Wissen basierende Geschicklichkeitsspiele. Er habe die Sportwetten nicht veranstaltet, sondern vermittelt. Die Vermittlung und die Veranstaltung von Glücksspielen seien - auch im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot - nicht gleichzustellen. Vielmehr sei die Vermittlung eine straflose Vorbereitungshandlung. Er habe nicht ohne Erlaubnis gehandelt. § 284 StGB sei gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Konzession des österreichischen Wettanbieters eine Erlaubnis im Sinne von § 284 StGB sei. Andernfalls werde die Dienstleistungsfreiheit des österreichischen Wettanbieters verletzt. Lege man die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zugrunde, sei die Vermittlung von Sportwetten derzeit sogar ohne behördliche Erlaubnis zulässig. Danach seien Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nur aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig. Sie müssten Störungen der sozialen Ordnung vorbeugen, den vorhandenen Spieltrieb der Bevölkerung vor Ausbeutung schützen und daher die Spielmöglichkeiten einschränken. Das Sportwettenmonopol des Landes Niedersachsen diene jedoch keinen zwingenden Gründen des Allgemeinwohls, sondern vorrangig fiskalischen Interessen. Die Verbraucher würden systematisch dazu ermuntert, an den staatlich veranstalteten Sportwetten teilzunehmen, um die Landeseinnahmen zu steigern. Das Bundesverfassungsgericht habe in einem Beschluss vom 27. April 2005 (BVerfGK 5, 196) festgestellt, dass erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit von § 284 StGB nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden könnten. Gegebenenfalls sei daher ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften einzuleiten. Darüber hinaus verstoße die strafrechtliche Verfolgung gegen Art. 12 und Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Land Niedersachsen fehle die Gesetzgebungskompetenz für die Errichtung eines staatlichen Sportwettenmonopols, welches ein der ausschließlichen Bundeskompetenz unterliegendes Finanzmonopol (Art. 105 Abs. 1 GG) sei. Das staatliche Sportwettenmonopol verletze ihn in seiner Berufsausübung, die im Sinne einer objektiven Zulassungsschranke verhindert werde. Die ungleiche Behandlung von Pferdewetten, für deren Veranstaltung und Vermittlung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Erlaubnis erteilt werden könne, und sonstigen Sportwetten verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Vielmehr habe er davon ausgehen dürfen, dass die Erlaubnis des österreichischen Wettanbieters auch in Deutschland gelte und eine Untersagungsverfügung gegen ihn bislang nicht ergangen sei. Zumindest habe er wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ohne Schuld gehandelt. Denn die Vermittlung von Sportwetten in das europäische Ausland finde im gesamten Bundesgebiet statt. Die Durchsuchung sei schließlich nicht erforderlich gewesen, weil er seine Tätigkeit nie bestritten, sondern angezeigt habe.

Das Amtsgericht Braunschweig half der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Mai 2005 nicht ab und legte sie dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte es aus, das Vorliegen einer Straftat nach § 284 StGB werde uneinheitlich beurteilt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe eine Strafbarkeit nach § 284 StGB bejaht. Das Bundesverfassungsgericht habe hingegen in seinem Beschluss vom 27. April 2005 in Nebenerwägungen Zweifel geäußert, ob § 284 StGB mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, allerdings noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

In einer ergänzenden Stellungnahme wies der Beschwerdeführer nochmals darauf hin, dass seiner Ansicht nach die Frage der Unvereinbarkeit von § 284 StGB mit Gemeinschaftsrecht nur durch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geklärt werden könne. Jedenfalls sei in der derzeitigen Situation rechtlicher Unsicherheit kurz vor Erlass der bereits angekündigten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 1054/01 ein Durchsuchungsbeschluss unverhältnismäßig.

