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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 1989/97
Rechtsgebiete: BVerfGG, ZPO, VwGO, AuslG, AsylVfG 1991, AsylVfG, VwVfG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
BVerfGG § 34a Abs. 3
ZPO § 85 Abs. 2
VwGO § 173
AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53
AuslG § 55 Abs. 2
AuslG § 53 Abs. 6
AsylVfG 1991 § 10
AsylVfG 1991 § 11
AsylVfG 1991 § 28
AsylVfG § 71 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG § 13 Abs. 1
AsylVfG § 42 Satz 1
VwVfG § 51 Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 2
VwVfG § 51 Abs. 3
VwVfG § 51 Abs. 5
VwVfG § 48 Abs. 1
GG Art. 16a Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1989/97 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des türkischen Staatsangehörigen K...

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dietrich Buschmann, Wedekindplatz 3, Hannover -

gegen

a) den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 1997 - 11 L 3070/97 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 26. Mai 1997 - 10 A 6606/96 -

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

und Beiordnung des Rechtsanwalts Dietrich Buschmann

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Broß und die Richterin Osterloh gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 21. Juni 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die durch das Verfassungsbeschwerde-Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob § 85 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 173 VwGO, soweit danach auch in verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren bei der Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichgestellt wird (vgl. BVerfGE 60, 253 ff.), in Ansehung der Änderungen durch das am 1. Juli 1992 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) weiterhin mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

1. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste im August 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte unter Berufung auf erlittene Verfolgung seine Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 27. September 1996 den Asylantrag (Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG) ab, stellte fest, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG nicht vorlägen, und erließ eine Abschiebungsandrohung. Nachdem der Beschwerdeführer den Bescheid am 4. Oktober 1996 erhalten hatte, beauftragte er drei Tage später einen Anwalt mit der Erhebung einer Klage. Hierfür zahlte er noch am selben Tag einen Vorschuss von 200 DM; später erfolgte noch eine weitere Ratenzahlung in Höhe von 50 DM. Nachdem er längere Zeit - auch auf Nachfragen - nichts vom Rechtsanwalt gehört hatte, holte er sich seine Unterlagen in der Woche vom 11. bis 15. November 1996 aus dessen Kanzlei ab und beauftragte seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten. Dessen Ermittlungen ergaben, dass noch keine Klage erhoben war, ohne dass er den Grund hierfür beim vorherigen Anwalt in Erfahrung bringen konnte.

Die am 27. November 1996 mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 26. Mai 1997 als unzulässig ab: Die Klage sei nicht fristgerecht erhoben, und der Beschwerdeführer müsse sich das Verschulden seines Bevollmächtigten an der Fristversäumung zurechnen lassen, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne. An der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 60, 253 <298 ff.>) sei festzuhalten, da die Ausländerbehörde dem Beschwerdeführer eine Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG erteilen, zumindest aber Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG gewähren könne.

Durch Beschluss vom 6. Oktober 1997 lehnte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG sei nicht gegeben. Der 1982 durch das Bundesverfassungsgericht (in BVerfGE 60, 253 ff.) aufgestellte Grundsatz der Zurechnung des Anwaltsverschuldens in Asylverfahren habe weiterhin Bestand, wie sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe.

2. Der Beschwerdeführer rügt unter anderem, die Zurechnung des Verschuldens seines früheren Bevollmächtigten an der Versäumung der Klagefrist (§ 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO) verletze ihn insbesondere deshalb in seinen Grundrechten aus Art. 16a Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG, weil er nach den mit dem Asylverfahrensgesetz 1992 am 1. Juli 1992 in Kraft getretenen Änderungen keine Möglichkeit mehr habe, nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens noch Abschiebungsschutz - und zwar schon nicht nach § 51 Abs. 1 AuslG, aber auch nicht mehr nach § 53 AuslG - zu erlangen.

II.

