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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.12.2005
Aktenzeichen: 2 BvR 2057/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 275 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 2057/05 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. November 2005 - 1 Ws 767/05 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Landau gemäß § 93c in Verbindung mit §§ 93a, 93b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. Dezember 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. November 2005 - 1 Ws 767/05 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung und Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft.

A. - I.

1. Der Beschwerdeführer besitzt die lettische und die griechische Staatsangehörigkeit. Gegen ihn erließ das Amtsgericht Koblenz am 14. Februar 2000 Haftbefehl, worin ihm neben mehreren Waffendelikten die versuchte Beteiligung an der Ermordung eines Koblenzer Oberstaatsanwaltes sowie die Verabredung zum Mord an einem in Berlin wohnhaften osteuropäischen Staatsangehörigen vorgeworfen wurde. Das Amtsgericht bejahte neben dem dringenden Tatverdacht das Vorliegen von Fluchtgefahr, weil der Beschwerdeführer im Falle seiner Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe rechnen müsse. Zudem verfüge er über beste Kontakte in die GUS-Staaten. Daher sei nicht zu erwarten, dass er sich in Deutschland einem Strafverfahren stellen werde. Aus den Umständen der ihm zur Last gelegten Taten lasse sich ferner auf das Vorliegen von Verdunkelungsgefahr schließen. Zusätzlich sei der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO gegeben.

Aufgrund dieses Haftbefehls wurde der Beschwerdeführer am 17. Februar 2000 verhaftet und befindet sich seitdem in ununterbrochener, nunmehr fünf Jahre und zehn Monate andauernder Untersuchungshaft.

Mit Beschluss vom 2. November 2000 erweiterte das Amtsgericht Koblenz den Haftbefehl um den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit 500 kg Haschisch.

2. Das Oberlandesgericht Koblenz ordnete im Verfahren der besonderen Haftprüfung nach § 121, § 122 StPO mit Beschlüssen vom 28. August 2000, 23. April 2001 und 25. Juli 2001 jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Schwierigkeit und Umfang der Ermittlungen hätten eine Sachentscheidung bislang nicht zugelassen; vermeidbare Verfahrensverzögerungen lägen nicht vor.

3. Am 29. Januar 2001 erhob die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den Beschwerdeführer und zwei weitere Mitangeklagte vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Anklage wegen versuchter Anstiftung zum Mord, vollendeter Anstiftung zum Mord, Verabredung zum Mord sowie verschiedener Waffen-, Urkunds- und Betäubungsmitteldelikte. Das Hauptverfahren wurde daraufhin am 28. Mai 2001 eröffnet. Im Zeitraum zwischen dem 14. August 2001 und dem 1. September 2004 fand an 156 Verhandlungstagen vor der dritten großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz als Schwurgerichtskammer die Hauptverhandlung statt.

4. Mit Beschluss vom 13. Januar 2004 fasste das Landgericht Koblenz den Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer neu. Ihm wurden nunmehr Verabredung zum Mord sowie mehrere Betäubungsmittel- und Waffendelikte vorgeworfen. Der Vorwurf des Versuchs der Beteiligung an einem weiteren Mord wurde dagegen fallen gelassen. Hinsichtlich der aufrecht erhaltenen Tatvorwürfe habe die bisherige Beweisaufnahme während der Hauptverhandlung den dringenden Tatverdacht erhärtet. Nach wie vor liege der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vor. Der Beschwerdeführer habe im Falle seiner Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Seine Lebensgefährtin sei zusammen mit dem gemeinsamen Sohn nach Lettland zurückgekehrt. Da er ansonsten in der Bundesrepublik Deutschland über keine gefestigten sozialen Bindungen verfüge, bestehe angesichts der hohen Straferwartung die Befürchtung, dass er sich nach einer Haftentlassung ins Ausland absetzen werde.

5. Am letzten Hauptverhandlungstag, dem 1. September 2004, kam es zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Beschwerdeführer zu einer Verständigung, die in der Sitzungsniederschrift wie folgt protokolliert wurde:

"1. Es wird eine Strafuntergrenze v. 8 Jahren und 6 Monaten festgelegt.

2. Die StA wird die Einstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO bzgl. aller weiteren gegen den Angeklagten B. anhängigen Strafverfahren beantragen. Dies gilt auch für das bei der StA Mainz anhängige Verfahren.

