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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 1870/07
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 1870/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Juli 2007 - 1 Vollz (Ws) 442/07 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 25. Mai 2007 - 19 Vollz 1460/07 S -,

c) Nr. 4.2.1 der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt B. vom 16. Februar 1977 in der Fassung vom 1. Oktober 2003

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

und Beiordnung des Rechtsanwalts Z.

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Mellinghoff, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt am 7. November 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 25. Mai 2007 - 19 Vollz 1460/07 S - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Bielefeld zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Juli 2007 - 1 Vollz (Ws) 442/07 - ist damit gegenstandslos.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Z.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ungleichbehandlung männlicher und weiblicher Gefangener in der Justizvollzugsanstalt B. in Bezug auf die Möglichkeit des Telefonierens und des Einkaufs von Kosmetika.

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine langjährige Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt B. Anträge des Beschwerdeführers, monatlich von zweckgebunden eingezahltem Eigengeld für 30 Euro telefonieren und für 25 Euro Kosmetikartikel kaufen zu dürfen, wurden vom Leiter der Anstalt abgelehnt.

2. Der gemäß § 3 Vorschaltverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen vom Beschwerdeführer erhobene Widerspruch wurde vom Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes als unbegründet zurückgewiesen. Nach § 32 StVollzG könne den Gefangenen gestattet werden, Telefongespräche zu führen. Ein Rechtsanspruch leite sich aber weder aus dieser Vorschrift noch aus den auf Ferngespräche anwendbaren Regelungen betreffend den Besuch ab. Im Hafthaus 4 der Justizvollzugsanstalt B., in dem der Beschwerdeführer untergebracht sei, stünden anders als im Hafthaus 5, in dem der Frauenvollzug stattfinde, keine speziell für die Gefangenen eingerichteten Fernsprechgeräte zur Verfügung. Wollten Gefangene aus dem Hafthaus 4 telefonieren, müssten daher die eigentlich für den Dienstgebrauch bestimmten Anschlüsse benutzt werden. Bei der Justizvollzugsanstalt B. handele es sich zudem um eine Anstalt der höchsten Sicherheitsstufe, in der insbesondere gefährliche, fluchtverdächtige, drogenabhängige und schwierige Gefangene untergebracht seien. Telefongespräche seien darum in der Regel zu überwachen und stellten wegen des damit verbundenen Aufwandes einen erheblichen Eingriff in den üblichen, auf die personelle sowie räumliche Ausstattung der Anstalt zugeschnittenen Ablauf des Vollzugsdienstes dar. Die Erteilung einer Dauergenehmigung für den Beschwerdeführer würde außerdem Anträge anderer Gefangener nach sich ziehen, mit der Folge einer weiteren massiven Verschlechterung der Situation. Telefongespräche von Gefangenen könnten daher nur in dringenden Angelegenheiten zugelassen werden, die nicht rechtzeitig oder nicht ebenso gut auf anderem Wege - etwa schriftlich oder bei Besuchskontakten - zu erledigen seien.

Auch der beantragte monatliche Kosmetikeinkauf vom Eigengeld sei zu Recht abgelehnt worden. Die Verwendung von Eigengeld (§ 52 StVollzG) für den Einkauf (§ 22 StVollzG) von Kosmetika sei nach dem Strafvollzugsgesetz - außer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 StVollzG - nicht zulässig. Nr. 4.2.1 der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt vom 16. Februar 1977 in der Fassung vom 1. Oktober 2003 sehe demgegenüber zwar vor, dass bestimmte Aufwendungen vom zweckgebundenen Eigengeld getätigt werden könnten. Entsprechend seien dort "zweckbestimmte Einzahlungen" für verschiedene Positionen anerkannt. Für Kosmetikeinkäufe gelte dies nach dem Wortlaut der Vorschrift indes nur für weibliche Gefangene. Damit werde den "Besonderheiten des Frauenvollzugs" Rechnung getragen. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, da es sich "aufgrund der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen" nicht um einen im wesentlichen vergleichbaren Sachverhalt handele.

