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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 2 BvR 205/05
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO, GG
Vorschriften:
BVerfGG § 90 Abs. 1 | |
BVerfGG § 93a | |
BVerfGG § 93b | |
StPO § 172 Abs. 1 | |
StPO § 172 Abs. 3 | |
StPO § 172 Abs. 3 Satz 1 | |
GG Art. 19 Abs. 4 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 205/05 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Dezember 2004 - 3 Ws 608/04 -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 15. Dezember 2005 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Inhaltsanforderungen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 StPO. Der Beschwerdeführer erstattete Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt und Beleidigung gegen mehrere Polizeibeamte. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde mit Bescheid der Staatsanwaltschaft Essen vom 14. Juli 2004 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
Mit Schreiben vom 3. August 2004, das am selben Tag per Telefax an die Generalstaatsanwaltschaft Hamm übermittelt wurde, legte der Beschwerdeführer gegen den Einstellungsbescheid Beschwerde ein.
Nachdem die Beschwerde mit Bescheid vom 18. Oktober 2004 zurückgewiesen worden war, stellte der Beschwerdeführer unter dem 10. November 2004 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das Oberlandesgericht Hamm und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2004 verwarf das Oberlandesgericht den Antrag als unzulässig und wies den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als unbegründet zurück. Zur Begründung führt das Oberlandesgericht aus, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung habe nicht den an den Inhalt eines Klageerzwingungsantrages zu stellenden Anforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO entsprochen, weil sich aus der Antragsschrift nicht ergeben habe, ob die Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid zur Generalstaatsanwaltschaft fristgerecht eingelegt worden sei. Die Beschwerdeschrift enthalte nur die zur Darlegung der Einhaltung der Frist unzureichende Angabe:
"Gegen den vorgenannten Einstellungsbescheid hat der Antragsteller durch hiesiges Schreiben vom 03.08.2004 fristgerecht Beschwerde eingelegt."
Das als Anlage zur Antragsschrift vorgelegte Schreiben trage zwar den Zusatz "Vorab per Fax: 02381/272-403", dies lege die tatsächliche Übermittlung aber nicht schlüssig dar. Bei dem Vermerk handele es sich um eine Anordnung an das nachgeordnete Büropersonal, in der geschilderten Weise mit der Beschwerdeschrift zu verfahren, ohne dass daraus hervorgehe, ob das Büropersonal der Anweisung auch am selben Tag nachgekommen sei.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie nicht von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) und auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Ob die Verfassungsbeschwerde bereits nicht hinreichend substantiiert begründet ist, weil der Beschwerdeführer die an das Oberlandesgericht Hamm gerichtete Antragsschrift im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht vorgelegt hat, kann dahinstehen, da die Verfassungsbeschwerde jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben kann.
2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer wird in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt.
a) Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn nach der Auslegung des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO durch das Oberlandesgericht der Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren für einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Einhaltung der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 StPO darzulegen hat (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 1988 - 2 BvR 1511/87 -, NJW 1988, S. 1773; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. April 1992 - 2 BvR 877/89 -, NJW 1993, S. 382; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Mai 1993 - 2 BvR 1975/92 -, in JURIS veröffentlicht; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1994 - 2 BvR 125/94 -, in JURIS veröffentlicht; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Oktober 1996 - 2 BvR 502/96 -, in JURIS veröffentlicht; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar 1999 - 2 BvR 1201/98 -, www.bverfg.de; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 2003 - 2 BvR 1465/01 -, NJW 2004, S. 1585; BVerfGK 2, 45 <50>).
Die Rechte eines Beschwerdeführers werden auch nicht verletzt, wenn das Oberlandesgericht im Einklang mit der fachgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu den formalen Anforderungen an einen Antrag auf Klageerzwingung von einem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer fordert, anzugeben, wann eine Beschwerdeschrift bei der Generalstaatsanwaltschaft eingegangen ist. Dies ist einem Beschwerdeführer im Regelfall zuzumuten (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar 1999 - 2 BvR 1201/98 -, www.bverfg.de; BVerfGK 2, 45 <47 f.>). Für die Übermittlung auf dem Postwege gilt, dass ein Beschwerdeführer ausnahmsweise auf eine Angabe des Eingangsdatums verzichten kann, wenn er durch Angabe des Datums darlegt, wann er Beschwerde "eingelegt" oder "erhoben" habe, sofern noch eine ausreichende Postlaufzeit besteht und keine besonderen Umstände vorliegen, die einem rechtzeitigen Eingang der Beschwerdeschrift bei der Generalstaatsanwaltschaft entgegenstehen (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. April 1992 - 2 BvR 877/89 -, NJW 1993, S. 382; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Oktober 1996 - 2 BvR 502/96 -, in JURIS veröffentlicht; BVerfGK 2, 45 <48>).
