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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1996/07
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1
GG Art. 2 Abs. 2
GG Art. 25
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1996/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2007 - 2 Ausl A 28/07 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 20. Dezember 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers an die Russische Föderation.

I.

1. Dem Beschwerdeführer wird in der Russischen Föderation zur Last gelegt, als Kopf einer Gruppe zusammen mit deren Mitgliedern insgesamt zehn Betrugsstraftaten - darunter acht vollendete - begangen zu haben. Der in Rede stehende Schaden beträgt insgesamt gut 70 Millionen Rubel (entspricht knapp 2 Millionen Euro). Die Täter hätten sich jeweils gegenüber Wirtschaftsunternehmen als hochrangige Behördenvertreter ausgegeben und angeboten, Genehmigungen und Lizenzen unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften gegen Bezahlung zu beschaffen. Tatsächlich seien die versprochenen Leistungen jedoch nicht erbracht worden.

Der Beschwerdeführer wurde Anfang März 2007 aufgrund eines Fahndungsersuchens von Interpol Moskau vorläufig festgenommen. Daraufhin ordnete das Oberlandesgericht zunächst die vorläufige und sodann nach Eingang der Auslieferungsunterlagen die förmliche Auslieferungshaft an. Gegen die Auslieferung bestünden keine Bedenken, die Taten seien nach dem Recht beider Staaten strafbar und nach Art. 2 Abs. 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk) auslieferungsfähig. Das russische Auslieferungsersuchen enthält unter anderem folgenden Passus: "Wir gewährleisten, dass (dem Beschwerdeführer) in der Russischen Föderation alle Möglichkeiten zur Verteidigung gemäß den Richtlinien des internationalen Rechts einschließlich anwaltlicher Hilfe zur Verfügung gestellt werden. Er wird keinerlei Folter noch einer grausamen, unmenschlichen, entwürdigenden Behandlung oder Bestrafung unterzogen (Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die entsprechenden Konventionen der Vereinten Nationen, des Europarats und die dazugehörigen Protokolle)".

2. Anfang Juli erhob der Beschwerdeführer diverse Einwendungen gegen die Zulässigkeit seiner Auslieferung und beantragte, diese für unzulässig zu erklären, hilfsweise gemäß § 10 Abs. 2 IRG den Tatverdacht zu prüfen.

3. In einer von dem Oberlandesgericht eingeholten Stellungnahme führte das Auswärtige Amt aus, dass zwar die allgemeine Situation im russischen Strafvollzug trotz einiger Fortschritte nach wie vor besorgniserregend sei. In den Fällen der Auslieferung aus Deutschland an die Russische Föderation stellten sich die Haftbedingungen jedoch anders dar. Die Bewilligung einer Auslieferung an die Russische Föderation durch die Bundesregierung werde grundsätzlich und unabhängig von etwaigen, bereits im Auslieferungsverfahren gegebenen Zusicherungen von der Bedingung abhängig gemacht, europäische Mindeststandards einzuhalten und die Kontrolle durch einen Haftbesuch zuzulassen. Bisherige Erfahrungen in Auslieferungsfällen zeigten, dass die russische Seite "in der Regel problembewusst" sei und ihre Zusicherungen einhalte.

4. Erstmals Anfang August 2007 beantragte der Beschwerdeführer eine persönliche Anhörung, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich "selbst zu den Sachverhalten des FSB in Bezug auf seine Person zu äußern". Diesen Antrag wies das Oberlandesgericht mit der Begründung zurück, die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Auslieferung seien sehr ausführlich, detailliert und engagiert schriftlich vorgetragen worden. Eine Vernehmung des Beschwerdeführers im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 IRG sei jedenfalls derzeit nicht erforderlich.

5. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. September 2007 erklärte das Oberlandesgericht die Auslieferung für zulässig. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden ebenso zurückgewiesen wie ein zuvor gestellter erneuter Antrag auf Durchführung einer mündlichen Anhörung.

Gründe, die gemäß Art. 3 bis 11 EuAlÜbk der Zulässigkeit der Auslieferung entgegenstünden, lägen nicht vor. Der Vortrag des Beschwerdeführers, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien unter dem Einfluss des FSB konstruiert, um seiner habhaft zu werden und ihn "mundtot" zu machen, gebe weder Anlass zu einer Prüfung des Tatverdachts noch zu einer Vernehmung des Beschwerdeführers. Gegen diese Annahme des Beschwerdeführers spreche bereits, dass er sich ab Februar 2003 für fast ein Jahr in russischer Haft befunden habe und nach Ablauf der Höchstfrist entlassen worden sei.