Das Landgericht Braunschweig verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 28. Juli 2005. Sportwetten seien Glücksspiele im Sinne von § 284 StGB, da das Zufallselement überwiege. Es habe auch der Verdacht eines "Veranstaltens" bestanden. Dieses liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn - wie im Falle des Beschwerdeführers - verantwortlich und organisatorisch der äußere Rahmen für die Abhaltung von Glücksspielen geschaffen und der Bevölkerung dadurch der Abschluss von Spielverträgen ermöglicht werde. Einer Strafbarkeit nach § 284 StGB stehe auch das Europarecht nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften stelle zwar ein strafbewehrtes Verbot der Teilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert würden, in dessen Gebiet der Wettende ansässig sei, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Solche Beschränkungen könnten aber aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Entscheidend sei, dass die Beschränkungen geeignet seien, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sehe eine Grenze dort, wo Behörden eines Mitgliedstaates die Verbraucher anreizten und ermunterten, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zuflössen. Die diesbezügliche Prüfung obliege den vorlegenden Gerichten der Mitgliedstaaten. Nach überwiegender Auffassung führten auch die vom Staat veranstalteten Oddset-Wetten nicht dazu, dass die Forderung einer behördlichen Erlaubnis für das Betreiben von Sportwetten unzulässig sei. Die Werbung für die staatlichen Oddset-Wetten diene nicht allein der Gewinnmaximierung, sondern der Kanalisierung des bestehenden Spielbedürfnisses in der Bevölkerung. Die Angaben des Beschwerdeführers über den Umfang des Werbeetats staatlicher Sportwetten rechtfertigten nicht den Vorwurf, die Beschränkungen beruhten allein aus fiskalischen Gründen. Andere Erkenntnisse, die für eine übertriebene Werbung für staatliche Oddset-Wetten sprechen könnten, lägen der Kammer nicht vor. § 284 StGB verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz. Die mit § 284 StGB verbundenen Einschränkungen der Berufsfreiheit seien im Hinblick auf die mit der Vorschrift verfolgten Ziele, der Spielsucht und der Ausnutzung des Spieltriebs zu kriminellen Zwecken vorzubeugen, mit Art. 12 GG vereinbar. Die Durchsuchung sei schließlich auch erforderlich gewesen, obwohl der Beschwerdeführer seine Tätigkeit angezeigt habe. Beim Verdacht einer strafbaren Handlung habe die Ermittlungsbehörde den Sachverhalt zu ermitteln und die notwendigen Beweismittel zu sichern, ohne dass es darauf ankomme, ob der Beschuldigte den äußeren Geschehensablauf einräume.

Nach Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) wurde das Ermittlungsverfahren am 11. Juli 2006 gemäß § 153 StPO eingestellt. Der Beschwerdeführer verfolgt seine Verfassungsbeschwerde weiter.

II.

Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 2 GG.

1.

§§ 284 ff. StGB seien verfassungswidrig. Ein legitimes Schutzgut sei nicht feststellbar; es werde bloßes Verwaltungsunrecht pönalisiert. Zu den grundrechtlich geschützten Freiheiten gehöre es, eigenes Vermögen zu gefährden. Die Strafbewehrung sei zum Schutz der Verbraucher nicht erforderlich; ausreichend seien das Lauterkeitsrecht und das Verbraucherschutzrecht. Allein die Absicherung des staatlichen Monopols, welchem das Strafrecht dem Anschein nach diene, könne den damit verbundenen Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen.

2.

Das niedersächsische Sportwettenmonopol sei verfassungswidrig.

a)

Dem Land Niedersachsen fehle für die Errichtung eines Sportwettenmonopols die Gesetzgebungskompetenz, da es sich um ein vorwiegend der Erzielung von Einnahmen dienendes Finanzmonopol im Sinne von Art. 105 Abs. 1 GG handele, für das dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zustehe. Wie sich aus den - im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 sogar verstärkten - Werbemaßnahmen der staatlichen Lotterieverwaltung ergebe, werde der Spieltrieb der Menschen ausgebeutet, um Einnahmen zu erzielen. Gründe der Gefahrenabwehr seien vorgeschoben.

b)

Das staatliche Sportwettenmonopol begründe eine objektive Zulassungssperre für die Berufsausübung. Der staatliche Wunsch nach Einnahmen sei kein den Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigender Zweck. Ein legitimer Zweck sei insoweit allein die Gefahrenabwehr. Dieses Ziel sei aber durch mildere Mittel als ein staatliches Sportwettenmonopol erreichbar. Es genüge eine gewerberechtliche Zuverlässigkeitskontrolle. Überzogenen Wettangeboten könne durch das Wettbewerbsrecht vorgebeugt werden. Die vom Staat vorgegebenen Ziele würden durch das Monopol sogar besonders schlecht erreicht, da Kontrolleur und Kontrollierter zusammen fielen. Private Unternehmen könnten überwacht werden, ohne dass ein staatlicher Einnahmeverlust zu befürchten sei.

c)

Das staatliche Sportwettenmonopol verstoße gegen das Demokratieprinzip, da dem Staat hohe Einnahmen verschafft würden, dem Parlament aber faktisch die Kontrolle über die Mittelverwendung entzogen werde, da die Mittel von der staatlichen Lotterieverwaltung eingesetzt würden.

d)

Die ungleiche Behandlung von Pferdewetten, für deren Veranstaltung und Vermittlung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Erlaubnis erteilt werden könne, und sonstigen Sportwetten verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.

