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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 1687/02
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 13 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1687/02 -

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Landgerichts Köln vom 23. September 2002 - 109 Qs 414/01 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Köln vom 22. April 2002 - 109 Qs 51/02 -,

c) den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 6. Dezember 2001 - 524 Ds 310/01 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 12. Februar 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 23. September 2002 - 109 Qs 414/01 - und vom 22. April 2002 - 109 Qs 51/02 - sowie des Amtgerichts Köln vom 6. Dezember 2001 - 524 Ds 310/01 - verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 13 Absatz 1, Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes sowie in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Köln zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft strafprozessuale Durchsuchungsmaßnahmen.

I.

1. Der Beschwerdeführer ist Polizeibeamter. Gegen ihn und seinen Lebensgefährten wird ein Verfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b StGB geführt; die Staatsanwaltschaft Köln erhob am 10. Mai 2001 Anklage. Am 29. Mai 2000 war im Polizeipräsidium Köln die Zeugin K. vernommen worden. Daraufhin wurde - ebenfalls am 29. Mai 2000 - von der Polizeibehörde die Durchsuchung des vom Beschwerdeführer alleine benutzten Dienstzimmers wegen Gefahr im Verzug angeordnet. Das Dienstzimmer wurde sodann am 29. Mai 2000 von 15.20 Uhr bis 16.00 Uhr, von 17.00 Uhr bis 18.00 Uhr ("Nachfolgedurchsuchung") sowie am 30. Mai 2000 durchsucht. Außerdem wurde am 29. Mai 2000 die Privatwohnung des Beschwerdeführers durchsucht.

2. Der Beschwerdeführer erhob gegen die Durchsuchungen Beschwerde, um die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen feststellen zu lassen. Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, die verfassungsrechtlichen Anforderungen seien nicht beachtet worden. Es werde nicht erkennbar, woraus sich Gefahr im Verzug ergebe. Die Verdachtsmomente gegen ihn seien nicht konkretisiert worden. Für die Durchsuchung am 30. Mai 2000 liege nicht einmal eine förmliche polizeiliche Anordnung vor. Eine ordnungsgemäße Dokumentation des Vorliegens von Gefahr im Verzug sei nicht erfolgt; der formularmäßige Hinweis in den Protokollen reiche jedenfalls nicht aus. Auch das Dienstzimmer - nebst Schreibtisch und Aktentasche - unterliege dem Schutzbereich des Art. 13 GG. Jedenfalls hätte bereits für die zweite Durchsuchung im Büro ein richterlicher Beschluss eingeholt werden müssen. Das Büro sei zu diesem Zeitpunkt verschlossen gewesen; Beweisverlust habe nicht gedroht.

3. Das Amtsgericht Köln wies die Anträge zurück. Gefahr im Verzug habe vorgelegen. Der Beschwerdeführer habe die Zeugin K. vom Sehen gekannt; er hätte diese wegen der räumlichen Nähe im Polizeipräsidium sehen und Maßnahmen treffen können, die zu einer Verhinderung einer Aufklärung geführt hätten. Es sei nicht dargelegt worden, dass das Dienstzimmer der räumlichen Privatsphäre des Beschwerdeführers zugeordnet gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe keinen Widerspruch gegen die Durchsuchung der Privatwohnung erhoben; er habe die Wohnungsschlüssel ausgehändigt und damit freiwillig auf sein Grundrecht aus Art. 13 GG verzichtet. Zudem habe auch der Mitbewohner, der Mitangeklagte J., in die Durchsuchung eingewilligt. Gefahr im Verzug habe auch hinsichtlich der Wohnungsdurchsuchung vorgelegen, da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt die gegen ihn gerichteten Vorwürfe gekannt habe und Verdunkelungsmaßnahmen hätte durchführen können.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer "sofortige Beschwerde". Ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Zeugin K. im Nebenzimmer des Beschwerdeführers vernommen worden sei. Die Zeugin K. hätte zudem ohne weiteres an einem anderen Ort vernommen werden können. Der Beschwerdeführer habe in die Wohnungsdurchsuchung nicht eingewilligt; der Wohnungsschlüssel sei lediglich herausgegeben worden, um das gewaltsame Öffnen der Türen zu vermeiden. Der anderweitig Verfolgte J. habe keine wirksame Einwilligung erklären können. Dieser sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass er die Gestattung der Durchsuchung hätte verweigern können.