6. Anfang Oktober 2007 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 77 IRG, § 33a StPO die Nachholung rechtlichen Gehörs. Der Umstand, dass das Oberlandesgericht sich geweigert habe, weiteren Einwendungsvortrag in einer mündlichen Verhandlung entgegenzunehmen und die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen, verstoße gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Eine mündliche Anhörung sei hier verpflichtend durchzuführen gewesen, da sie als Grundlage für die Beurteilung der Einwendungen des Beschwerdeführers unerlässlich gewesen sei.

7. Diesen Antrag wies das Oberlandesgericht mit - hier nicht angegriffenem - Beschluss vom 11. Oktober 2007 zurück. Das Gehörsrecht des Beschwerdeführers sei nicht verletzt.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 25 GG sowie seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Der Gehörsverstoß liege in der unterbliebenen mündlichen Vernehmung des Beschwerdeführers durch das Oberlandesgericht. Soweit das Oberlandesgericht der Ansicht sei, die Vielzahl genannter Zeugen und Beweismittel in dem Auslieferungsersuchen spreche gegen eine Manipulation, verkenne es, dass ein solch machtvoller Geheimdienst wie der FSB ohne weiteres in der Lage sei, Zeugen zu beeinflussen und Sachverhalte zu konstruieren. Deswegen hätte das Oberlandesgericht auch zwingend auf Grundlage der Einwendungen des Beschwerdeführers den Tatverdacht überprüfen müssen, da es nur auf der Grundlage einer solchen Prüfung in der Lage gewesen wäre, positiv festzustellen, dass das russische Strafverfahren die gebotenen Mindeststandards einhält. Soweit das Oberlandesgericht darauf verweise, dass dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör bereits grundsätzlich durch seine amtsrichterliche Vernehmung gemäß § 28 IRG gewährt worden sei, verkenne es, dass die Auslieferungshindernisse erst mit Schriftsatz vom 5. Juli 2007, mithin nach der amtsrichterlichen Vernehmung des Beschwerdeführers vorgetragen worden seien.

Weiter sei das Oberlandesgericht auch der verfassungsrechtlichen Prüfungspflicht hinsichtlich der Einhaltung der völkerrechtlichen Mindeststandards in Bezug auf die Haftbedingungen nicht nachgekommen. Da selbst das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme davon ausgehe, dass die Situation in den Haftanstalten besorgniserregend sei, müsse verlangt werden, dass eine konkrete Haftanstalt, in der der Beschwerdeführer untergebracht wird, benannt werde. Dies umso mehr, als der ersuchende Staat davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer russischer Staatsangehöriger sei und daher zu befürchten stehe, dass eine konsularische Überprüfung der Haftbedingungen im Falle einer Auslieferung gar nicht möglich sein werde. Schließlich habe das Oberlandesgericht es auch gänzlich unterlassen, zu den Einwendungen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens in der Russischen Föderation, namentlich die fehlende Möglichkeit der Akteneinsicht, Stellung zu nehmen. Auch hierin liege ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör rügt, ist die Verfassungsbeschwerde in Ermangelung einer den in § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG normierten Anforderungen genügenden Begründung unzulässig. Zu diesen Anforderungen zählt auch die Darlegung, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (BVerfGE 99, 84 <87>). In Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsfrage bereits entschieden hat, ist diese Darlegung auf Grundlage der entsprechenden Rechtsprechung und der darin gebildeten Maßstäbe vorzunehmen (BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 79, 292 <301>; 99, 84 <87>).

Der Beschwerdeführer begründet die Rüge der Verletzung seines Gehörsrechts damit, dass das Oberlandesgericht es abgelehnt hat, eine mündliche Verhandlung durchzuführen oder den Beschwerdeführer sonst persönlich anzuhören. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 103 Abs. 1 GG indes kein Recht auf eine bestimmte Verfahrensart oder Form der Gehörsgewährung. Vor allem begründet Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (BVerfGE 112, 185 <206>; m.w.N.). Es ist vielmehr der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen, ob und inwieweit er in einem bestimmten Verfahren einen Anspruch auf eine Möglichkeit zur mündlichen Äußerung geben will. Soweit das Gesetz, wie im Auslieferungsverfahren (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 IRG), keine verbindliche Entscheidung trifft, liegt die Form der Anhörung im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 60, 175 <210 f.>; 89, 381 <391>), und selbst im Falle des Unterlassens einer einfachrechtlich vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung liegt nicht in jedem Falle ein Gehörsverstoß vor (BVerfGE 9, 231 <236>). Vor dem Hintergrund dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung vermag der Vortrag des Beschwerdeführers eine mögliche Verletzung seines Gehörsrechts nicht darzutun.

