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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 04.02.2009
Aktenzeichen: 2 BvR 1533/08
Rechtsgebiete: GG, StVollzG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
StVollzG § 116 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

über die Verfassungsbeschwerde

...

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

den Vizepräsidenten Voßkuhle,

den Richter Mellinghoff und

die Richterin Lübbe-Wolff

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG

in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)

am 4. Februar 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft unter anderem die Ablösung des Beschwerdeführers aus dem offenen Vollzug.

1.

a)

Der strafgefangene Beschwerdeführer wurde im Zeitraum Juni bis November 2007 mehrfach verlegt. Die erste Verlegung erfolgte am 19. Juni 2007 aus dem offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt B.-S. in den geschlossenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt B., die zweite am 29. August 2007 von dort in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt C. Wenige Tage später, am 5. September 2007, wurde der Beschwerdeführer zum dritten Mal verlegt, diesmal zurück in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt B.-S., allerdings in eine andere Außenstelle. Von dort wurde er am 24. Oktober 2007 wiederum in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt C. verlegt. Dieser vierten Verlegung folgte am 2. November 2007 als fünfte die erneute Verlegung in den geschlossenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt B. Gegen die zu dieser fünften Verlegung ergangenen fachgerichtlichen Entscheidungen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.

b)

Einen gegen die erste Verlegung vom 19. Juni 2007 gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht Bielefeld mit Beschluss vom 22. Oktober 2007 als unbegründet zurück. Die Verlegung sei zu Recht auf fehlende Eignung des Beschwerdeführers für den offenen Vollzug gestützt worden. Auch wenn der Beschwerdeführer alle sonstigen - unter anderem das Aufwiegeln von Mitgefangenen und ausuferndes Beschwerdeverhalten betreffenden - Vorwürfe der Anstalt bestreite, verbleibe die Feststellung unzureichender Mitarbeit am Vollzugsziel; außerdem lägen ausreichende objektive Feststellungen dafür vor, dass der Betroffene einen negativen Einfluss auf das allgemeine Vollzugsklima mit negativen Folgen für das Vollzugsziel ausgeübt habe. Die Verlegungsentscheidung liege danach innerhalb des Beurteilungs- und Ermessensspielraums der Anstalt. Über eine gegen diesen Beschluss erhobene Rechtsbeschwerde ist nach Angabe des Beschwerdeführers noch nicht entschieden.

Ein Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung über die dritte Verlegung - vom 5. September 2007 -, und die in dieser Sache erhobene Rechtsbeschwerde blieben ebenfalls erfolglos (LG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2008 im Verfahren 14 (4) Vollz - 229/07 CAS; OLG Hamm, Beschluss vom 15. Mai 2008 - 1 Vollz (Ws) 233/08 -).

c)

Auch gegen die am 2. November 2007 erfolgte fünfte Verlegung, um die es im vorliegenden Verfahren geht, stellte der Beschwerdeführer Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Diesen wies das Landgericht Dortmund mit angegriffenem Beschluss vom 31. Januar 2008 - 14 (4) Vollz - 272/07 CAS - als unbegründet zurück. Der Beschwerdeführer sei zu Recht in den geschlossenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt B. zurückverwiesen worden. Ein Gefangener müsse sich für den offenen Vollzug eignen. Kriterien hierfür seien unter anderem Aufgeschlossenheit gegenüber den gesteigerten Bemühungen des offenen Vollzuges in sozialpädagogischer Hinsicht, die Bereitschaft zu uneingeschränkter und loyaler Mitarbeit und ein gewisses Maß an Fähigkeit und Bereitschaft zur Einordnung in die Gemeinschaft sowie die Rücksichtnahme auf Mitbewohner. Hierzu sei bereits in dem - die erste Verlegung betreffenden - Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 22. Oktober 2007 festgestellt worden, dass eine Bereitschaft zur Mitarbeit am Vollzugsziel nicht bestehe. Es lägen schriftliche Mitteilungen von Mitgefangenen vor, wonach seitens des Beschwerdeführers ein Einwirken vorgekommen sei, das einer Einordnung in die Gemeinschaft entgegenstehe. Insoweit werde auf den Beschluss vom 22. Oktober 2007 verwiesen.