3. Bei tadelsfreier Führung im Strafvollzug und keiner weiteren Straftaten während des Vollzuges wird die StA zum 2/3 Zeitpunkt die bedingte Entlassung des Angeklagten B. beantragen."

6. Mit am selben Tag verkündeten Urteil verhängte das Landgericht Koblenz gegen den Beschwerdeführer wegen Verabredung zu einem Verbrechen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb und unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Schusswaffe, des unerlaubten Handeltreibens tateinheitlich mit unerlaubter Ausfuhr und Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie mehrerer weiterer waffenrechtlicher Delikte eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten. Bei der Strafzumessung wurden die lange Untersuchungshaft wie auch die "verschärften Bedingungen der Einzelhaft", unter denen die Untersuchungshaft vollzogen wurde, in erheblichem Umfang strafmildernd berücksichtigt. Hinsichtlich des Vorwurfs der versuchten Beteiligung an einem weiteren Mord wurde der Beschwerdeführer dagegen freigesprochen. Die Mitangeklagten verurteilte das Landgericht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Diese Urteile sind rechtskräftig. Mit Beschluss vom gleichen Tage hielt das Landgericht den Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer aufrecht.

7. Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Beschwerdeführer am 8. September 2004 Revision ein, die er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. Juli 2005 näher begründete. Gerügt wurde die Verletzung formellen und sachlichen Rechts, darunter ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen sowohl bei der Abwicklung der Hauptverhandlung wie auch bei der Absetzung des Urteils. Über die Revision hat der Bundesgerichtshof bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht entschieden.

8. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12. Mai 2005 erhob der Beschwerdeführer gegen den zusammen mit dem Urteil verkündeten Haftfortdauerbeschluss vom 1. September 2004 Beschwerde und machte eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen geltend. Bereits das Hauptverfahren sei nicht mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden, weil das Landgericht entgegen der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts nicht zumindest zwei Hauptverhandlungstermine pro Woche anberaumt habe. Allein an 122 Hauptverhandlungsterminen sei lediglich einmal wöchentlich verhandelt worden. Auch nach der Urteilsverkündung sei das Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Die schriftlichen Urteilsgründe lägen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. Die Frist des § 275 Abs. 1 StPO sei zwar formal noch nicht überschritten. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um eine Höchstfrist handele, die nur dann ausgeschöpft werden dürfe, wenn eine frühere Urteilsabsetzung nicht möglich sei. Es sei deshalb unzulässig, von vornherein von der vollständigen Ausschöpfbarkeit der Höchstfrist auszugehen. Wenn, wie im vorliegenden Verfahren, während der Hauptverhandlung Verfahrensverzögerungen auftreten, müsse das Landgericht dem überragenden Gebot der Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen durch eine zügige Urteilsabsetzung ohne Ausschöpfung der Höchstfrist Rechnung tragen. Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei in keinem Fall mehr verhältnismäßig. So könne es mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht vereinbar sein, wenn ein Beschuldigter, der zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei, bis zu einer möglichen rechtskräftigen Verurteilung den Zwei-Drittel-Zeitpunkt bei weitem überschritten habe.

9. Mit Beschluss vom 14. Juni 2005 half die Schwurgerichtskammer des Landgerichts der Beschwerde nicht ab.

a) Der Beschwerdeführer sei weiterhin dringend tatverdächtig. Im Hinblick auf die Straferwartung, die durch das Urteil vom 1. September 2004 konkretisiert worden sei, bestehe unverändert Fluchtgefahr. Diese werde dadurch verstärkt, dass Ehefrau und Sohn des Beschwerdeführers nach Litauen verzogen seien und er in der Bundesrepublik Deutschland über keinerlei soziale Bindungen verfüge.

b) Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft sei auch verhältnismäßig.