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht mehr vor. Weder kommt ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 20. April 1982 (BVerfGE 60, 253) entschieden, dass die Regelung der §§ 85 Abs. 2 ZPO, 173 VwGO mit Rücksicht auf den Grundsatz der Rechtssicherheit auch insoweit mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 19 Abs. 4 GG, vereinbar ist, als danach auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen der Anerkennung als Asylberechtigter bei der Entscheidung, ob gegen die Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichgestellt wird (BVerfGE 60, 253 <267 ff.>). Die Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG werde dadurch auch im Hinblick auf Besonderheiten des Asylverfahrens, insbesondere wegen der möglichen existenziellen Bedeutung einer Versagung des Asylrechts, nicht unangemessen oder unzumutbar eingeschränkt (BVerfGE 60, 253 <288 ff., 295 ff.>). Die fehlende Möglichkeit für den abgewiesenen Asylbewerber, sich bei seinem Bevollmächtigten für die Folgen einer Fristversäumnis in wirksamer Weise schadlos zu halten, führe vor allem wegen des unabhängig von der Asylgewährung oder -versagung bestehenden Abschiebungsschutzes für politisch Verfolgte nicht zu schlechterdings unerträglichen Ergebnissen wie grundsätzlich im Strafverfahren (BVerfGE 60, 253 <299 f.>).

2. Die dem - insbesondere mit dem Hinweis auf § 14 Abs. 1 AuslG a.F. (BGBl 1965 I S. 353) - zugrunde liegenden Erwägungen (vgl. BVerfGE 60, 253 <300>) werden durch die zwischenzeitlich erlassenen und im vorliegenden Fall anzuwendenden Neuregelungen im Asyl- und Ausländerrecht im Ergebnis nicht in Frage gestellt.

a) Nach der damaligen Rechtslage konnte sich ein Asylbewerber auch dann, wenn sein Asylbegehren rechtskräftig abgelehnt worden war, noch auf § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F. berufen. Die eigenständige Entscheidung darüber lag bei der Ausländerbehörde.

b) Bereits seit dem Inkrafttreten des § 7 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG 1982 in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354) traf freilich das Bundesamt mit jeder Entscheidung über einen Asylantrag gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 AsylVfG (Bekanntmachung der Neufassung vom 9. April 1991, BGBl I S. 869) gleichzeitig auch die Feststellung darüber, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen. Nach § 51 Abs. 1 AuslG, der an die Stelle des § 14 Abs. 1 AuslG a.F. getreten ist, darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Feststellung des Bundesamtes über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ist für die mit der Ausführung des Ausländergesetzes betrauten Behörden verbindlich und kann nur nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes angefochten werden (§ 51 Abs. 2 Satz 3 AuslG). Versäumt es ein Asylbewerber durch Verschulden seines Bevollmächtigten, innerhalb der gesetzlichen Frist Klage gegen die Ablehnung seines Antrags zu erheben, so erwächst damit gleichzeitig die Feststellung in Bestandskraft, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.

Hierzu hatte die Kammer mit Beschluss vom 11. Dezember 1992 - 2 BvR 1471/92 - (nur in JURIS veröffentlicht) festgestellt, dass auch in einem solchen Fall die Zurechnung des Verschuldens des Bevollmächtigten nicht zu schlechterdings unerträglichen Ergebnissen (im Sinne von BVerfGE 60, 253 <299 f.>) führe, da möglicherweise existenzielle Folgen aufgrund der Asylversagung - nämlich eine Abschiebung in den Verfolgerstaat - weiterhin vermieden werden könnten. Die Kammer hatte insoweit darauf abgestellt, dass für den Asylbewerber auch nach rechtskräftigem (negativen) Abschluss seines Asylverfahrens weiter die Möglichkeit bestehe, Abschiebungsschutz zumindest nach § 53 AuslG 1990 zu erlangen; in Fällen der allein wegen einer Verschuldenszurechnung unterbliebenen gerichtlichen Überprüfung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG bestehe von Verfassungs wegen die Verpflichtung der Ausländerbehörde, die Ermessensprüfung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nachzuholen.

