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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 152/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 33a
StGB § 73
StGB § 73c
StGB § 73c Abs. 1 Satz 2
StGB § 73c Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 152/04 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 9. Dezember 2003 - 16 Qs 93/03 B -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 3. November 2003 - 78 Ls 3362 Js 16661/02 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 28. Januar 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie gegenwärtig keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), weil über seine als Antrag nach § 33a StPO auszulegende Gegenvorstellung noch nicht entschieden ist.

Will ein Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde rügen, ihm sei bei Erlass eines Beschlusses im Strafverfahren rechtliches Gehör nicht gewährt worden, fordert das Gebot der Rechtswegerschöpfung, dass er zuvor von der durch § 33a StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich durch einen entsprechenden Antrag nachträglich Gehör vor Gericht zu verschaffen (vgl. BVerfGE 33, 192 <194>; 42, 172 <174>; 42, 243 <245 ff.>; 42, 252 <255>). Dabei ist § 33a StPO so auszulegen und anzuwenden, dass er jeden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Beschlussverfahren erfasst (vgl. BVerfGE 42, 243 <250>).

Ein solcher Verstoß kommt hier in Betracht. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde nicht nur Einwände gegen die Höhe des dinglichen Arrestes zur Sicherung des Verfalls erhoben. Er hat auch gerügt, dass durch die Sperrung des einzigen Bankkontos des Unternehmens außerordentlich schwer in betriebliche Abläufe eingegriffen werde, dessen Existenz auf dem Spiel stehe. Das Landgericht hat in seiner Beschwerdebegründung nur auf das in § 73 StGB normierte Bruttoprinzip verwiesen, ohne auf die in der Sache gerügte Härtefallvorschrift des § 73c StGB einzugehen. Das wäre geboten gewesen, weil der Beschwerdeführer substantiiert vorgetragen hat, dass der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in seinem Vermögen nicht mehr vorhanden war (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). In diesem Fall kann die Anordnung unterbleiben. Sie muss unterbleiben, soweit der Verfall für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB).

Der Vortrag des Beschwerdeführers hätte zudem zu der Prüfung Anlass gegeben, ob neben dem Umfang des Verfallanspruchs dessen gesetzliche Voraussetzungen vorlagen. Der Beschwerdeführer ist des Einschleusens von Ausländern nach § 92a Abs. 1 und 2 Ziffer 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Ziffer 1 AuslG angeklagt. Dem Verfall sollen die gesamten Umsatzerlöse des Beschwerdeführers unterliegen, die er in der Zeit der Beschäftigung der Ausländerinnen erzielt habe. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Beteiligte für die rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. Das vom Beteiligten durch die "Vermarktung" seiner Tat Erlangte unterliegt ebenso wie ein mittelbarer Gewinn nicht dem Verfall (vgl. BGH, NStZ 1996, S. 332; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73 Rn. 9). Das Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob im vorliegenden Fall noch eine derart enge Verbindung zwischen dem Einschleusen von Ausländern und den Umsatzerlösen aus der unternehmerischen Tätigkeit des Beschwerdeführers besteht, dass deren Verfall in Betracht kommt. Im weiteren Fortgang des Verfahrens wird auch zu erörtern sein, ob die Beschäftigung der Ausländerinnen ohne Arbeitserlaubnis für sich allein eine strafbare Handlung nach dem Ausländergesetz darstellt (vgl. OLG Zweibrücken, MDR 1992, S. 894).

Fraglich ist zudem, ob die gesamten Umsatzerlöse für verfallen erklärt werden könnten. Nach dem Bruttoprinzip der §§ 73, 73a StGB unterliegt das Erlangte in seiner Gesamtheit dem Verfall (vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 73 Rn. 17). Ausreichend ist, dass die Vermögenswerte zu irgendeinem Zeitpunkt, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, zugeflossen sind. Etwaige Aufwendungen oder Gegenleistungen sind ebenso wenig in Abzug zu bringen wie spätere Wertminderungen des Erlangten. Allerdings bezieht sich das Bruttoprinzip auf einen rechtswidrig erlangten Vermögensvorteil. Die Umsatzerlöse stammen aber nicht aus der vorgeworfenen Schleusertätigkeit des Beschwerdeführers, sondern aus seiner unternehmerischen Betätigung durch den Verkauf von Textilien, die nicht strafbar ist. Insoweit hätte sich das Landgericht nicht mit einem pauschalen Hinweis auf das Bruttoprinzip begnügen dürfen. Wird ein Beschuldigter sowohl legal als auch unter Verstoß gegen die Strafgesetze im Rahmen seines Unternehmens tätig, kann es im Einzelfall schwierig sein, die bemakelten von den unbemakelten Erlösen aus der unternehmerischen Tätigkeit abzugrenzen. Es ist Aufgabe der Fachgerichte, in diesen Fällen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 73c StGB) zu prüfen und zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der Beschuldigte etwas für die Tat oder aus ihr erlangt hat.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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