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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.09.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 1800/07
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 34a Abs. 2
BVerfGG § 95 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 2
GG Art. 3
GG Art. 12
GG Art. 13 Abs. 1
GG Art. 13 Abs. 2
GG Art. 14
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 1800/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 13. Juli 2007 - 9 Qs 53/07 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 11. Juni 2007 - 9 Qs 53/07 -,

c) den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 17. November 2006 - 30 Gs 3879/06 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Mellinghoff, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt am 28. September 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 17. November 2006 - 30 Gs 3879/06 - und die Beschlüsse des Landgerichts Koblenz vom 11. Juni 2007 - 9 Qs 53/07 - und 13. Juli 2007 - 9 Qs 53/07- verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes, soweit die Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers in Koblenz angeordnet und die dagegen eingelegte Beschwerde verworfen worden ist.

Insoweit werden die Beschlüsse aufgehoben und die Sache an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Der Beschwerdeführer ist selbständiger Rechtsanwalt und wendet sich gegen die Durchsuchung seines Wohnhauses in Koblenz und seiner Kanzleiräume in Mainz in einem gegen ihn geführten strafprozessualen Ermittlungsverfahren.

I.

1. Gegen den Beschwerdeführer wurde aufgrund einer im November 2005 erstatteten Strafanzeige seines ehemaligen Mandanten S., den der Beschwerdeführer zwischen 1998 und 2003 anwaltlich vertreten hatte, ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs, Gebührenüberhebung und Urkundenunterdrückung geführt.

2. Der Beschwerdeführer wurde im Februar 2006 von der Polizei als Beschuldigter zum Vorwurf des Betrugs und der Gebührenüberhebung durch doppelte Abrechnung von Spesen (Januar 2001) vernommen; der Beschwerdeführer machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und kündigte eine schriftliche Stellungnahme an. In einem Schreiben vom 10. Februar 2006 bestritt der Beschwerdeführer, dass S. die Rechnungsbeträge gezahlt habe, und berief sich auf noch ausstehende Honorarforderungen; da der Beschwerdeführer den Mandanten S. in einer Vielzahl von Fällen vertreten habe und dabei zahlreiche Forderungen gegenseitig verrechnet worden seien, sei es nicht zumutbar, "Zahlungseingänge rückwirkend seit dem 18.01.2001 zu prüfen".

3. Im März 2006 und Juni 2006 wurde S. auf Anordnung der Staatsanwaltschaft zu bislang noch nicht näher konkretisierten weiteren Tatvorwürfen vernommen.

4. Mit angegriffenem Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 17. November 2006 wurde die Durchsuchung der in Koblenz gelegenen Wohnung des Beschwerdeführers und seiner Kanzleiräume in Mainz angeordnet. Die Durchsuchung diene dem Auffinden von Rechtsanwaltshandakten bezüglich des ehemaligen Mandanten, schriftlichen Aufzeichnungen über Hotel- und Reisekosten hinsichtlich Fahrten nach Dessau und über die Vereinnahmung und Auszahlung von Geldern des Mandanten sowie schriftlichen Aufzeichnungen zur Errechnung von Gebührenanforderungen an den Mandanten. Der Beschwerdeführer sei des Betrugs, der Gebührenüberhebung und der Urkundenunterdrückung verdächtig:

a) Er habe im Januar 2001 zeitgleich zwei Kostenrechnungen in Höhe von 2.399,80 DM und 2.384,00 DM für Termine, die er beim Landgericht Dessau wahrgenommen habe, dem Mandanten S. übermittelt. Obwohl beide Termine am 18. Januar 2001 stattgefunden hätten, habe der Beschwerdeführer in beiden Fällen Hotelkosten in Höhe von 150,00 DM und Reisekosten in Höhe von 170,00 DM in Rechnung gestellt.

b) Ferner bestehe der Verdacht, dass der Beschwerdeführer seinen Mandanten über die Höhe einer Forderung getäuscht habe: In einem Schreiben vom 2. Januar 2002 habe der Beschwerdeführer gegenüber dem Mandanten auf eine Forderung von 2.384,80 DM einen Geldeingang aus einer anderen Sache in Höhe von 688,54 DM sowie eine Gegenforderung des Mandanten in Höhe von 636,97 DM aufgerechnet unter Hinweis darauf, dass sich die Forderung auf 1.950,29 DM statt 1.059,29 DM reduziere; angesichts der weiteren Ungereimtheiten bestünden erhebliche Zweifel an einem bloßen Schreib- oder Rechenfehler.