Mit der hiergegen erhobenen Rechtsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung rechtlichen Gehörs. Ihm sei keine Gelegenheit gegeben worden, auf die im Verfahren abgegebene Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt zu erwidern; stattdessen habe die Strafvollstreckungskammer dessen Vorbringen ungeprüft übernommen. Zu dem Vorwurf, er habe am Vollzugsziel nicht ausreichend mitgearbeitet, fehle jeder konkrete Vortrag. Er sei verlegt worden, ohne dass ihm die Gründe hierfür eröffnet worden seien.

Das Oberlandesgericht verwarf die Rechtsbeschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 15. Mai 2008 - 1 Vollz (Ws) 234/08 - wegen Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG.

2.

Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, in seinen Rechten auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie weiteren Grundrechten verletzt zu sein. Die landgerichtliche Entscheidung lasse keine Auseinandersetzung mit seinen Schriftsätzen vom 20. Dezember 2007 und vom 6. Januar 2008 erkennen. Entgegen den Angaben in der Verlegungsverfügung vom 2. November 2007 habe er keinerlei Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Der Beschluss des Landgerichts lasse auch nicht erkennen, inwiefern der Beschwerdeführer sich uneinsichtig gezeigt und welche Gefangenen er zur Auflehnung veranlasst habe.

3.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.> ; 96, 245 <248> ).

a)

Die Verlegung eines Gefangenen gegen seinen Willen, und besonders die Ablösung aus dem offenen Vollzug, berührt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und stellt für den betroffenen Gefangenen einen stark belastenden Eingriff dar (vgl. BVerfGK 6, 260 <264>; 8, 307 <309>). Wie alles grundrechtseingreifende staatliche Handeln, ist sie an die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen gebunden und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGK 2, 318 <325>; 8, 64 <66 f.>). Die fachgerichtliche Überprüfung kann, bei Verlegungsentscheidungen wie auch sonst, die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.> ; BVerfGK 9, 390 <395>; 9, 460 <463 f.>). Wird die Sachverhaltsdarstellung der Vollzugsanstalt vom Gefangenen bestritten, so darf das Gericht seiner Entscheidung nicht ohne weiteres die Ausführungen der Anstalt zugrundelegen. Zwar können auch in einem solchen Fall weitere tatsächliche Ermittlungen entbehrlich sein. Die Annahme, es könne ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von der Richtigkeit der behördlichen Darstellung ausgegangen werden, bedarf aber konkreter, auf die Umstände des Falles bezogener Gründe (vgl. BVerfGK 1, 201 <207>; 2, 318 <324 f.>).

b)

Zwar lässt die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Dortmund nicht erkennen, dass das Gericht diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätte. Der Verweis auf den zur ersten Verlegung des Beschwerdeführers ergangenen Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 22. Oktober 2007, auf den das Gericht sich stützt, ist zur Rechtfertigung der fünften Verlegung ersichtlich ungeeignet. Dies folgt - unabhängig davon, ob die Angabe des Beschwerdeführers zutrifft, über seine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld sei zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung noch nicht entschieden gewesen, und unabhängig von der Frage, ob die Feststellungen in diesem Beschluss ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung genügten - bereits daraus, dass der entscheidungstragenden Annahme des damaligen Beschlusses, dem Beschwerdeführer fehle die Eignung für den offenen Vollzug, ein inzwischen überholter Sachverhalt zugrundelag. Der Beschwerdeführer war zwischenzeitlich wieder, sogar mehrfach aufeinanderfolgend, in Anstalten des offenen Vollzuges verlegt, insoweit also offenbar wieder für geeignet befunden worden. Schon aus diesem Grund hätte die nun in Rede stehende erneute Ablösung aus dem offenen Vollzug einer erneuten Überprüfung auch hinsichtlich der zugrundeliegenden Sachverhaltsbeurteilung bedurft (zu den rechtlichen Voraussetzungen einer solchen Rückverlegung, auf die die angegriffene Entscheidung ebenfalls nicht eingeht, vgl. einerseits OLG Celle, Beschluss vom 28. April 1997 - 1 Ws 115/97 (StrVollz), 1 Ws 116/97 (StrVollz) -, NStZ-RR 1998, S. 92 ; KG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 5 Ws 229/06 Vollz -, NStZ 2007, S. 224 <225>; andererseits OLG Dresden, Beschluss vom 5. April 2005 - 2 Ws 95/05 -, StV 2005, S. 567).