aa) Dies ergebe sich mit Blick auf die Dauer des Ermittlungs- und Hauptverfahrens auf den im Beschwerdeverfahren des Mitangeklagten S. ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 3. März 2004 - 1 Ws 76/04 -. Darin werde ausgeführt, dass die seit 14. August 2001 andauernde Hauptverhandlung, von prozessordnungsgemäßen Unterbrechungen abgesehen, fortlaufend durchgeführt worden sei. Die Strafkammer habe zwar nicht immer, wie es die Rechtsprechung des Senats bei von vornherein als "Umfangsverfahren" angelegten Haftsachen fordere, mindestens zweimal pro Woche verhandelt. Die Hauptverhandlung habe überwiegend nur einmal pro Woche, regelmäßig mittwochs, stattgefunden. Dies begründe jedoch nicht die Annahme unzureichender Verfahrensförderung. Eine höhere Terminfrequenz sei zunächst an Umständen wie Urlaub und Erkrankung von Mitgliedern des Gerichts, die im Verlaufe einer Hauptverhandlung von längerer Dauer unvermeidbar seien und zwangsläufig außerhalb der Verantwortung des Vorsitzenden zu Verfahrensverzögerungen führten, gescheitert. Dass derartige Umstände den Kammervorsitzenden zu Verhandlungsunterbrechungen von mehr als einwöchiger Dauer gezwungen hätten, habe dieser in seiner Verfügung vom 11. Februar 2004 auf Anfrage des Senats im Einzelnen dargelegt. Auch hätten urlaubsbedingte Unterbrechungen nicht durch Koordinierung der Urlaubsplanung vermieden werden können. Die am Verfahren beteiligten Schöffen seien ihrerseits beruflich gebunden und könnten deswegen Urlaub nur nach den Vorgaben ihres jeweiligen Arbeitgebers antreten. Bei der Abstimmung des Urlaubs unter den berufsrichterlichen Kammermitgliedern müsse der Vorsitzende die Funktionsfähigkeit der Kammer insgesamt im Auge behalten, was einem gleichzeitigen Urlaubsantritt aller Kammermitglieder regelmäßig entgegenstehe. Ein unzumutbarer Verzicht auf den Urlaubsanspruch stelle keine zur Verfahrensbeschleunigung gebotene Maßnahme dar. Im Übrigen sei die Terminsbestimmung des Vorsitzenden das Ergebnis einer Absprache mit den beteiligten Verteidigern. Deren Terminsinteressen hätten berücksichtigt werden müssen. Sie hätten eine höhere Terminfrequenz nicht zugelassen. Wie der Vorsitzende in seinem Nichtabhilfevermerk vom 9. Januar 2004 mitgeteilt habe, sei es in seiner Absicht gelegen, über den Mittwoch als regelmäßigen Terminstag hinaus an weiteren Tagen in der Woche zu verhandeln. Er habe die Verteidiger deswegen aufgefordert, verfügbare Dienstage und Donnerstage zu benennen. Dies sei an insgesamt 13 dementsprechend genutzten Verhandlungstagen der Fall gewesen. Terminierungshindernisse durch anderweitige Terminauslastung der Verteidiger seien, solange die Durchführung der Hauptverhandlung nicht in Frage gestellt und deswegen die Bestellung von Pflichtverteidigern erforderlich werde, grundsätzlich kein dem Gericht zuzurechnender Verzögerungsgrund.

Wenn ferner im vorliegenden Verfahren Hauptverhandlungstermine nur kurz angedauert hätten, so hätte dies stets sachlich nachvollziehbare Gründe gehabt.

Weiter sei es auch nicht zu erwarten, dass das Verfahren und damit die Untersuchungshaft auf unabsehbare Zeit fortgeführt würden. Einer Verfahrensbeendigung stehe derzeit, nachdem der Vorsitzende auf die Absicht des Gerichts hingewiesen hatte, die Beweisaufnahme zu schließen, nur die Tatsache entgegen, dass der Verteidiger eines Mitangeklagten dazu übergegangen sei, nunmehr Beweisanträge zu Tatkomplexen zu stellen, die bereits im Jahr 2002 abgehandelt worden waren. Die dadurch eingetretene Verfahrensverzögerung habe das Gericht nicht zu vertreten.

bb) Nach Ergehen des Beschlusses des Oberlandesgerichtes vom 3. März 2004 sei der Verfahrensgang im Wesentlichen davon geprägt gewesen, dass die Verteidiger des Beschwerdeführers und eines Mitangeklagten Beweisanträge gestellt hätten. Trotz des Hinweises des Gerichts, nach Möglichkeit gebündelte Beweisanträge zu stellen, hätten die Angeklagten neue Beweisanträge jeweils erst gestellt, nachdem die vorherigen negativ beschieden worden waren. Dadurch sei es zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens gekommen.