c) Der Beschwerdeführer habe im Februar 2002 in einer Kostenrechnung aus fünf Verhandlungsterminen zu je 660,00 € eine Summe von 3.360,00 € statt 3.300,00 € errechnet. Für drei Fahrten zum Amtsgericht Weimar habe er Fahrtkosten in Höhe von 972,00 € geltend gemacht und dabei jeweils eine Fahrstrecke von 800 Kilometern zugrunde gelegt, obwohl die einfache Strecke von Koblenz nach Weimar nur ungefähr 330 Kilometer betrage. Für Kopien habe der Beschwerdeführer 140,21 € statt 41,21 € berechnet. Im Juni 2003 habe der Beschwerdeführer dem Mandanten eine als "berichtigt" bezeichnete Kostenrechnung erteilt, in der die Fehler hinsichtlich der Verhandlungstage und der Kopien korrigiert, die übersetzten Fahrtkosten jedoch noch enthalten gewesen seien.

d) Ferner bestehe der Verdacht der Urkundenunterdrückung. Der Anzeigeerstatter habe den Beschwerdeführer wiederholt zur Herausgabe seiner Unterlagen bezüglich abgeschlossener Angelegenheiten aufgefordert, zuletzt weil der Anzeigeerstatter die Unterlagen, die er nicht mehr benötige, vernichten wolle. Der Beschwerdeführer habe am 11. August 2005 geantwortet, er entnehme dem, dass der Anzeigeerstatter keine Unterlagen mehr benötige und er die Unterlagen, soweit noch nicht geschehen, vernichten werde. Er werde lediglich diejenigen Unterlagen archivieren, die er für sich aus betrieblichen Gründen benötige.

5. Am 22. Februar 2007 wurden die Kanzleiräume des Beschwerdeführers in Mainz und das Wohnhaus (einschließlich Garage, Keller und Speicher) des Beschwerdeführers in Koblenz durchsucht. Bei der Durchsuchung der Kanzlei wurden Unterlagen sichergestellt.

6. Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2007 begründete der Beschwerdeführer seine Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Es fehle an einem Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer. Auch stehe die Durchsuchung der Wohnung und der Kanzleiräume weder in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat noch zur Stärke des Tatverdachts. Es sei in einem Anwaltsbüro üblich, dass Schreibversehen vorkämen und im Nachhinein nicht bemerkt würden. Aus den von dem Anzeigeerstatter vorgelegten Unterlagen habe sich angeblich der Tatverdacht ergeben; weitere Unterlagen hätten diesen Verdacht nicht erhärten können, zumal der Beschwerdeführer nicht im Besitz anderer Unterlagen habe sein können als derjenigen, die er selbst dem Anzeigeerstatter zum Nachweis seiner Kostenrechnungen übermittelt habe. Angesichts der Ankündigung im Schreiben des Beschwerdeführers vom 11. August 2005 sei die Annahme, dass entsprechende Unterlagen bei dem Beschwerdeführer noch vorhanden waren, unrealistisch gewesen. Als ein gegenüber einer Durchsuchung milderes Mittel wäre in Betracht gekommen, den Beschwerdeführer um die Überlassung der Handakten oder sonstiger Abrechnungsunterlagen zu bitten. In jedem Fall hätte es ausgereicht, die Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei zu veranlassen.

7. Mit angegriffenem Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 11. Juni 2007 wurde die Beschwerde als unbegründet verworfen. Der Durchsuchungsbeschluss sei ausreichend bestimmt. Es habe aufgrund der Aussage des Zeugen S. und der von diesem vorgelegten Schriftstücke ein Anfangsverdacht bestanden. Es habe davon ausgegangen werden dürfen, dass der Beschwerdeführer die seine Kostenrechnung betreffenden Dokumente aufbewahre. Es sei auch nicht auszuschließen gewesen, dass sich im Besitz des Beschwerdeführers - sei es nach dem Ortswechsel in dessen neuen Kanzleiräumen in Mainz, sei es in dessen Wohnräumen in Koblenz - sowohl noch weitere "Originalunterlagen" als auch sonstige das Verhältnis zu dem Zeugen S. betreffende Unterlagen befänden. Schließlich habe die Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts gestanden. Die Strafandrohungen und möglichen berufsrechtlichen Konsequenzen für einen Rechtsanwalt seien regelmäßig schwerwiegend.

8. Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, hilfsweise Gegenvorstellung, und machte geltend, dass die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletze, da sich die Kammer nicht mit wesentlichem Sachvortrag in der Beschwerdebegründung vom 6. Juni 2007 befasst habe. Sofern das Landgericht den Vortrag des Beschwerdeführers vollständig gewürdigt hätte, so hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig war. Das Landgericht habe nicht nach Aktenlage geprüft, ob sich nach dem damaligen Ermittlungsergebnis der Anfangsverdacht habe rechtfertigen lassen. Soweit das Landgericht den Durchsuchungsbeschluss für hinreichend bestimmt halte, werde mit keinem Wort problematisiert, wieso die Durchsuchung der Privatwohnung erforderlich gewesen sei. Das Landgericht habe auch nicht gewürdigt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass der Beschwerdeführer nicht an der Aufklärung des Sachverhaltes mitwirken würde.

9. Mit angegriffenem Beschluss des Landgerichts vom 13. Juli 2007 wurde die Anhörungsrüge als unbegründet verworfen. Eine abweichende Entscheidung sei auch aufgrund der hilfsweise erhobenen Gegenvorstellung nicht geboten. Dem Beschwerdeführer sei ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Die Beschwerdebegründung vom 6. Juni 2007 habe der Kammer bei der Beschwerdeentscheidung vorgelegen und sei auch berücksichtigt worden. Dass die Kammer die rechtlichen Einschätzungen des Beschwerdeführers nicht geteilt habe, sei hingegen keine Frage einer unterbliebenen Anhörung oder einer Nichtgewährung rechtlichen Gehörs.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2, Art. 3, Art. 12, Art. 14, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG geltend. Er beanstandet, dass das Landgericht seine Einwendungen nicht vollständig zur Kenntnis genommen und gewürdigt habe. Die Durchsuchung der Kanzlei und der Privatwohnung sei unverhältnismäßig, insbesondere nicht erforderlich gewesen. Dem Beschwerdeführer sei der Tatvorwurf mehr als ein Jahr vor der Durchsuchung bereits bekannt gewesen, so dass er ausreichend Zeit gehabt hätte, Unterlagen zu vernichten oder zu verstecken. Ferner hätte es nahe gelegen, den Beschwerdeführer als praktizierenden Rechtsanwalt zu bitten, die in Rede stehenden Unterlagen des Mandanten freiwillig vorzulegen. Die konfusen Vorwürfe des ehemaligen Mandanten rechtfertigten keinen "dringenden Tatverdacht". Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer als seit mehr als zwei Jahrzehnten praktizierender Anwalt bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und somit keine Veranlassung für die Annahme bestanden habe, er werde an der Aufklärung des Sachverhaltes nicht mitwirken.

III.

Dem Land Rheinland-Pfalz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Dem Bundesverfassungsgericht hat die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte 2010 Js 76750/05 vorgelegen.

IV.

Soweit die Durchsuchung der privaten Wohnräume des Beschwerdeführers angeordnet und die dagegen gerichtete Beschwerde verworfen wurde, wird die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Insoweit verletzen die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG.

1. Mit einer Durchsuchung wird schwerwiegend in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) eingegriffen. Auch beruflich genutzte Räume werden durch das Grundrecht geschützt (vgl. BVerfGE 32, 54 <69 ff.>; 42, 212 <219>; 44, 353 <371>; 96, 44 <51>). Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Diesen Verdacht hat der für die vorherige Gestattung des behördlichen Eingriffs oder dessen nachträgliche Kontrolle zuständige Richter eigenverantwortlich zu prüfen und dabei die Interessen des Betroffenen angemessen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 103, 142 <151>). Der Anfangsverdacht als Eingriffsvoraussetzung muss eine Tatsachengrundlage haben, aus der sich die Möglichkeit der Tatbegehung durch den Beschuldigten ergibt, ohne dass es auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit ankommt; eine bloße Vermutung würde nicht ausreichen (vgl. BVerfGE 44, 353 <381 f.>; 59, 95 <97 f.>). Andererseits muss sich aus den Umständen, die den Anfangsverdacht begründen, nicht eine genaue Tatkonkretisierung ergeben. Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>).

Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck verhältnismäßig sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>). Hierbei sind auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie der Grad des auf die verfahrenserheblichen Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten (vgl. BVerfGE 115, 166 <197>). Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Durchsuchung entgegenstehen (vgl. BVerfGE 115, 166 <197>).