c)

Die Verfassungsbeschwerde kann jedoch keinen Erfolg haben, weil sie teilweise unzureichend begründet und im Übrigen nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer, wie nach dem Grundsatz der Subsidiarität geboten (vgl. BVerfGE 107, 395 <414> ; 112, 50 <60>), im fachgerichtlichen Verfahren das ihm Mögliche getan hat, um eine Grundrechtsverletzung abzuwehren.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, entgegen den Angaben in der angegriffenen Verlegungsverfügung sei diese ergangen, ohne dass er hierzu angehört worden sei, hat er dies zwar auch bereits mit seiner Rechtsbeschwerde beanstandet. Mangels Vorlage oder näherer Wiedergabe seines im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrags lässt sich jedoch schon nicht überprüfen, ob er Entsprechendes bereits mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorgetragen hatte. Verneinendenfalls hatte das Oberlandesgericht schon aus diesem Grund keinen Anlass, die landgerichtliche Entscheidung unter diesem Gesichtspunkt zu beanstanden.

Die mit der Rechtsbeschwerde darüber hinaus allein erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs war unsubstantiiert. Der Vortrag des Beschwerdeführers hierzu beschränkte sich, ohne nähere Angaben zu den Abläufen, auf die Behauptung, ihm sei keine Gelegenheit gegeben worden, auf die im Verfahren abgegebene Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt zu erwidern; stattdessen habe die Strafvollstreckungskammer dessen - nicht hinreichend konkretes - Vorbringen ungeprüft übernommen.

Bei den mit der Verfassungsbeschwerde eingereichten Unterlagen befinden sich im Übrigen Schriftsätze des Beschwerdeführers - vom 20. Dezember 2007 und vom 6. Januar 2008 - an das Landgericht, in denen er sich mit einer sowohl die dritte als auch - vor allem - die hier angegriffene fünfte Verlegung des Beschwerdeführers betreffenden Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt C. auseinandersetzt. Sowohl die betreffende Stellungnahme des Anstaltsleiters als auch die Rückäußerung des Beschwerdeführers wurden dem Landgericht zwar unter dem Aktenzeichen des über die dritte Verlegung geführten Verfahrens übermittelt. Da das Landgericht seine hier angegriffene Entscheidung über die fünfte Verlegung erst am 31. Januar 2008 - am gleichen Tag wie die Entscheidung über die dritte Verlegung - getroffen hat, ist aber jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer, wie mit der Rechtsbeschwerde behauptet, keine Gelegenheit gehabt hätte, sich zu der Stellungnahme des Anstaltsleiters rechtzeitig zu äußern.

Die mit der Verfassungsbeschwerde erhobene - dem Rechtsbeschwerdevortrag, er habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, zuwiderlaufende - Rüge, die Entscheidung des Landgerichts lasse keine Auseinandersetzung mit den genannten Schriftsätzen erkennen, hat der Beschwerdeführer im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorgebracht.

Der Beschwerdeführer hat demnach mit der Rechtsbeschwerde die landgerichtliche Entscheidung nicht in der gebotenen zweckdienlichen Weise angegriffen, sondern ausschließlich Rügen erhoben, die das Oberlandesgericht nicht veranlassen mussten, die Rechtsbeschwerde als zulässig zu behandeln.

4.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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