Nr. 4.2.1 der Hausordnung lautet:

4.2.1 Zweckbindungen

Zweckgebundene Einzahlungen bleiben von Pfändungsansprüchen unberührt. Für folgende Positionen werden zweckbestimmte Einzahlungen anerkannt:

Zahnersatz und Brille

Fernsehgerät mit Zubehör, auch Reparaturen

Radiorecorder, CD-Player

Verplombung von Elektrogeräten

Paketersatzeinkauf

Urlaub, Ausführung

Bezahlung Ersatzfreiheitsstrafe

Kauf von Entlassungsbekleidung

Kosmetik (nur bei Frauen)

3. a) Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG) machte der Beschwerdeführer geltend, er sei in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt. Was seitens der Anstaltsleitung den Frauen innerhalb des geschlossenen Vollzugs an Vergünstigungen gewährt werde, dürfe den Männern nicht vorenthalten werden. Entgegen der Auffassung des Vollzugsamtes handele es sich um einen im Wesentlichen vergleichbaren Sachverhalt; insbesondere befänden sich auch unter den Frauen Schwerkriminelle.

b) Das Landgericht wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück.

Hinsichtlich des Telefonierens habe die Anstalt zu Recht auf die Besonderheiten des Vollzugs im Hafthaus 4 im Vergleich zum Hafthaus 5 (Frauenvollzug) und die im Hinblick auf die Sicherheitsstandards der Anstalt in der Regel erforderliche Überwachung abgestellt. Aufgrund der gegebenen Ausstattung der Anstalt sei es nicht möglich, die Telefongespräche, die darüber hinaus von Dienstapparaten aus geführt werden müssten, zu überwachen. Zu Recht habe die Anstalt auch darauf hingewiesen, dass die Erteilung einer Dauergenehmigung für den Beschwerdeführer Anträge zahlreicher anderer Gefangener nach sich ziehen und die Situation sich hierdurch noch massiv verschlechtern würde. Demgegenüber stünden im Hafthaus 5 speziell für die weiblichen Gefangenen eingerichtete Fernsprechgeräte zur Verfügung. Offensichtlich bestehe für Gefangene in diesem Hafthaus auch nicht das Erfordernis der Überwachung der Telefongespräche.

Für die Besonderheit, dass es weiblichen Gefangenen gestattet sei, in der Anstalt Kosmetika vom zweckgebundenen Eigengeld zu kaufen, liege nach den zutreffenden Ausführungen der Anstalt ein hinreichender Grund vor. Eine Bevorzugung der weiblichen Gefangenen "entspricht dem üblichen Brauch auch außerhalb der Anstalt, da die Erfordernis von Kosmetika bei weiblichen Personen offensichtlich einem erhöhten ,natürlichen' Bedürfnis entspricht".

4. Die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers wurde vom Oberlandesgericht unter Hinweis auf § 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG als unzulässig verworfen.

II.

1. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen Nr. 4.2.1 der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt B. und gegen die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Er rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Den in der Anstalt inhaftierten Frauen sei es im Gegensatz zu den männlichen Gefangenen gestattet, monatlich 30 Euro zweckgebunden für Telefonkarten und 25 Euro zweckgebunden für Kosmetika auf das Eigengeld einzuzahlen. Ferner könnten sie in ihrem Hafthaus unter Nutzung der Telefonkarten zuvor überprüfte Telefonnummern von frei zugänglichen Fernsprechern aus anrufen. Die Ausführungen des Landesjustizvollzugsamtes, wonach es wegen des gehobenen Sicherheitsstandards der Anstalt notwendig sei, Telefongespräche zu überwachen, könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen, da nicht zu erkennen sei, inwiefern die weiblichen Gefangenen weniger gefährlich, fluchtverdächtig, drogenabhängig oder schwierig sein sollten als die männlichen. Entsprechendes werde im Widerspruchsbescheid auch nicht behauptet. Hinsichtlich des Verbrauchs von Kosmetika genüge ein Blick auf das geänderte Konsumverhalten und die sich heute auch an Männer richtende Werbung der Kosmetikindustrie, um zu erkennen, dass grundsätzliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen in diesem Bereich nicht mehr bestünden.