cc) Die Urteilsabsetzung sei ferner unter Einhaltung der Frist des § 275 StPO erfolgt. Die Zeitspanne bis zum 4. Mai 2005, dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil zur Geschäftsstelle gelangt sei, sei in Anbetracht des besonderen Umfangs der Sache erforderlich gewesen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass der ursprüngliche Berichterstatter durch Krankheit am Ende des Verfahrens ausgefallen sei und durch den Ergänzungsrichter habe ersetzt werden müssen. Dadurch sei eine Neuverteilung der Aufgaben erforderlich geworden. Schließlich sei der Ergänzungsrichter zum Bundesgerichtshof abgeordnet und der zweite Beisitzer einer extrem belasteten Zivilkammer zugeordnet worden.

dd) Das Hauptverhandlungsprotokoll, das sieben Bände umfasse, sei am 3. Juni 2005 fertig gestellt und die Urteilszustellung am gleichen Tag veranlasst worden. Die Unterzeichnung des Protokolls habe sich jedoch verzögert, da der vorgelegte Entwurf unvollständig gewesen sei. Es habe eine Beschlussausfertigung gefehlt, die versehentlich in einem Beiordner abgeheftet gewesen sei und die erst nach Durchsicht des gesamten Akten-, Beiakten- und Beweismaterials habe aufgefunden werden können.

10. Mit Beschluss vom 23. Juni 2005 wies das Oberlandesgericht Koblenz die Beschwerde als unbegründet zurück. Es verwies zur Begründung zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts. Ferner sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weiterhin gewahrt. Die bisherige Dauer der Untersuchungshaft von fünf Jahren und vier Monaten liege noch deutlich unter der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe. Der Umstand, dass schon im September 2005 eine Entscheidung über eine Strafrestaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB anstünde, könne die Verhältnismäßigkeit des weiteren Haftvollzugs allenfalls dann in Frage stellen, wenn auch die materiellen Voraussetzungen der genannten Vorschrift vorlägen oder zumindest wahrscheinlich erfüllt wären. Das sei vorliegend jedoch nicht anzunehmen. Der Beschwerdeführer habe sich in schwerwiegender Weise strafbar gemacht. Bei zwei der verwirklichten Delikte handele es sich um Verbrechen, für die die Schwurgerichtskammer Einsatzstrafen von mehr als zwei Jahren verhängt habe. Selbst wenn eine Strafrestaussetzung zu erwägen wäre, müsste zunächst gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO, § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Dass dieses zu einer positiven Prognose gelange, sei angesichts der Tatsache, dass Erkenntnisse über den Beschwerdeführer aus dem Strafvollzug bislang nicht vorlägen und er keine Resozialisierungsmaßnahmen durchlaufen habe, wenig wahrscheinlich.

Die bisherige Dauer des Strafverfahrens sei auch sachlich begründet. Unvertretbare, im Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsbehörden liegende und deshalb die Verhältnismäßigkeit weiteren Haftvollzugs in Frage stellende Verfahrensverzögerungen seien weder vor noch nach der Urteilsverkündung zu verzeichnen. Insoweit verweise der Senat auf die Gründe des den Mitangeklagten betreffenden Beschlusses vom 3. März 2004. Die Zustellung des Urteils an den Beschwerdeführer sei inzwischen veranlasst worden.

11. Gegen diesen Beschluss erhob der Verteidiger des Beschwerdeführers am 19. Juli 2005 Gegenvorstellung, die das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 27. Juli 2005 als unbegründet zurückwies. Die Zusage der Staatsanwaltschaft im Rahmen der in der Hauptverhandlung protokollierten Verfahrensabsprache sei für die Frage der Verhältnismäßigkeit des weiteren Vollzugs von Untersuchungshaft unerheblich. Die Zusage der Stellung eines Antrags auf bedingte Entlassung gelte von vornherein nur unter der Voraussetzung einer tadelsfreien Führung im Strafvollzug. Der Beschwerdeführer befinde sich gegenwärtig jedoch nicht im Strafvollzug, so dass keine Erkenntnisse über sein Verhalten unter Vollzugsvoraussetzungen vorliegen. Tadelsfreie Führung im Strafvollzug würde überdies mehr als bloßes formales Wohlverhalten im Freiheitsentzug erfordern. Im Übrigen würde auch ein absprachegemäß gestellter Antrag der Staatsanwaltschaft nichts daran ändern, dass eine Strafrestaussetzung nur erfolgen könnte, wenn auch die materiellen Bedingungen dafür erfüllt wären. Besondere Sicherungsmaßnahmen, denen der Beschwerdeführer im Vollzug der Untersuchungshaft ausgesetzt gewesen sei, berührten die Verhältnismäßigkeit des weiteren Vollzugs nicht.