3.

Die Durchsetzung des verfassungswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols im Wege der Durchsuchung verstoße gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Die Durchsuchungsanordnung sei auch unverhältnismäßig, weil er stets eingeräumt habe, Sportwetten zu vermitteln.

4.

Die Gleichstellung der in § 284 StGB nicht genannten Vermittlung von Sportwetten mit den dort genannten Handlungsalternativen verstoße gegen das strafrechtliche Analogieverbot.

5.

Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt, weil die angefochtenen Beschlüsse sich nicht hinreichend mit den schwierigen verfassungs- und europarechtlichen Fragen hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten beschäftigt hätten. Insbesondere fehle eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob angesichts der aktuellen Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit dem Europarecht einschneidende Maßnahmen wie Durchsuchungen bis zu einer Klärung der Rechtslage zu unterbleiben hätten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 27. April 2005 ausgeführt, dass sich die Frage der Vereinbarkeit von § 284 StGB mit europäischem Gemeinschaftsrecht voraussichtlich nicht ohne vorherige Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften werde klären lassen.

III.

Das Niedersächsische Justizministerium hatte Gelegenheit zur Äußerung; es hat keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Ermittlungsakten vorgelegen.

IV.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

1.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Obwohl sich die Durchsuchungsanordnung mit ihrem Vollzug erledigt hat und das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt worden ist, besteht das Rechtsschutzinteresse an einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung fort. Bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen handelt es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Hierunter fallen vornehmlich solche, die schon das Grundgesetz - wie im Falle von Art. 13 Abs. 2 GG - unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>).

2.

Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

a)

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch beruflich genutzte Räume werden durch das Grundrecht geschützt (vgl. BVerfGE 32, 54 <68 ff.> ; 42, 212 <219> ; 97, 228 <265> ). In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 51, 97 <107> ; 96, 27 <40> ; 103, 142 <150 f. >). Voraussetzung für die Rechtfertigung dieses schwerwiegenden Eingriffs ist, dass der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt; es muss mindestens möglich sein, dass der Verdächtige durch das Verhalten, das ihm vorgeworfen wird, eine nach materiellem Strafrecht strafbare Tat begangen hat (vgl. BVerfGE 20, 162 <185>) und dass deshalb gegen ihn ein Strafverfahren durchgeführt werden kann (vgl. Müller, in: KMR, § 102 Rn. 4 (Juni 2008); Nack, in: Karlsruher Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 102 Rn. 1; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO und GVG, 25. Aufl. 2004, § 102 Rn. 8). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts einer Straftat ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts. Es kann nur eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. März 2003 - 2 BvR 180/03 -, NStZ 2004, S. 160; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2004 - 2 BvR 766/03 -, NStZ-RR 2004, S. 143 <143 f.> ). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die von den Fachgerichten dem Anfangsverdacht zugrunde gelegte Strafvorschrift wegen eines Verstoßes gegen Grundrechte nicht angewendet werden durfte.

b)

Nach diesen Vorgaben verletzen die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG. Die Fachgerichte haben einen Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB bejaht, obwohl die Strafvorschrift im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht anwendbar war. aa) Über den Einwand des Beschwerdeführers, § 284 StGB sei seinerzeit auf die Vermittlung von Sportwetten an einen lizensierten Wettanbieter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wegen Verstoßes gegen das europäische Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar gewesen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 11 TG 3060/03 -, GewArch 2004, S. 153 <154>; AG Heidenheim, Urteil vom 19. August 2004 - 3 Ds 42 Js 5187/03 -, SpuRt 2005, S. 81 <81 f.> ; LG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2004 - 629 Qs 56/04 -, NStZ-RR 2005, S. 44; LG Baden-Baden, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 2 Qs 157/04 -, SpuRt 2005, S. 80; LG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2005 - 105 Qs 80/05 -, [...]; VG Köln, Beschluss vom 11. August 2006 - 6 L 736/06 -, [...]; VG Arnsberg, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 L 633/06 -, [...]; OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3591>; Lesch, GewArch 2003, S. 321 <324>; Hoeller/Bodemann, NJW 2004, S. 122 <125> ; Lesch, wistra 2005, S. 241 <246>; Arendts, ZfWG 2007, S. 79 <82>; a.A.: BVerwG, Urteil vom 28. März 2001 - 6 C 2/01 -, NJW 2001, S. 2648 <2650 f.>; BGH, Urteil vom 14. März 2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, S. 2175 <2176>; BGH, Urteil vom 1. April 2004 - I ZR 317/01 -, NJW 2004, S. 2158 <2160> ; offen gelassen: BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079>), ist nicht zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht ist zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar und daher nicht anwendbar ist, nicht zuständig; eine Entscheidung über diese Normenkollision ist der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen (vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.> ; 82, 159 <191>; 115, 276 <299 f.>).