5. Das Landgericht Köln verwarf die Beschwerde als unbegründet. Die Durchsuchungsmaßnahmen seien rechtmäßig erfolgt; gegen den Beschwerdeführer habe ein Anfangsverdacht der Verletzung von Dienstgeheimnissen bestanden. Ein richterlicher Beschluss sei nicht erforderlich gewesen. Ob Gefahr im Verzug vorliege, entscheide der Beamte nach pflichtgemäßem Ermessen. Es habe im Übrigen ersichtlich die Gefahr bestanden, dass der Beschwerdeführer von der Aussage der Zeugin K. in dem Polizeibüro und von den gegen ihn laufenden Ermittlungen entweder unmittelbar oder über Kollegen etwas mitbekommen könne. Die Vernehmung der Zeugin K. habe erst um 16.15 Uhr geendet; die Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses an diesem Tag habe keine Aussicht auf Erfolg versprochen. Zudem habe die Vernichtung von Beweismitteln unmittelbar gedroht.

6. Dagegen beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung des Nachverfahrens gemäß § 33a StPO. Das Landgericht habe sich mit seinem Vorbringen insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auseinander gesetzt. Es verstoße auch gegen die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Formerfordernisse, wenn die Staatsanwaltschaft die Dokumentationspflicht als bloße Förmelei abtue und darauf verweise, dass zwar keine Vermerke für die Annahme der Gefahr im Verzug gefertigt worden seien, sich diese jedoch aus den Akten, namentlich dem Inhalt der Vernehmung der Zeugin K. ergebe.

7. Das Landgericht Köln wies den Antrag zurück. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei Rechnung getragen worden. Vom Vorliegen der Gefahr im Verzug bei der Durchsuchung des Dienstzimmers und der Wohnung habe ausgegangen werden können.

II.

1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 13 Abs. 1 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG. Insbesondere seien die Voraussetzungen für Gefahr im Verzug, welche nicht vorgelegen habe, nicht dokumentiert worden. Wesentlicher Sachvortrag sei unberücksichtigt geblieben.

2. Dem Land Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; es hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.

B.

Die Kammer nimmt die zulässige (I.) Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 103, 142 <150 ff.>) sowie Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 42, 364 <367 f.>; 54, 86 <91 f.>; 58, 353 <356 f.>; 69, 141 <143>) hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Danach ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begründet (II.).

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

1. Soweit die angegriffenen Beschlüsse das Dienstzimmer des Beschwerdeführers betreffen, hat der Beschwerdeführer in hinreichender Weise dargelegt, dass der Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG betroffen ist. Ob die Benutzung von Amtsräumen, die auch unter den Wohnungsbegriff fallen können, den Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG genießt, hängt davon ab, ob diese Räume der "räumlichen Privatsphäre" zuzurechnen sind (vgl. BVerfGE 32, 54 <68 ff., 72>). Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, dass der Dienstraum, in welchem sich auch persönliche Gegenstände befunden hätten, alleine von ihm benutzt worden und der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich gewesen sei.

2. Mit der Durchführung des Nachverfahrens gemäß § 33a StPO hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die Monatsfrist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist gewahrt. Der Beschluss des Landgerichts Köln vom 23. September 2002 ist dem Beschwerdeführer nach dessen Angaben formlos am 30. September 2002 übermittelt worden; die Verfassungsbeschwerde ging am 28. Oktober 2002 beim Bundesverfassungsgericht ein.

II.

Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG (1.) und in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG (2.).