Auch im Übrigen ist auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers ein Gehörsverstoß nicht erkennbar. Der Gehörsgrundsatz verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von dem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 <12>; 87, 1 <33>). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Denn grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Art. 103 Abs. 1 GG ist daher erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Solche Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, da dies auf die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags schließen lässt, sofern der Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 65, 293 <295>; 86, 133 <145 f.>; 96, 205 <216>; stRspr). Das Oberlandesgericht hat sich mit den wesentlichen Einwänden des Beschwerdeführers explizit auseinandergesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass es einzelne entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in verfassungswidriger Weise nicht zur Kenntnis genommen hätte, sind auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat schließlich auch nicht dargelegt, welcher konkrete weitere Vortrag ihm durch die Verfahrensgestaltung des Oberlandesgerichts verwehrt worden sein soll.

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung im Auslieferungsverfahren sind, soweit die Behandlung des Verfolgten im ersuchenden Staat in Rede steht, nicht die Grundrechte und sonstigen rechtsstaatlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes in der Ausprägung, wie sie auf rein innerstaatliche Sachverhalte Anwendung finden. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft aus (vgl. Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2, Art. 23 bis 26 GG). Es gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten, auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen. Sollen der im gegenseitigen Interesse bestehende zwischenstaatliche Auslieferungsverkehr erhalten und auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung unangetastet bleiben, so ist eine Beschränkung des verfassungsrechtlichen Maßstabs geboten. Die Gerichte haben daher lediglich zu prüfen, ob einer Auslieferung die Verletzung des nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards sowie der unabdingbaren Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung entgegensteht (vgl. BVerfGE 63, 332 <337 f.>; 75, 1 <19>; 108, 129 <136 f.>; BVerfGK 3, 159 <163>). Die Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist zudem dadurch eingeschränkt, dass die Auslegung der Gesetze, deren Anwendung auf den konkreten Sachverhalt und dessen Beurteilung grundsätzlich Sache des dafür zuständigen Fachgerichts sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>; stRspr). Auch in Auslieferungsverfahren prüft das Bundesverfassungsgericht insoweit nur, ob die Anwendung der einschlägigen einfachrechtlichen Bestimmungen und das dazu eingeschlagene Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (BVerfGE 108, 129 <137>; BVerfGK 2, 82 <85>). An diesen Maßstäben gemessen begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Oberlandesgericht den gegen den Beschwerdeführer bestehenden Tatverdacht nicht geprüft hat (a). Auch hat das Oberlandesgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen eines Auslieferungshindernisses wegen der Gefahr der Verletzung des genannten grundrechtlichen Mindeststandards durch die Russische Föderation verneint (b).

a) Nach § 10 Abs. 2 IRG ist der dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Tatverdacht nur zu prüfen, wenn besondere Umstände hierzu Anlass geben. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen derartiger besonderer Umstände verneint, weil insbesondere keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Manipulation des gegen den Beschwerdeführer in der Russischen Föderation geführten Ermittlungsverfahrens vorlägen. Es hat hierzu ausgeführt, dass solche Anhaltspunkte nicht bereits in der Mitwirkung des FSB an dem Ermittlungsverfahren zu sehen seien, weil dies nach Auskunft des Auswärtigen Amtes hinsichtlich bestimmter Deliktsgruppen der allgemeinen Kriminalität nichts Ungewöhnliches sei. Weiter spreche, so das Oberlandesgericht, auch die Vielzahl der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten und die Vielzahl der benannten Beweismittel gegen eine Manipulation der Tatvorwürfe. Das gleiche gelte für die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich bereits ab Februar 2003 für rund ein Jahr in der Russischen Föderation in Haft befunden habe und nach Ablauf der gesetzlichen Höchstfrist entlassen worden sei. Diese Argumentation des Oberlandesgerichts könnte jedenfalls in ihrer Gesamtheit selbst dann nicht als sachfremd und daher willkürlich angesehen werden, wenn man die grundlegende Vermutung des Beschwerdeführers, dass der Geheimdienst FSB aufgrund seiner ungewöhnlichen Machtfülle in der Lage sei, Zeugen und Beweismittel zu manipulieren, teilen sollte.

b) Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberlandesgericht die Vereinbarkeit der Auslieferung mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard sowie den unabdingbaren Grundsätzen der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung bejaht hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entscheidung willkürlich sein könnte, sind nicht ersichtlich.