bb)

Im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses und der ihn bestätigenden Entscheidung des Landgerichts war § 284 StGB auf den vorliegenden Sachverhalt indes von Verfassungs wegen nicht anwendbar.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, dass das im Zeitpunkt der hier angegriffenen Maßnahmen im Freistaat Bayern bestehende staatliche Wettmonopol angesichts des mit ihm einhergehenden Ausschlusses gewerblicher Wettveranstaltung durch private Wettunternehmer in seiner damaligen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellte. Denn der - strafbewehrte - Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmen ist den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern nur dann zumutbar, wenn das Wettmonopol nicht nur nach den zu seiner Rechtfertigung angeführten Zielen, sondern auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 309 f.>). Dies war in Bayern jedenfalls in der Zeit vor dem 28. März 2006 nicht der Fall (vgl. BVerfGE 115, 276 <309 ff.>). Die staatliche Veranstaltung der Sportwette ODDSET verfolgte vielmehr erkennbar auch fiskalische Zwecke. Das tatsächliche Erscheinungsbild entsprach dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung. Dem entsprach eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <313 ff.>). Die Unverhältnismäßigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols in Bayern erfasste auch den Ausschluss der Vermittlung anderer als der vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten, deren Anbieten in Bayern nach der im Urteil vom 28. März 2006 zu Grunde gelegten fachgerichtlichen Auslegung ebenfalls als verboten angesehen wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <300>). Denn auch der Ausschluss der Vermittlung anderer als vom Freistaat Bayern veranstalteter - vorallem also gewerblich veranstalteter - Wetten lässt sich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur rechtfertigen, wenn das Monopol rechtlich und faktisch insbesondere am - legitimen - Ziel der Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 316>), woran es seinerzeit fehlte.

Diese Aussagen treffen in gleicher Weise auf die damalige Rechts- und Sachlage in Niedersachsen zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Oktober 2007 - 1 BvR 973/05 -, [...]).

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits geklärt, dass sich in Anbetracht der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls für die Zeit vor dem 28. März 2006 eine allein auf § 284 StGB gestützte ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung nicht als rechtmäßig erweisen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, S. 301 <303>).

Gleiches gilt für eine auf § 284 StGB gestützte Durchsuchungsanordnung. Die seinerzeitige Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten führt nach ganz überwiegender Auffassung einschließlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass für die hier maßgebliche Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 kein staatlicher Strafanspruch gegen private Vermittler von Oddset-Sportwetten besteht (vgl. OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3589>; Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 2007 - 1 Ws 61/07 -, ZfWG 2007, S. 295 <299>; BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079 ff.>; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 207/05 -, ZfWG 2008, S. 115 <118>; Krehl, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2008, § 284 Rn. 6a; Arendts, ZfWG 2007, S. 457 <458>; Kretschmer, ZfWG 2006, S. 52 <58>; Hecker/Schmitt, ZfWG 2007, S. 364 <366>; Siara, ZfWG 2007, S.1 <5>; Paster, jurisPR-StrafE 3/2008 Anm. 3; a.A. Meyer, JR 2004, S. 447 <452>; Bethge, ZfWG 2007, S. 169 <179>; Mosbacher, NJW 2006, S. 3529 <3533>; Beckemper/Janz, ZIS 2008, S. 31 <37 ff.>).

Das Entfallen des staatlichen Strafanspruchs ist von Verfassungs wegen geboten. Eine Strafbewehrung der Vermittlung von Sportwetten in der hier maßgeblichen Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 würde infolge der seinerzeitigen Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der deutschen beziehungsweise in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der ausländischen privaten Sportwettenvermittler - so auch in die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers - darstellen. Jedenfalls die Anwendung von § 284 StGB ist insoweit mit der Verfassung unvereinbar.

3.

Da die angegriffenen Beschlüsse bereits gegen Art. 13 Abs. 1 GG verstoßen, kann dahinstehen, ob weitere Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte verletzt wurden.

V.

Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die Auslagenerstattung auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Ende der Entscheidung

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