1. a) Eine Durchsuchung greift schwerwiegend in die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte persönliche Lebenssphäre ein (vgl. BVerfGE 51, 97 <107>; 96, 27 <40>). Bei Maßnahmen wie der Durchsuchung, die in der Regel ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergeht, soll die grundsätzlich vorbehaltene Einschaltung des Richters insbesondere auch für eine gebührende Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten sorgen (vgl. BVerfGE 9, 89 <97>). Der Richter muss die beabsichtigte Maßnahme eigenverantwortlich prüfen; er muss dafür Sorge tragen, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung genau beachtet werden (vgl. BVerfGE 9, 89 <97>; 57, 346 <355 f.>). Die richterliche Durchsuchungsanordnung soll die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme sein (vgl. BVerfGE 103, 142 <153>). Wenngleich die Eilkompetenz die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen soll, einen Beweismittelverlust zu verhindern, muss die Regelzuständigkeit des Richters gewahrt werden. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen daher für eine Annahme von Gefahr im Verzug nicht aus; diese muss vielmehr mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind (vgl. BVerfGE 103, 142 <155>).

b) Ergänzend gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 101, 106 <122 f.>; stRspr). Bezogen auf die strafprozessuale Durchsuchung bedeutet dies, dass bei dem Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" in Art. 13 Abs. 2 GG ein Ermessen der Behörden ausscheidet; die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist vielmehr von Verfassungs wegen grundsätzlich Sache der Gerichte, die die Rechtsanwendung der Behörden insoweit uneingeschränkt nachzuprüfen haben (vgl. BVerfGE 103, 142 <157>). Die verfassungsrechtlich gebotene volle gerichtliche Kontrolle der Annahme von "Gefahr im Verzug" ist jedoch in der Praxis nur möglich, wenn nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Grundlagen der Entscheidungen der Behörden und ihr Zustandekommen zuverlässig erkennbar werden. Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergeben sich daher für die Strafverfolgungsbehörden Dokumentations- und Begründungspflichten, die den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz erst möglich machen. Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung einer nichtrichterlichen Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im Verzug setzt daher voraus, dass der handelnde Beamte vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsuchung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentiert. Insbesondere muss er, unter Bezeichnung des Tatverdachts und der gesuchten Beweismittel, die Umstände darlegen, auf die er die Gefahr des Beweismittelverlusts stützt (vgl. BVerfGE 103, 142 <159 f.>).

c) Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht Rechnung und verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

aa) Der Beschwerdeführer trägt die relevante Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 103, 142 ff.) im fachgerichtlichen Verfahren umfangreich vor; dennoch vertritt das Landgericht Köln die verfassungsrechtlich zu beanstandende Rechtsauffassung, dass der Beamte nach pflichtgemäßem Ermessen entscheide, ob Gefahr im Verzug bestehe. Wenngleich das Landgericht Köln im Anschluss daran dennoch eine eigene Prüfung des Tatbestandsmerkmals "Gefahr im Verzug" vornimmt, kann es damit den Verfassungsverstoß nicht heilen. Das Landgericht setzt erkennbar seine eigene nachträgliche Einschätzung der Lage an die Stelle der Einschätzung der handelnden Beamten; dies entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 103, 142 <159>). Die gerichtliche Nachprüfung setzt eine Dokumentation der bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen für die Gefahr im Verzug durch den handelnden Beamten voraus. Insoweit wurde jedoch lediglich - soweit überhaupt Durchsuchungsprotokolle vorliegen - formularmäßig die vorgegebene Rubrik "Gefahr im Verzug" ohne weitere Begründung angekreuzt. Eine im zeitlichen Zusammenhang mit der Maßnahme gefertigte und über allgemeine Formulierungen hinausgehende Dokumentation, aus welcher sich ergeben könnte, ob und auf welche Weise sich der handelnde Beamte in besonderem Maße der Rechtmäßigkeit seines Handelns vergewisserte (vgl. BVerfGE 103, 142 <160>), liegt nicht vor.

bb) Es kann daher offen bleiben, ob überhaupt Gefahr im Verzug vorgelegen hat. Bedenken bestehen insoweit schon deswegen, weil der etwaige Beweismittelverlust alleine darauf gestützt wird, dass der Beschwerdeführer von der Aussage der Zeugin K. unmittelbar oder mittelbar Kenntnis hätte erlangen können. Woraus der Beschwerdeführer jedoch hätte schließen sollen, dass eine etwaige Aussage der Zeugin K. gegen ihn gerichtete Strafvorwürfe hätte betreffen können, wird nicht ohne weiteres erkennbar und könnte daher eine verfassungsrechtlich unzulässige "reine Spekulation" darstellen. Soweit die Durchsuchung des Büros betroffen ist, wäre zudem zu erwägen gewesen, ob nicht von Anfang an das Versperren des Büros sowie das Verwahren der Schlüssel einem Beweismittelverlust hätte vorbeugen können. Jedenfalls zum Zeitpunkt der zweiten Durchsuchung des Büros war dieses nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers bereits verschlossen; die Schlüssel befanden sich in amtlicher Verwahrung.