c) Schon das Zweite Gesetz zur Beschleunigung des Asylverfahrens vom 16. August 1980 (BGBl I S. 1437) hatte in seinen §§ 5, 7 vorgesehen, dass der Bescheid des Bundesamtes und die seinerzeit noch von der Ausländerbehörde erlassene Abschiebungsandrohung dem Asylbewerber gemeinsam zuzustellen waren und über beide Bescheide im Klageverbund zu entscheiden war. Indessen schrieben weder das Zweite Gesetz zur Beschleunigung des Asylverfahrens noch das spätere Asylverfahrensgesetz in seiner bis 30. Juni 1992 geltenden Fassung eine umfassende Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F. bzw. § 53 AuslG durch die Ausländerbehörde vor Erlass der Abschiebungsandrohung nach §§ 10, 11, 28 AsylVfG 1991 vor (der Klageverbund war in § 30 AsylVfG 1991 geregelt). Vielmehr war die von der Ausländerbehörde zu erlassende Abschiebungsandrohung lediglich ein "Anhängsel" des ablehnenden Bundesamtsbescheides. Infolge der Regelungen in § 53 AuslG war die Abschiebung des Betroffenen auch nach den durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 in Kraft getretenen Änderungen nicht ohne Weiteres als notwendige Folge der bestands- oder rechtskräftigen Ablehnung des Asylantrags rechtlich zulässig. Einer erneuten Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG durch die Ausländerbehörde stand weder eine Bindung an die unanfechtbare Entscheidung des Bundesamtes noch eine Bindungswirkung der von ihr erlassenen Abschiebungsandrohung entgegen. Die Bundesamtsentscheidung umfasste allein die Feststellung, dass der betroffene Ausländer aus politischen Gründen keinen Gefahren für seine asylrechtlich geschützten Rechtsgüter ausgesetzt sei. Damit war noch nicht darüber entschieden, ob dem Ausländer Gefahren unabhängig von Gründen mit asylrechtlicher Relevanz drohten. Trotz des durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 gleichzeitig eingefügten § 8a AsylVfG 1991, der den Ausländer verpflichtete, bei seiner Anhörung durch die Ausländerbehörde auch alle sonstigen Umstände und Tatsachen anzugeben, die einer Abschiebung entgegenstehen konnten, ging der Abschiebungsandrohung nach §§ 10, 11, 28 AsylVfG 1991 auch weiterhin keine umfassende Prüfung von Abschiebungshindernissen voraus, so dass auch sie keine Bindungswirkung für die erneute Prüfung durch die Ausländerbehörde zu entfalten vermochte.

d) Hingegen ist nach dem am 1. Juli 1992 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126), jetzt gültig in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl I S. 1361), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Oktober 1997 (BGBl I S. 2584), nun auch zur Feststellung von Abschiebungshindernissen im Sinne von § 53 AuslG das Bundesamt und nicht mehr die Ausländerbehörde zuständig (§§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG). Das Bundesamt hat über die Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG, den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG und die Abschiebungshindernisse im Sinne von § 53 AuslG einheitlich zu entscheiden (vgl. § 31 Abs. 2 und 3 AsylVfG), so dass eine vom Bevollmächtigten verschuldete Fristversäumung - jedenfalls in den Fällen einer uneingeschränkt negativen Entscheidung des Bundesamtes - zu einem Verlust aller vorgenannten Rechtspositionen führt. Die Entscheidung des Bundesamtes über zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (vgl. dazu BVerwGE 105, 383 <385>) ist für die Ausländerbehörde nach Maßgabe der §§ 41, 42 AsylVfG verbindlich (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. September 1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000, S. 16 <17> und vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 - <bisher nur in JURIS veröffentlicht>); diese darf sich auch nach einer Versäumung der Klagefrist allein infolge zurechenbaren Vertreterverschuldens bei der Entscheidung über die Erteilung einer Duldung nicht mehr mit Gefahren für Leib oder Leben des Asylbewerbers im Abschiebungszielstaat befassen.

Der Asylbewerber kann auch keine erneute Prüfung seines Asylvorbringens durch das Bundesamt mittels eines Folgeantrages gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erreichen, da die Versäumung der Klagefrist durch seinen ehemaligen Prozessbevollmächtigten keinen Wiederaufgreifensgrund im Sinne des § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG darstellt.

e) Indes hat mittlerweile das Bundesverwaltungsgericht in zwei Urteilen ausdrücklich hervorgehoben, dass damit die Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG noch nicht notwendig endet (Urteil vom 7. September 1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000, S. 16 <17 f.> und Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 - <bisher nur in JURIS veröffentlicht>): Die Entscheidung des Bundesamtes zu § 53 AuslG unterliege nicht den eingeschränkten und strengen Wiederaufgreifensvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, denn die einschränkende Verweisung des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gelte nur für den erneuten Asylantrag (Folgeantrag) im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG, der gerade nicht das Schutzersuchen nach § 53 AuslG umfasst. Für Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG ist damit das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 48 Abs. 1 VwVfG berechtigt, auf einen Antrag des Betroffenen oder auch von Amts wegen das Verfahren auch dann wieder aufzugreifen und einen Zweitbescheid zu erlassen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Der Betroffene hat jedenfalls Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen im weiteren Sinne.