2. Das Justizministerium des Landes Nordhrein-Westfalen hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. III.

1. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen Nr. 4.2.1 der Hausordnung der Justizvollzugsanstalt richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist insoweit unzulässig, da die Bestimmung keine unmittelbare Außenwirkung entfaltet und daher nicht geeignet ist, eigenständig den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten zu verletzen (vgl. BVerfGE 1, 82, <83 ff.>; 12, 180, <199>; 18, 1 <15>; stRspr).

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die angegriffenen Gerichtsentscheidungen richtet, wird sie gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen insoweit vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer eröffnenden Weise offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 GG.

a) Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbietet jede Benachteiligung unter anderem wegen des Geschlechts. Der allgemeine Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG, der hinter den spezielleren Gewährleistungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zurücktritt (vgl. BVerfGE 9, 124 <128>; 59, 128 <156>, stRspr), wird durch dieses Verbot dahingehend konkretisiert, dass das Geschlecht grundsätzlich nicht zu den sachlichen Gründen zählt, die eine Differenzierung rechtfertigen können. Das Geschlecht ist nach Art. 3 Abs. 3 GG grundsätzlich kein zulässiger rechtlicher Anknüpfungspunkt für rechtlich unterschiedliche Behandlung. An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind, oder eine Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht sie ausnahmsweise legitimiert (vgl. BVerfGE 85, 191 <207 ff.>; 92, 91 <109>; 114, 357 <364>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2003 - 2 BvR 2118/01 -, juris). Geschlechtsbezogene Zuschreibungen, die allenfalls als statistische eine Berechtigung haben mögen (Geschlechterstereotype), und tradierte Rollenerwartungen können danach zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen nicht dienen (vgl. BVerfGE 85, 191 <208 ff.>).

Das aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG folgende Differenzierungsverbot gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfGE 114, 357 <364>, m.w.N., stRspr). Eine - mittelbare - Benachteiligung wegen des Geschlechts kann auch vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung im Ergebnis überwiegend Angehörige eines Geschlechts betrifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist (vgl. BVerfGE 104, 373 <393>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juni 2008 - 2 BvL 6/07 - juris, stRspr).

b) Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht.

aa) Soweit es um die vom Beschwerdeführer begehrte Möglichkeit, monatlich für einen Betrag in Höhe von 30 Euro zu telefonieren, geht, war die ablehnende Entscheidung behördlicherseits zwar nicht in unmittelbarer Anknüpfung an das Geschlecht des Beschwerdeführers oder allgemein der Insassen des Hafthauses, in dem er untergebracht ist, sondern - unter Berufung auf das in § 32 StVollzG eingeräumte Ermessen - damit begründet worden, dass es in diesem Hafthaus, anders als in dem Hafthaus für den Frauenvollzug, an speziell für Telefonate der Gefangenen eingerichteten Fernsprechgeräten fehle und der personelle Aufwand für die Überwachung, die nach der Sicherheitsstufe der Anstalt und der Gefährlichkeit der Insassen des Hafthauses erforderlich sei, Telefonate der Gefangenen nur in dringlichen Ausnahmefällen zulasse. Dennoch hatte das Landgericht Anlass, die behördlichen Entscheidungen am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu überprüfen.

Schon die geltend gemachten Unterschiede in der technischen Ausstattung der Hafthäuser, die faktisch in spezifischer Weise gerade Männer und Frauen betreffen, sind der Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht von vornherein entzogen, zumal nichts dafür spricht, dass es sich um Unterschiede handelt, die nicht mit vergleichsweise geringem Aufwand behebbar wären. Zwar kann für das Ausmaß der Einschränkungen, die ein Gefangener hinnehmen muss, die räumliche und sonstige Ausstattung einer Justizvollzugsanstalt von Bedeutung sein. Andererseits bestehen Grundrechte nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtungen faktisch vorhanden ist (vgl. für die Untersuchungshaft BVerfGE 15, 288 <296>; 34, 369 <380 f.>; 35, 307 <310>; 42, 95 <101 f.>, sowie zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Januar 2008 - 2 BvR 1229/07 -, www.bverfg.de). Angesichts des grundrechtlichen Verbots der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts kann es nicht im freien Belieben der Justizvollzugsvollzugsanstalten oder ihrer Träger stehen, eine spezifische faktische Benachteiligung von Frauen oder Männern im Haftvollzug dadurch herbeizuführen, dass deren Unterbringungseinrichtungen unterschiedlich ausgestattet und an diesen Unterschied der Ausstattung sodann Unterschiede der sonstigen Behandlung geknüpft werden.