12. Gegen die oberlandesgerichtlichen Beschlüsse vom 23. Juni 2005 und 27. Juli 2005 legte der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 1. September 2005 unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Beschwerdeverfahren Verfassungsbeschwerde ein.

Mit Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. September 2005 - 2 BvR 1480/05 - wurde die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Mangels fristgemäßer Vorlage insbesondere des Beschlusses des Oberlandesgerichts Koblenz vom 3. März 2004 sowie der Haftfortdauerbeschlüsse des Landgerichts Koblenz vom 13. Januar 2004 und 1. September 2004 sei die verantwortliche Prüfung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen durch das Bundesverfassungsgericht nicht möglich, die Verfassungsbeschwerde folglich unzulässig. Fraglich sei darüber hinaus auch die fristgemäße Erhebung der Verfassungsbeschwerde.

13. Mit Schriftsatz vom 14. September 2005 beantragte der Beschwerdeführer über seinen Verteidiger beim Landgericht Koblenz erneut die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise seine Außervollzugsetzung gegen geeignete Auflagen. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens macht er einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen geltend. Zum einen sei das Hauptverfahren nicht mit der vom Gesetz geforderten Beschleunigung geführt worden, zum anderen lasse sich auch die Absetzung des Urteils nicht mit dem Beschleunigungsgebot vereinbaren. Schließlich müssten die von besonderen Beschränkungen gekennzeichneten Haftbedingungen des Beschwerdeführers bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit des weiteren Untersuchungshaftvollzuges berücksichtigt werden.

14. Diesen Antrag wies das Landgericht Koblenz mit Beschluss vom 29. September 2005 als unbegründet zurück.

a) Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten bestehe weiterhin dringender Tatverdacht. Auch wenn er sich zwischenzeitlich länger als zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe in Untersuchungshaft befinde, läge bei ihm weiterhin Fluchtgefahr vor, da er über keine Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland verfüge und sich seine Ehefrau und der gemeinsame Sohn in Riga aufhalten würden.

b) Der Vollzug der Untersuchungshaft sei nach wie vor verhältnismäßig. Insoweit werde auf die oberlandesgerichtlichen Beschlüsse vom 23. Juni 2005 und 27. Juli 2005 Bezug genommen. Die bisherige Verfahrensdauer sei auf den erheblichen Ermittlungs-, Verhandlungs- und Begründungsaufwand zurückzuführen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und der Verfahrensstraffung habe die Staatsanwaltschaft weitere wesentliche Anklagepunkte vorläufig eingestellt, weil andernfalls sehr umfangreiche und langandauernde Beweisaufnahmen in Georgien, Griechenland, Russland und Litauen erforderlich gewesen seien. Im Übrigen sei die Hauptverhandlung so zügig wie möglich geführt worden. Bereits frühzeitig habe man einen Wochentag, den Mittwoch, als regelmäßigen Hauptverhandlungstag festgelegt. Darüber hinaus sollte an weiteren Wochentagen nach Absprache mit den Verteidigern verhandelt werden. Insoweit seien die Verteidiger immer wieder gebeten worden, "freie" Terminstage bekannt zu geben. Trotz der Beiordnung von Pflichtverteidigern an zwei Angeklagte, sei es nicht immer gelungen, weitere Termine abzustimmen.

Viele Hauptverhandlungstermine hätten auch nicht in dem Umfang wie geplant durchgeführt werden können, wofür stets sachliche Gründe vorgelegen hätten.

Letztlich habe auch das Verteidigerverhalten erhebliche Verzögerungen mit sich gebracht. In aller Regel hätten die Verteidiger Beweisanträge nicht komplett gestellt, sondern erst das Ergebnis eines Beweisantrages abgewartet, um dann den Nächsten zu stellen. Trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts habe sich diese zu einer Verzögerung führende Verfahrensweise nicht geändert.

