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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1522/07
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
StPO § 261
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2
GG Art. 3 Abs. 3
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1522/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2007 - 3 StR 159/07 -,

b) das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 2006 - I - 25/05 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. August 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundrechts rügt, weil das Tatgericht aus Erkenntnissen über seine Staatsangehörigkeit und Herkunft für ihn nachteilige Schlüsse gezogen habe. Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG in Abhängigkeit von bestimmten Merkmalen des Beschwerdeführers ist nicht substantiiert dargetan und nicht ersichtlich. Das Tatgericht knüpft seine Schlussfolgerungen nicht an die Staatsangehörigkeit und Heimat des Beschwerdeführers, sondern an die Tatsache der gleichen Staatsangehörigkeit und Herkunft aller Angeklagten.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren rügt, weil das Tatgericht die Aufzeichnungen der Videoobservation verwertet habe. Der Vortrag des Beschwerdeführers erschöpft sich darin, die Verletzung einfachen Rechts darzulegen, ohne eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts aufzuzeigen. Nicht jeder Verstoß gegen einfachrechtliche Verfahrensvorschriften bei der Gewinnung von Beweismitteln führt ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Der Beschwerdeführer hätte aufzeigen müssen, inwiefern ein solches verfassungsrechtlich geboten sei.

II.

Die Beweiswürdigung des Tatgerichts verletzt nicht das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren.

1. Prüfungsmaßstab für die Frage der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrichterliche Beweiswürdigung ist Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Danach darf die Freiheit der Person nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfGK 1, 145 <149 f.>). Solche Gewährleistungen sehen die Strafprozessordnung und die auf ihrer Grundlage entwickelte Rechtsprechung unter anderem in Form der bei der Wahrheitsfindung des Gerichts zu beachtenden Beweisregeln vor. Verstößt das Tatgericht in willkürlicher Weise gegen solche Regeln, kann dies die Revision gegen das Urteil begründen und auch einen Verfassungsverstoß darstellen.

Allerdings rechtfertigt nicht jeder Verstoß gegen § 261 StPO und die hierzu von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich das Tat- und gegebenenfalls das Revisionsgericht so weit von der Verpflichtung entfernt haben, in Wahrung der Unschuldsvermutung bei jeder als Täter in Betracht kommenden Person auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass der rationale Charakter der Entscheidung verloren gegangen scheint und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehende Freiheitsentziehung sein kann (vgl. BVerfGK 1, 145 <152>).

2. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers beruht auf einer tragfähigen Grundlage.

Das Tatgericht hat die - mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen - Verurteilungen wegen der Banküberfälle am 9. Dezember 2004 und 20. Oktober 2004 nicht - wie der Beschwerdeführer behauptet - allein auf Erkenntnisse aus der Videoobservation des Beschwerdeführers beim Verlassen und Betreten seiner Wohnung gestützt, sondern auf eine Vielzahl weiterer Gesichtspunkte, namentlich Zeugenangaben, aus denen das Gericht schließen konnte, der Beschwerdeführer habe am Vortag einer der Taten das Tatobjekt ausgekundschaftet, diverse Einlassungen des Beschwerdeführers und einer Mitangeklagten, die Beteiligung des Beschwerdeführers am Diebstahl der Fluchtfahrzeuge, die Tatsache, dass er für die fraglichen Tatzeiten kein belastbares Alibi vorweisen konnte, und die - durch eine Vielzahl weiterer Indizien belegte - bandenmäßige Verbindung des Beschwerdeführers mit den anderen Angeklagten und deren gemeinsame, von den Strafverfolgungsbehörden observierte, Vorbereitung eines Banküberfalls, zwischen dessen Planung und der Ausführung der in Rede stehenden Taten das Gericht deutliche Parallelen gesehen hat. Dabei hat das Tatgericht auch für den Beschwerdeführer günstige Umstände eingehend beleuchtet, namentlich seine Angaben, die ein Alibi für die fraglichen Tatzeiten belegen sollten und mit deren Überprüfung sich das Gericht umfänglich auseinandergesetzt hat. Das Tatgericht hat die ihm vorliegenden Indizien vorsichtig gewürdigt, die Gefahr zirkulärer Schlüsse erkannt, Unterschiede in den einzelnen Tatausführungen berücksichtigt und auf - belastende - Beweismittel verzichtet, deren Beweiswert ihm unzureichend erschien. Danach kann keine Rede davon sein, dass die Entscheidung keine tragfähige Grundlage für die mit einem Schuldspruch einhergehende Freiheitsentziehung sein könne.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

4. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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