Soweit die Justizvollzugsanstalt und das Landesjustizvollzugsamt sich zur Rechtfertigung ihrer ablehnenden Entscheidungen darauf beriefen, dass im Hafthaus des Beschwerdeführers Telefonate der Gefangenen einer Überwachung bedürften, die wegen des personellen Aufwandes nicht in dem Umfang leistbar sei, in dem sie bei einer dem Antrag des Beschwerdeführers stattgebenden Entscheidung - auch im Hinblick auf vergleichbare Wünsche anderer Gefangener - erforderlich wären, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass § 32 Abs. 1 StVollzG die Erteilung einer Telefonerlaubnis in das Ermessen der Anstalt stellt (vgl. dazu Begründung des Regierungsentwurfs des Strafvollzugsgesetzes, BTDrucks 7/918, S. 61 f.) und dass diese nicht grundsätzlich gehindert ist, bei ihrer Entscheidung Gesichtspunkte des personellen Aufwandes für die Gewährleistung der notwendigen Sicherheit zu berücksichtigen (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl. 2005, § 32 Rn. 1 m.w.N.; zur Berücksichtigungsfähigkeit auch des Gesichtspunkts der Verallgemeinerbarkeit BVerfGE 34, 369 <380>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 31. März 2003 - 2 BvR 1848/02 -, NJW 2003, S. 2447 <2448>). Das Gericht hat es jedoch versäumt, die gegebene Begründung daraufhin zu befragen, ob sie auch und gerade im Hinblick auf die praktizierten Unterschiede in der Behandlung der männlichen Gefangenen und der weiblichen Gefangenen tragfähig war.

Eine insoweit tragfähige Rechtfertigung ist nicht von vornherein ausgeschlossen. So ist denkbar, dass konkrete Erfahrungen und objektivierbare Anhaltspunkte wie zum Beispiel Deliktsstruktur, Art und Häufigkeit disziplinarisch zu ahndenden Fehlverhaltens, vorgekommene Fluchtversuche oder Lockerungsmissbräuche, Anzahl der Drogenfunde u.ä. die Annahme rechtfertigen, dass von den Insassen bestimmter Hafthäuser oder Abteilungen einer Anstalt im Ganzen so deutlich geringere Gefahren für die Sicherheit der Anstalt ausgehen, dass in der betreffenden Einheit, anders als in anderen, auf eine systematische Überwachung von Telefongesprächen im Allgemeinen verzichtet und infolgedessen eine weitergehende Telefonnutzung gestattet werden kann. Eine unterschiedliche Behandlung, die in dieser Weise an Sicherheitsgründe anknüpfte, wäre auch dann verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich erweisen sollte, dass sie im Ergebnis faktisch zu einer Besserstellung gerade der inhaftierten Frauen führt. Denn diese Besserstellung ergäbe sich nicht aufgrund einer Anknüpfung an das Geschlecht, sondern nur als Folge des Abstellens auf die Vollzugssicherheit. Diese ist als notwendiges Element eines funktionsfähigen Strafvollzuges ein Belang von verfassungsrechtlichem Gewicht (vgl. BVerfGE 33, 1 <13 f.>; 89, 315 <323>; 116, 69 <92 f.>) und daher geeignet, die mittelbaren Folgen, die sich aus einem sachgerecht an ihr ausgerichteten Vorgehen ergeben, auch vor Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 113, 1 <20>).

