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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1994/02
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1
GG Art. 2
GG Art. 12
GG Art. 13
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 1994/02 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 7. November 2002 - 32 Qs 169/02 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Waldbröl vom 8. Juli 2002 - 4 Gs 205/02 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 27. Juli 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 7. November 2002 - 32 Qs 169/02 - und der Beschluss des Amtsgerichts Waldbröl vom 8. Juli 2002 - 4 Gs 205/02 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Bonn zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume in einem Verfahren wegen des Verdachts handwerksrechtlicher Verstöße.

A.

I.

Der Beschwerdeführer betreibt seit dem 15. Februar 2001 ein Gewerbe, das als "Kabelleger im Hochbau ohne Anschlussberechtigung; An- und Verkauf von Elektromaterial; Einzelhandel in weißer und brauner Ware" angemeldet ist. Seit dem 6. April 2001 ist er zudem bei der Handwerkskammer Köln gemäß § 18 Abs. 2 HwO in Verbindung mit Anlage B zur Handwerksordnung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) mit dem handwerksähnlichen Gewerbe "Kabelverleger im Hochbau (ohne Anschlussarbeiten)" angemeldet. Auf Nachfragen der Handwerkskammer teilte der Beschwerdeführer im Oktober 2001 und im März 2002 mit, dass er neben seinem angemeldeten Gewerbe in geringem Umfang auch Serviceleistungen und Leistungen des Elektrotechniker-Handwerks ausübe. Diese Tätigkeiten seien jedoch dem Minderhandwerk oder einem handwerklichen Nebenbetrieb nach § 3 HwO zuzurechnen. Auf die Anzeige eines Konkurrenzunternehmens hin leitete das Ordnungsamt gegen den Beschwerdeführer ein Verfahren wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit; in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) ein. Der Anzeige zugrunde lagen diverse Werbezettel des Beschwerdeführers, in denen er als "Hausgeräte-Service-Dienst" die Beratung zur Frage "Neu oder Reparatur?", "Service, Neuverkauf und Reparatur" anbot, aber auch die Lieferung von Neugeräten und Ersatzteilen und den Besuch seiner Ausstellungsräume anpries. Das Ermittlungsverfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt, nachdem aufgrund der bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen festgestellt worden war, dass die handwerklichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers dem unerheblichen Nebenbetrieb nach § 3 HwO zuzuordnen waren und ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden durften.

II.

Mit angegriffenem Beschluss vom 8. Juli 2002 ordnete das Amtsgericht wegen "des Verdachts von Verstößen gegen die Handwerksordnung - HwO und das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit - SchwarzArbG" die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers an. Als aufzufindende Beweismittel werden "Verträge oder Aufträge jeder Art von oder mit Kunden, Angebote, Mustermappen, Rechnungen, Bankbelege sowie Buchführungsunterlagen, Dateien sowie die entsprechende Hardware, Karteikarten, Terminkalender, Quittungen, Sparbücher, Schriftverkehr, aus dem hervorgeht, dass das in Rede stehende Handwerk bzw. Gewerbe ausgeübt wird" genannt. Es bestehe der Verdacht, dass der Beschwerdeführer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbracht und sich hierbei eines Verstoßes gegen die Handwerksordnung schuldig gemacht habe, indem er ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Schwarz-ArbG).

III.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht mit angegriffenem Beschluss vom 7. November 2002 als unbegründet zurück. Im Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses habe der gemäß § 102 StPO erforderliche Anfangsverdacht bestanden, weil ausreichende Hinweise dafür vorgelegen hätten, dass der Beschwerdeführer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbracht und sich hierbei "eines Verstoßes gegen die Handwerksordnung schuldig gemacht" habe. Der Beschwerdeführer sei nicht mit einem Handwerk in der Handwerksrolle eingetragen. Die Werbung des Beschwerdeführers in verschiedenen Wurfsendungen deute aber darauf hin, dass er auch Tätigkeiten des Radio- und Fernsehtechnikerhandwerks, des Fernmeldemechaniker-Handwerks und des Elektromechaniker-Handwerks ausgeübt habe. Auch die Werbeschilder an den Geschäftsräumen des Beschwerdeführers ließen diesen Rückschluss zu. Es habe der Verdacht eines Verstoßes gegen § 1, § 117 HwO und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG bestanden. In Anbetracht der Höhe der angedrohten Bußgelder sei die Maßnahme auch verhältnismäßig gewesen.