Hieran anschließend haben der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Beschluss vom 4. Januar 2000 - A 14 S 786/99 - (NVwZ-RR 2000, S. 261 f.) und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in einem Beschluss vom 24. Januar 2000 - 11 A 10006/00.OVG - (bislang nur in JURIS veröffentlicht <Leitsatz>) in Fällen von Bevollmächtigtenverschulden in Asylverfahren eine Verpflichtung des Bundesamtes zu einem Wiederaufgreifen angenommen, wenn kein eigenes Verschulden an der Fristversäumnis vorliegt und substantiiert rechtliche und/oder tatsächliche Bedenken gegen die Richtigkeit der früheren Ablehnung geltend gemacht werden. Sie haben zudem auf eine Ermessensreduzierung hingewiesen, wenn - wie im Falle des § 53 AuslG in der Regel - zugleich unmittelbar verfassungsrechtlich begründete, einer Abschiebung entgegenstehende Rechtspositionen betroffen wären.

Schließlich hat das Bundesamt mit einer Dienstanweisung klargestellt, dass bei Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG gemäß §§ 51 Abs. 5 in Verbindung mit 48 Abs. 1 bzw. 49 Abs. 1 VwVfG ein Wiederaufgreifen nach Ermessen möglich ist, sofern ein Wiederaufgreifensantrag nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG unzulässig ist; das Wiederaufgreifensermessen nach § 49 VwVfG könne auf Null reduziert sein (auf die Dienstanweisung wird im Einzelentscheider-Brief 8/99 auf S. 4 hingewiesen).

Damit kann der Beschwerdeführer jetzt, sofern das Bundesamt nicht von Amts wegen sein Verfahren wieder aufgreift, einen Wiederaufgreifensantrag stellen, damit das Bundesamt einen Zweitbescheid zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG erlässt. Auf diese Weise kann er trotz der im Asylerstverfahren erfolgten Zurechnung des Verschuldens seines ehemaligen Bevollmächtigten zumindest Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG - gegebenenfalls im Wege gerichtlicher Nachprüfung - erlangen.

f) Kann somit ein Asylbewerber trotz Versäumung der Klagefrist im Asylerstverfahren infolge zurechenbaren Anwaltsverschuldens in einem Folgeverfahren über einen Wiederaufgreifensantrag weiterhin - gerichtlich nachprüfbar - Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG erlangen und damit vor den möglicherweise existenziellen Folgen der Zurechnung des Vertreterverschuldens - nämlich der Abschiebung in den Verfolgerstaat - bewahrt werden, so führt die Zurechnung des Bevollmächtigtenverschuldens auch nach den zwischenzeitlich insbesondere durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 und das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 erfolgten Änderungen im Asyl- und Ausländerrecht nicht zu einem schlechterdings unerträglichen Ergebnis im Sinne der Entscheidung BVerfGE 60, 253 (299).

g) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

2. a) Es entspricht der Billigkeit, dem Beschwerdeführer die durch das Verfassungsbeschwerde-Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten (§ 34a Abs. 3 BVerfGG). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung ist lediglich aufgrund einer nachträglich während der Anhängigkeit der Verfassungsbeschwerde erfolgten obergerichtlichen Klärung der Möglichkeit, Abschiebungsschutz zu erlangen, nicht mehr veranlasst. Ursprünglich wurden insbesondere die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 eingeführten Regelungen der §§ 42 Satz 1 und 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG von der behördlichen und gerichtlichen Praxis so angewandt, dass der Beschwerdeführer nach dem erfolglosen Abschluss seines Asylverfahrens auch keinen Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG mehr erlangen konnte. Damit hätte die Zurechnung des Verschuldens seines ehemaligen Bevollmächtigten für ihn zu einem schlechterdings unerträglichen Ergebnis - nämlich der Abschiebung in einen möglichen Verfolgerstaat - führen können. Erst aufgrund der dargestellten späteren Entwicklung kann er auf eine - auch obergerichtlich abgesicherte - Möglichkeit verwiesen werden, Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG auch noch nach dem erfolglosen Asylverfahren über einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens geltend zu machen.

b) Einer Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf es unter diesen Umständen nicht mehr (vgl. BVerfGE 62, 392 <397>; 69, 248 <257>; 71, 122 <136 f.>; 81, 347 <362>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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