cc) Ob die Dokumentation verfassungsrechtlich auch dann geboten wäre, wenn die Gründe, die zur Annahme einer Gefahr im Verzug führen, "auf der Hand lägen" (vgl. die Stellungnahme des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zur Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142 <148>), kann ebenfalls offen bleiben. Eine etwaige "Evidenz" der Gefahr im Verzug kann jedenfalls im vorliegenden Fall nicht angenommen werden.

dd) Im Übrigen haben die Gerichte - trotz des wiederholten Vorbringens des Beschwerdeführers hierauf - nicht jeden Eingriff gesondert geprüft; vielmehr werden die drei das Büro betreffenden Durchsuchungen als eine einheitliche Durchsuchung behandelt. Zwar mag eine einheitliche Durchsuchung auch mit Pausen durchgeführt werden können; mit der Beendigung durch eine ausdrückliche Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten des Durchsuchungsbeamten ist die jeweilige Anordnung jedoch verbraucht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 105 Rn. 14). Dies ist umso mehr zu beachten, als es um die Ausnahme von der regelmäßigen Richterzuständigkeit geht und bei der Prüfung der Gefahr im Verzug jeweils die o.g. verfassungsrechtlichen Maßstäbe zu berücksichtigen sind.

2. a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 <367 f.>; 58, 353 <356>; 69, 141 <143>; stRspr). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 54, 86 <91 f.>).

b) Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht Rechnung und verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

aa) Soweit die Durchsuchung des Büros betroffen ist, haben sich die Gerichte erkennbar und trotz des darauf bezogenen wiederholten Vorbringens des Beschwerdeführers nicht mit einer etwaigen Mehrzahl von Durchsuchungsmaßnahmen befasst und daher keine darauf bezogenen Erwägungen angestellt.

bb) Die Gerichte haben sich erkennbar und trotz des darauf bezogenen wiederholten Vorbringens des Beschwerdeführers nicht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründungs- und Dokumentationspflichten der Strafverfolgungsbehörden - deren Erfüllung erst eine gerichtliche Kontrolle ermöglicht - befasst. Die landgerichtliche Prüfung des Vorliegens von Gefahr im Verzug setzt weder an der Einschätzung der handelnden Beamten noch an einer entsprechenden Dokumentation an. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden nicht in Erwägung gezogen. Da das Landgericht Köln im Beschluss vom 22. April 2002 im Ausgangspunkt - entgegen der vom Beschwerdeführer vorgetragenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - die Auffassung vertritt, dass die Beamten nach pflichtgemäßem Ermessen über das Vorliegen der Gefahr im Verzug entscheiden würden, liegt es sogar nahe, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht zur Kenntnis genommen wurde.

cc) Der Hinweis des Landgerichts im Nachverfahren gemäß § 33a StPO, dass der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss der Kammer vom 22. April 2002 Rechnung getragen und die in der Antragsschrift im Nachverfahren vorgebrachten Argumente berücksichtigt worden seien, ist unbehelflich. Aus dieser bloßen Behauptung wird jedenfalls nicht erkennbar, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers tatsächlich erwogen wurde. Zwar sind die Gerichte nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfGE 22, 267 <274>); die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Verteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Entscheidungsgründen eines gerichtlichen Beschlusses aber verarbeitet werden (vgl. BVerfGE 58, 353 <357>). Dies muss auch für rechtliches und - wie gegenständlich - offenkundig erhebliches Vorbringen gelten.

dd) Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei Kenntnisnahme und Erwägung des Vorbringens des Beschwerdeführers anders entschieden hätten; die angegriffenen Entscheidungen beruhen daher auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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