IV.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 2, Art. 12, Art. 13, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

Der Durchsuchungsbeschluss lasse nicht erkennen, welche konkreten Taten dem Beschwerdeführer aufgrund welcher Indiztatsachen zur Last gelegt werden. Der Verbotstatbestand werde von den Fachgerichten in beiden angegriffenen Beschlüssen nicht definiert und subsumiert; vielmehr begnügten sie sich mit der Wiedergabe des Tatbestands der Ordnungswidrigkeit. Die Fachgerichte hätten nicht hinreichend erwogen, ob die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tätigkeiten als Minderhandwerk nach § 2 HwO oder als handwerklicher Nebenbetrieb nach § 3 HwO ohne Meisterbrief ausgeführt werden dürften. Dies wäre auch deswegen erforderlich gewesen, weil der Beschwerdeführer - wie den Ermittlungsbehörden bekannt gewesen sei - ein Einzelhandelsgewerbe betreibe und nur nebenher ergänzende handwerkliche Leistungen erbringe. Ferner habe kein hinreichend konkreter Tatverdacht bestanden. Die Durchsuchung habe erst der Schaffung eines Anfangsverdachts gedient. Zudem habe eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Ermittlungsrichter nicht stattgefunden.

Im Übrigen verstoße die Meisterbriefpflicht als Eintragungsvoraussetzung in die Handwerksrolle gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Durchsuchung dürfe daher nicht auf einen Verstoß gegen die Eintragungspflicht gestützt werden.

Inwieweit er in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sein könnte, legt der Beschwerdeführer hingegen nicht dar.

V.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde abgesehen.

VI.

Dem Bundesverfassungsgericht hat der Verwaltungsvorgang vorgelegen.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sich in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sieht. Insoweit genügt seine Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

II.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG, weil der empfindliche Eingriff einer Durchsuchung vorschnell und auf unzureichender Verdachtsgrundlage angeordnet wurde und der Durchsuchungsbeschluss nicht den aus Art. 13 Abs. 1 GG folgenden Begründungsanforderungen genügt. Darüber hinaus lassen die angegriffenen Beschlüsse eine hinreichende Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erkennen, obwohl sich Ausführungen hierzu im vorliegenden Fall aufdrängen mussten.

1. a) Damit die Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine vorbeugende richterliche Kontrolle gewahrt werden kann, hat der Ermittlungsrichter die Durchsuchungsvoraussetzungen eigenverantwortlich zu prüfen. Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151 f.>). Zu einer angemessenen Begrenzung der Zwangsmaßnahme kann ein Durchsuchungsbeschluss nicht beitragen, wenn er keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs oder eine nur schlagwortartige Bezeichnung der mutmaßlichen Straftat enthält, obwohl eine konkretere Kennzeichnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich ist (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2000 - 2 BvR 2212/99 -, NStZ 2000, S. 601).

b) Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03 u.a. -, NJW 2004, S. 3171 <3172>).

c) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).

2. Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

a) Der Durchsuchungsbeschluss benennt die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat lediglich als "Verstoß gegen die Handwerksordnung - HwO und das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit - SchwarzArbG" und gibt im Übrigen lediglich den Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) wieder. Insbesondere lässt sich dem Durchsuchungsbeschluss nicht entnehmen, welche Tätigkeiten der Beschwerdeführer unerlaubt ausgeübt haben könnte und welchem Handwerk diese Tätigkeiten zuzuordnen sein könnten; auch das von dem Beschwerdeführer angemeldete Gewerbe, von dem gerade kein Verdacht einer Ordnungswidrigkeit ausgeht, findet keine Erwähnung. Zwar ist die Angabe der Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird, in einem Durchsuchungsbeschluss von Verfassungs wegen nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Dies gilt aber nur, wenn auch auf andere Weise der Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses genügt wird. Eine weitere Konkretisierung des Tatvorwurfs erfolgt auch nicht durch die Umschreibung der aufzufindenden Beweismittel als "Verträge oder Aufträge jeder Art von oder mit Kunden, Angebote, Mustermappen, Rechnungen, Bankbelege sowie Buchführungsunterlagen, Dateien sowie die entsprechende Hardware, Karteikarten, Terminkalender, Quittungen, Sparbücher, Schriftverkehr, aus dem hervorgeht, dass das in Rede stehende Handwerk bzw. Gewerbe ausgeübt wurde". Vielmehr legt die Umschreibung der Beweismittel nahe, der Beschwerdeführer übe auch sein Gewerbe rechtswidrig aus, so dass auch sämtliche sein Gewerbe betreffende Unterlagen zu beschlagnahmen wären. Den Ermittlungspersonen war nicht zweifelsfrei aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk bei der Durchsuchung zu richten haben. Der äußere Rahmen der Durchsuchung war nicht hinreichend abgesteckt.

b) Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des mit der Durchsuchung verbundenen schwer wiegenden Grundrechtseingriffs.

aa) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet nicht, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten stets von Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen abzusehen. Allerdings sind die Anforderungen an die Stärke des Tatverdachts umso höher, je weniger schwer die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat wiegt.