Die behördlicherseits für die unterschiedliche Behandlung angeführten Gründe ergeben aber eine solche Rechtfertigung nicht. Die angeführte höchste Sicherheitsstufe gilt, wie das Landesjustizvollzugsamt selbst angibt, für die gesamte Anstalt und liefert daher für die unterschiedliche Behandlung der Insassen verschiedener Hafthäuser innerhalb der Anstalt keine Grundlage. Soweit darauf verwiesen wurde, dass in der Anstalt insbesondere gefährliche, fluchtverdächtige, drogenabhängige und schwierige Gefangene untergebracht seien, fehlte es ebenfalls an einer Erläuterung dazu, ob und inwiefern in dieser Hinsicht zwischen den Insassinnen des Hafthauses 5 und den Insassen des Hafthauses, in dem der Beschwerdeführer untergebracht ist, Unterschiede bestehen, die gerade im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Überwachung der geführten Telefongespräche von Bedeutung sind, und ob und warum die angeführten Sicherheitsgründe hier überhaupt Pauschallösungen für ganze Hafthäuser anstelle einer Berücksichtigung individueller Unterschiede der Überwachungsbedürftigkeit erfordern. Von einer Offensichtlichkeit, wie sie das Landgericht behauptet, kann insoweit keine Rede sein. Es ist auch nicht Sache der Gerichte - einschließlich des Bundesverfassungsgerichts -, hier Mutmaßungen an die Stelle der fehlenden Angabe konkreter erfahrungsbasierter und gerichtlich überprüfbarer Erkenntnisse der Justizvollzugsbehörden zu setzen.

(bb) Die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen derart, dass nur Frauen gestattet wird, Kosmetika über das in § 22 Abs. 1 und Abs. 3 StVollzG Vorgesehene hinaus vom Eigengeld zu kaufen, hat das Landgericht zu Unrecht als mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar angesehen.

(1) Gründe, die diese Benachteiligung der männlichen Gefangenen zwingend erforderlich machten, um Probleme zu lösen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können (vgl. BVerfGE 85, 191 <207 ff.>; 92, 91 <109>; 114, 357 <364>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2003 - 2 BvR 2118/01 -, juris), sind nicht ersichtlich. Mit der Annahme des Landgerichts, nach Kosmetika bestehe bei weiblichen Personen offensichtlich ein erhöhtes natürliches Bedürfnis, ist kein "Problem" aufgezeigt, das seiner Natur nach nur bei Frauen auftreten kann. Auch wenn es - ungeachtet zunehmenden Absatzes von Pflegeprodukten für Männer auf dem Kosmetikmarkt - zutreffen mag, dass das Interesse an Kosmetik bei Frauen - genauer: in der Gruppe der Frauen - statistisch verbreiteter oder häufiger stark ausgeprägt ist als in der Gruppe der Männer, handelt es sich nicht um ein von Natur aus nur bei Frauen auftretendes Interesse. Den Angehörigen eines Geschlechts kann die Befriedigung eines Interesses nicht mit der Begründung versagt werden, dass es sich um ein typischerweise beim anderen Geschlecht auftretendes Interesse handele. Von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt ist auch das Recht, unbenachteiligt anders zu sein als andere Mitglieder der Gruppen, denen man nach den in dieser Bestimmung genannten Merkmalen angehört.

(2) Rechtsgüter von Verfassungsrang, die nach Maßgabe einer Abwägung die Ungleichbehandlung ausnahmsweise rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 85, 191 <207 ff.>; 92, 91 <109>; 114, 357 <364>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2003 - 2 BvR 2118/01 -, juris), haben weder die Behörden noch das Landgericht aufgezeigt. Insbesondere ist von keiner Seite geltend gemacht, geschweige denn näher begründet worden, dass die Sicherheitsgründe, die hinter dem mit der Regelung des § 22 Abs. 1 StVollzG verfolgten Zweck der Vermeidung eines sozialen Gefälles zwischen den Gefangenen stehen, die pauschal nach Geschlechtszugehörigkeit unterscheidende Handhabung gerade bei der Gestattung zweckgebundener Nutzung von Eigengeld für Kosmetika rechtfertigen könnten.

c) Die Entscheidung beruht auf dem angenommenen Grundrechtsverstoß. Sie ist daher gemäß § 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts wird damit gegenstandslos.

IV.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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