2. Den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Beschlüsse im Hinblick auf die Durchsuchung des Wohnhauses des Beschwerdeführers in Koblenz nicht.

a) Zwar ist die fachgerichtliche Annahme eines Tatverdachts verfassungsrechtlich (noch) nicht zu beanstanden. Bei der Anordnung der Durchsuchung ergab sich aus der Ermittlungsakte eine ungewöhnliche Häufung von Abrechnungsfehlern zum Nachteil des Anzeigeerstatters, die tatsächliche Anhaltspunkte jedenfalls für den Tatbestand der Gebührenüberhebung (§ 352 Abs. 1 StGB) oder des Versuchs der Gebührenüberhebung (§ 352 Abs. 2 StGB) boten. Auch die Ankündigung des Beschwerdeführers im Schreiben vom 11. August 2005, er werde die Mandatsunterlagen vernichten, soweit er sie nicht noch aus betrieblichen Gründen benötige, war angesichts des in den vorausgegangenen Schreiben seines ehemaligen Mandaten unmissverständlich geäußerten Herausgabeverlangens geeignet, den Tatverdacht zu bestärken. Dass sich allein auf der Grundlage der vorhandenen Anhaltspunkte die Vorwürfe nicht zwangsläufig nachweisen ließen, sondern sich aus ihnen nur die Möglichkeit einer entsprechenden Tatbegehung ergab, liegt in der Natur des Anfangsverdachts. Das Ergebnis der Beurteilung der tatsächlichen Anhaltspunkte entzieht sich einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, denn es hat nicht seine Wertung nach Art eines Rechtsmittelgerichts an die Stelle derjenigen des zuständigen Richters zu setzen. Ob in jeder Hinsicht eine zutreffende Gewichtung vorgenommen wurde oder ob eine andere Beurteilung näher gelegen hätte, unterfällt nicht seiner Entscheidung (vgl. BVerfGE 95, 96 <141>).

b) Jedoch tragen die angegriffenen Entscheidungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend Rechnung. Konkrete Anhaltspunkte, die die Erwartung hätten rechtfertigen können, dass sich in den Wohnräumen des Beschwerdeführers verfahrensrelevante Unterlagen würden finden lassen, lassen sich den angegriffenen Beschlüssen nicht entnehmen; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Zudem ist die Angemessenheit der Durchsuchung nicht tragfähig begründet; im Hinblick auf die Vagheit des Auffindeverdachts und die Schwere des mit der Durchsuchung der privaten Wohnung verbundenen Eingriffs hätte es einer eingehenden Begründung bedurft.

V.

Soweit der Beschwerdeführer hingegen die Durchsuchung seiner Kanzleiräume in Koblenz und die Verwerfung der dagegen gerichteten Beschwerde beanstandet, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde insoweit nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; denn sie hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg.

1. Dem Durchsuchungsbeschluss liegt eine verfassungsrechtlich (noch) nicht zu beanstandende Annahme eines Tatverdachts zugrunde (vgl. oben IV. 2. a).

2. Obwohl der Tatverdacht nicht sehr stark ausgeprägt war, hielt sich die Annahme des Landgerichts, die Durchsuchung sei in Anbetracht der Tatvorwürfe nicht unverhältnismäßig gewesen, noch im Rahmen des verfassungsrechtlich zulässigen Wertungsrahmens. Die Durchsuchung der Kanzleiräume zur Auffindung der verfahrensgegenständlichen Handakte und verfahrensrelevanter schriftlicher Aufzeichnungen des Beschwerdeführers war geeignet, Erkenntnisse zu bringen, die jedenfalls für die Frage eines vorsätzlichen Handelns des Beschwerdeführers von Bedeutung waren. Auch standen keine milderen, gleich geeigneten Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung. Abgesehen davon, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 10. Februar 2006 keine hinreichende Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden erkennen ließen, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafverfolgungsbehörden von einer Aufforderung des Beschwerdeführers zur freiwilligen Herausgabe von Unterlagen im vorliegenden Fall abgesehen haben. Da nicht von vornherein feststand, welche konkreten Aufzeichnungen über das Mandatsverhältnis zu S. bei dem Beschwerdeführer vorhanden waren, hätte eine Aufforderung zu freiwilliger Herausgabe benötigter Unterlagen die Entscheidung, was als Beweismittel zur Verfügung gestellt wird, in weitem Umfang in das Belieben des Beschwerdeführers gestellt. Angesichts des im Raum stehenden Gesamtschadens und der Stellung des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt war die Durchsuchung der Kanzleiräume auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn.

3. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liegt nur dann vor, wenn sich im Einzelfall klare Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137 <140 f.>). Hiervon kann im vorliegenden Fall (noch) nicht ausgegangen werden, auch wenn die Ausführungen des Landgerichts zu Tatverdacht und Verhältnismäßigkeit knapp ausgefallen sind.

VI.

Hinsichtlich der Durchsuchung der privaten Wohnräume des Beschwerdeführers werden die angegriffenen Entscheidungen gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG aufgehoben. Die Sache wird insoweit an das Landgericht zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

VII.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Dem Beschwerdeführer ist die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten, da die Verfassungsbeschwerde nur teilweise Erfolg hat.

Ende der Entscheidung

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