In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind darüber hinaus die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände sind Zweifel daran angebracht, ob die bis Ende des Jahres 2003 geltenden Regelungen über die Ausgestaltung des Meisterzwangs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 7 HwO a.F.) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch gerecht werden konnten. Wegen dieser Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die damals geltende Ausnahmeregelung des § 8 HwO a.F. mit Blick auf Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG großzügig anzuwenden ist (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2005 - 1 BvR 1730/02 -, DVBl 2006, S. 244 <246>). Diese Besonderheiten sind auch bei Durchsuchungsmaßnahmen zu berücksichtigen, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung stützen.

Bei der verfassungsmäßigen Prüfung der Durchsuchung kommt es zwar nur auf einen Anfangsverdacht an. Ob die vorgeworfene Tätigkeit dem Kernbereich des Handwerks zuzuordnen ist, wird sich unter Umständen erst feststellen lassen, wenn Art und Umfang der handwerklichen Tätigkeit ermittelt wurden, was gerade durch eine Durchsuchung erfolgen soll. Gleichwohl ist Voraussetzung für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, dass die vorliegenden Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nahe legen, dass eine Eintragungspflicht des Betroffenen besteht.

Wenn auch zwischen den in Betracht kommenden Normen - § 117 Abs. 1 HwO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) - ein Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz in Form eines Qualifikationstatbestandes besteht, so reicht es nicht aus, beide Normen zugleich oder alternativ zu nennen. Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Bußgeldhöhen handelt es sich um unterschiedliche Regelungen zu Taten mit einem ebenfalls unterschiedlichen Unrechtsgehalt. Zur Begründung des Tatverdachts gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG die Darlegung der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang. Um diesen Anfangsverdacht verfassungsgemäß begründen zu können, ist erforderlich, dass Feststellungen getroffen werden, die nach einfachem Recht die Anwendung des Qualifikationstatbestands nachvollziehbar machen. Kann ein Anfangsverdacht auch nicht im Ansatz im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG begründet werden, so kommt eine Durchsuchung allein wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 1 HwO in Betracht.

bb) Es ist nicht ersichtlich, dass die befassten Gerichte die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme hinreichend geprüft haben. Umfangreiche Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit sind zwar weder im Durchsuchungsbeschluss, noch in der Beschwerdeentscheidung grundsätzlich und stets von Verfassungs wegen geboten. Im vorliegenden Fall hätten sich Ausführungen hierzu geradezu aufdrängen müssen. Die Verdachtsgründe, die sich gegen den Beschwerdeführer richteten, reichten allenfalls sehr geringfügig über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinaus. Die Ermittlungsbehörden stützten den Tatverdacht ausschließlich auf die Wurfsendungen des Beschwerdeführers. Gerade aus diesen Wurfsendungen ergab sich aber auch, dass der Beschwerdeführer über Ausstellungsräume für den von ihm betriebenen Handel mit Elektroartikeln verfügt und dass er nicht nur Geräte repariert, sondern vor allem auch neue Haushaltsgeräte verkauft sowie planend und beratend tätig wird. Außerdem hatte er gegenüber der Handwerkskammer erklärt, dass er lediglich in geringerem Umfang Tätigkeiten, die dem Minderhandwerk oder dem unerheblichen Nebenbetrieb zuzuordnen sind, ausübt. Den Ermittlungsbehörden war hingegen kein konkreter Fall bekannt, in dem der Beschwerdeführer tatsächlich handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt hatte. Auf dieser Grundlage durfte eine Durchsuchung bei dem Beschwerdeführer nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus.

Schließlich enthält der Durchsuchungsbeschluss keinerlei Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Zwischen dem Verdacht eines "Verstoßes gegen die Handwerksordnung" - gemeint ist wohl § 117 Abs. 1 HwO - und eines "Verstoßes gegen das SchwarzArbG" differenzieren weder das Amts- noch das Landgericht hinreichend. Vielmehr werden beide Vorschriften nebeneinander genannt und die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsmaßnahme in der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts pauschal behauptet.

3. Auf die Vereinbarkeit des für die Eintragung in die Handwerksrolle in der Regel erforderlichen Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz kommt es nach alledem nicht an. Die Frage kann hier offen bleiben, da jedenfalls eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG festzustellen ist, die der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhilft.

C.

Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Ende der Entscheidung

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