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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1609/07
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG
Vorschriften:
BVerfGG § 93a | |
BVerfGG § 93b | |
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1609/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Juni 2007 - 1 Ws 259/07 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Mellinghoff und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. August 2007 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass weder ein dringender Tatverdacht noch eine Fluchtgefahr vorliege, ist darauf hinzuweisen, dass die tatsächliche Würdigung des Sachverhalts durch die Fachgerichte vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht auf ihre Richtigkeit nachgeprüft wird (vgl. BVerfGE 15, 245 <247>; 18, 85 <92>; 20, 144 <150>). Verfassungsverstöße - Verkennen von Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) oder gar Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) - lassen die Feststellungen des Oberlandesgerichts zu diesen Punkten nicht erkennen.
Die Rüge der Verletzung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebots ist nicht hinreichend substantiiert. Bei der Geltendmachung der Verletzung des Beschleunigungsgebots hat der Beschwerdeführer im Einzelnen die nach dem jeweiligen Verfahrensstand gebotene Maßnahme und die damit mutmaßlich zu erzielende Beschleunigung des Verfahrens darzulegen, sofern sich dies nicht aus den sonstigen Umständen des Falles erschließt. Hier fehlt es an einer hinreichenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Begründung des angegriffenen Beschlusses. So fehlt es etwa an der konkreten Darlegung, dass das Verfahren bei einem früheren Ergreifen gerichtsorganisatorischer Maßnahmen hätte beschleunigt werden können. Weder werden der Zeitpunkt, zu dem das Präsidium bereits hätte tätig werden müssen, auch nur ansatzweise umrissen, noch die zu ergreifenden Maßnahmen und die hieraus herzuleitenden Beschleunigungseffekte.
Im Hinblick auf den Fortgang des Verfahrens ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Gerichte in einem besonderen Maße zu prüfen haben werden, ob die vom Präsidium des Landgerichts Hannover beschlossenen Maßnahmen zu einer nachhaltigen Entlastung der zuständigen Strafkammer dergestalt führen, dass sie in nächster Zeit in der Lage ist, das Verfahren angemessen zu fördern. Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgetragene Bestimmung von Fortsetzungsterminen in dem Zeitraum von Juli bis November 2007 lässt dies noch nicht erkennen. Über einen Zeitraum von fünf Monaten hinweg werden dort lediglich zehn Termine festgelegt. Dies ist im Hinblick auf die nunmehr schon 17 Monate andauernde Untersuchungshaft nicht zu rechtfertigen, zumal sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Gewicht des Freiheitsanspruchs mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates verstärkt (vgl. BVerfGE 19, 342 <347 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; vgl. zudem EGMR, Urteil vom 5. Juli 2001 - 38321/97 -, EuGRZ 2001, S. 391 <395 Rn. 47>). Die Anforderungen an eine zügige Bearbeitung steigen somit mit der Länge der Untersuchungshaft an.
Sofern das Landgericht daher an seiner Terminsplanung ohne triftige Gründe - die Belastung mit anderen Haftsachen über einen langen Zeitraum ist angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG selbst dann kein wichtiger, den weiteren Haftvollzug rechtfertigender Grund, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischer Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Frist bewältigen lässt (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 f.>) - festhält, kann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr aufrechterhalten werden. Es ist anerkannt, dass auch erst noch bevorstehende, aber schon jetzt eindeutig absehbare Verfahrensverzögerungen nicht anders zu behandeln sind als bereits eingetretene (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2005 - 2 BvR 1737/05 -, StV 2006, S. 87 <90>; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. September 1987 - 3 Ws 437/87 -, StV 1988, S. 390 f.; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 1984 - 2 Ws 325/84 -, StV 1985, S. 66; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30. September 1974 - Ws 307/74 -, NJW 1975, S. 941 f.; LG Hamburg, Beschluss vom 4. September 1984 - (98) 12/84 KLs -, StV 1985, S. 20 <21>; LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24. April 1989 - 5/27 Qs 34/88 - 90 Js 31063/86 - 933 Ls 266 -, StV 1989, S. 486 <487>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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