Gibt der Beschwerdeführer an, zu einem bestimmten Datum Beschwerde "eingelegt" zu haben, ist dieses als Posteinwurftag der Beschwerdeschrift zu verstehen. Allein die Angabe des Datums der Beschwerdeschrift hingegen legt nicht dar, dass diese am selben Tag noch in den Postlauf gegeben worden ist, da das Oberlandesgericht nicht unterstellen muss, dass abgefasste Schreiben unverzüglich versandt werden (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar 1999 - 2 BvR 1201/98 -, www.bverfg.de; BVerfGK 2, 45 <48>). Für die fristgemäße Übermittlung per Telefax, die ein Beschwerdeführer dem Oberlandesgericht zudem auf einfache Weise durch die Beifügung des Sendeberichts darlegen kann, gelten die gleichen Anforderungen.
b) Die Angabe, wann die Beschwerde per Telefax "eingelegt" oder "erhoben" worden ist, geht aus der vom Oberlandesgericht in seinem Beschluss zitierten Passage der Antragsschrift nicht hervor. Diese gibt lediglich das Datum des Schriftsatzes an, benennt dieses aber nicht ausdrücklich als Datum der Erhebung per Telefax. Vor dem Hintergrund der bekannten Rechtsprechung zu den formalen Anforderungen an einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 StPO darf von einem Prozessbevollmächtigten diesbezügliche sprachliche Sorgfalt erwartet werden. Auf die Bezeichnung des Schreibens als fristgerecht kommt es zur Darlegung nicht an, da die Frage, ob die Beschwerde fristgemäß eingelegt worden ist, eine Rechtsfrage ist, die zu entscheiden Aufgabe des Oberlandesgerichts ist.
c) Wie aus dem in Anwalts- und Gerichtskreisen üblichen Zusatz "Vorab per Fax" ersichtlich ist, sollte die Beschwerdeschrift zwar nicht (nur) auf dem Postweg, sondern auch (vorab) per Telefax übermittelt werden. Es verstößt aber nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG, einem Beschwerdeführer zuzumuten, in der Antragsschrift anzugeben, dass die Übermittlung auch vorgenommen worden ist. Weder die formalen Anforderungen, die an einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden, noch der Anwaltszwang im Verfahren vor dem Oberlandesgericht bezwecken, den Zugang zu effektivem gerichtlichen Rechtsschutz zu erschweren. Sie sollen vielmehr die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge schützen und so den effektiven Rechtsschutz für den Einzelnen gerade gewähren.
d) Der Beschwerdeführer verkennt, dass das Oberlandesgericht mit der angegriffenen Entscheidung die Hürden für einen zulässigen Antrag auf Klageerzwingung nicht höher setzt als dies bislang in der verfassungsgerichtlich überprüften Rechtsprechung der Oberlandesgerichte der Fall war. Des Nachweises einer ordnungsgemäßen Büroorganisation einer Rechtsanwaltskanzlei bedarf es nicht, wenn ein Beschwerdeführer im Einklang mit der bekannten fachgerichtlichen Rechtsprechung die Einhaltung der Frist dadurch darlegt, dass er angibt, wann der Beschwerdeschriftsatz bei der Generalstaatsanwaltschaft eingegangen ist oder wann eine Beschwerde bei Berücksichtigung entsprechender Postlaufzeiten eingelegt worden ist oder wann ein Schriftsatz per Telefax übermittelt worden ist.
e) Der Umstand, dass die Frist der Beschwerde zur Generalstaatsanwaltschaft nachweislich eingehalten worden ist, ist für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde unerheblich, da nur zur Frage steht, welche Anforderungen das Oberlandesgericht an Inhalt und Umfang der Darlegungen in der Antragsschrift nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO stellen durfte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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