Die Russische Föderation ist Mitglied des Europarates und Konventionsstaat der EMRK sowie des Europäischen Übereinkommens vom 26. November 1987 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe. Sie ist ferner Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 und des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984. Sie hat sich damit in mehrfacher Weise - auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, die ebenfalls Vertragsstaat der genannten Konventionen ist - völkerrechtlich verpflichtet, die Anwendung von Folter und sonstiger unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zu unterlassen und zu bekämpfen.

Vor diesem Hintergrund hat das Oberlandesgericht zutreffend angenommen, dass ein Verstoß gegen diese völkerrechtlichen Verpflichtungen das in der gegenseitigen Auslieferungsverpflichtung des Art. 1 EuAlÜbk zum Ausdruck kommende Vertrauen der Vertragspartner enttäuschen und damit die weitere Zusammenarbeit im Bereich der Rechtshilfe nachhaltig stören werde (vgl. auch BVerfGE 108, 129 <140 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Oktober 2007 - 2 BvR 1680/07 -). Zwar hat das Oberlandesgericht offenkundig und insoweit in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beschwerdeführers Zweifel an der generellen Einhaltung dieser Verpflichtungen durch die Russische Föderation, welche durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes, wonach die dortige Situation des Strafvollzugs nach wie vor besorgniserregend sei, bestätigt werden. Allerdings hat das Oberlandesgericht auf Grundlage der Ausführungen der Russischen Föderation in dem Auslieferungsersuchen sowie der Auskunft des Auswärtigen Amtes in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass im konkreten Fall des Beschwerdeführers gleichwohl nicht zu befürchten sei, dass dieser in einer Weise behandelt werde, die mit dem völkerrechtlichen Mindeststandard und den unabdingbaren Grundsätzen der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung unvereinbar wäre. Es hat insofern zutreffend ausgeführt, dass zwar die von dem Auswärtigen Amt berichtete Praxis der Bundesregierung, die Bewilligungsentscheidung mit der Bedingung menschenwürdiger Behandlung zu verbinden, keinen Einfluss auf die Zulässigkeitsentscheidung hat, weil die Bewilligungsentscheidung gerichtlich allenfalls eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. BVerfGE 63, 215 <225 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2000 - 2 BvR 1560/00 -, NJW 2001, S. 3111 <3112>; BVerfGK 3, 159 <164 f.>). Ebenso zutreffend hat das Oberlandesgericht indes seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde gelegt, dass eine entsprechende, im Auslieferungsverfahren erteilte, völkerrechtlich verbindliche Zusicherung grundsätzlich geeignet ist, etwaige Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des genannten Mindeststandards und damit gegen die Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird (vgl. BVerfGE 63, 215 <224>; 109, 38 <62>; BVerfGK 2, 165 <172 f.>; 3, 159 <165>; 6, 13 <19>; 6, 334 <343>).

Auf dieser Grundlage ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht den genannten Passus in dem Auslieferungsersuchen als eine hinreichende, völkerrechtlich verbindliche Zusicherung der Wahrung des völkerrechtlichen Mindeststandards bei der Behandlung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation angesehen hat. Insbesondere bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass das Oberlandesgericht keinen Anlass gesehen hat, an der Einhaltung der Zusicherung zu zweifeln. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob, was der Beschwerdeführer bestreitet, die Russische Föderation generell ihre Zusicherungen einhält. Entscheidend ist allein, ob sie ihren daraus folgenden völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nachkommt. Dies hat das Oberlandesgericht auf Grundlage der berichteten Erfahrungswerte des Auswärtigen Amtes willkürfrei angenommen.

Schließlich ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberlandesgericht auch die Gewährleistung menschenwürdiger Haftbedingungen als von der Zusicherung umfasst angesehen hat, denn der in dem russischen Auslieferungsersuchen in Bezug genommene Art. 3 EMRK gewährt nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter anderem das Recht auf eine Unterbringung in Untersuchungs- und Strafhaft, die mit der Menschenwürde des Betroffenen vereinbar ist (vgl. EGMR, Große Kammer, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 30210/96 [Kudla/Polen] -, NJW 2001, S. 2694 <2695>; speziell in Bezug auf die Haftbedingungen in Russland: EGMR, III. Sektion, Urteil vom 15. Juli 2002 - 47095/99 [Kalashnikov/Russland] -, NVwZ 2005, S. 303 <304>).

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der zugleich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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