Eine weitere Streckung der Hauptverhandlungsdauer habe auf der Erkrankung und dem teilweisen Ausfall von Kammermitgliedern sowie Erkrankungen der Mitangeklagten S. und S. beruht.

15. Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2005 Beschwerde ein. Über den bisherigen Vortrag hinaus wird darin ausgeführt, dass das Landgericht den wenige Tage zuvor ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. September 2005 - 2 BvR 1315/05 - zur überlangen Untersuchungshaft nicht beachtet habe. Allein aufgrund der Tatsache, dass Ehefrau und Sohn des Beschwerdeführers sich in Riga aufhielten, könne Fluchtgefahr nicht angenommen werden. Stünde beim Beschwerdeführer die Rückkehr in seine Heimat im Vordergrund, so hätte er dies einfacher dadurch erreichen können, dass er sein Rechtsmittel zurückgenommen und die zugesagte Zwei-Drittel-Entlassung in Anspruch genommen hätte. Durch sein gegenteiliges Verhalten bringe er vielmehr zum Ausdruck, dass er sich gerade nicht dem Verfahren entziehen wolle. Weiter vermöge der angeführte Begründungsaufwand die Verfahrensdauer nicht zu rechtfertigen. Die schriftlichen Urteilsgründe würden nur 66 Seiten umfassen, die dazu in nicht unerheblichem Umfang wortgleich aus der Anklageschrift übernommen worden seien.

Das Beschleunigungsgebot erfasse demgegenüber das gesamte Strafverfahren. Die Kammer wäre daher gehalten gewesen, die Urteilsabsetzung in einem angemessenen Zeitraum zu bewerkstelligen. Hinsichtlich der Terminierung der Hauptverhandlung sei in umfangreichen Verfahren bereits der Ansatz mit nur einem regelmäßigen wöchentlichen Hauptverhandlungstag fehlerhaft. Eine Verzögerung sei auch nicht auf das Verteidigungsverhalten zurückzuführen. Bei Durchsicht der Hauptverhandlungsprotokolle falle auf, dass die Verteidigung überwiegend ab Januar 2004 Beweisanträge gestellt habe. Erst ab diesem Zeitpunkt finde sich der Hinweis des Vorsitzenden auf eine eventuelle Bündelung. Nicht nachvollziehbar und schlichtweg falsch sei die Begründung der Verfahrensverzögerung mit der Erkrankung der Mitangeklagten S. und S. Beide seien jeweils an einem Hauptverhandlungstag erkrankt gewesen. Weiter seien bei der Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch die erschwerten Haftbedingungen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesen.

16. Die Beschwerde wies das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 21. November 2005 zurück. Die Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer werde zu Recht vollzogen.

a) Nach wie vor liege bei ihm der Haftgrund der Fluchtgefahr vor. Es sei zu erwarten, dass er sich, sobald er sich auf freiem Fuß befinde, dem Strafverfahren durch Flucht entziehen werde. Der nach Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibende Strafrest von drei Jahren bilde einen erheblichen Fluchtanreiz. Dieser werde verstärkt durch die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, wie sie sich aus den Feststellungen des Urteils ergäben. Er sei lettischer Staatsangehöriger, der sich erst seit 1993 in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, ohne einen dauerhaften Wohnsitz begründet zu haben. Ferner verfüge er über Geschäftsverbindungen nach Russland und stehe mit hoher Wahrscheinlichkeit in engem Kontakt zu hochkriminellen, international tätigen Kreisen. Dieses Umfeld biete ihm eine günstige Gelegenheit zum Untertauchen. Seine Bereitschaft zur Verschleierung seiner Identität und seines Aufenthaltsortes belegten auch verschiedene gefälschte Ausweispapiere, die er bei seiner Verhaftung besessen habe. Persönliche oder berufliche Bindungen besitze der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Seine Ehefrau und sein Sohn hielten sich in Riga auf. Den Warenan- und -verkauf, den er bis zu seiner Verhaftung betrieben habe, könne er auch andernorts wieder aufnehmen. Weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug der Untersuchungshaft seien unter diesen Umständen nicht geeignet, den Verfahrenssicherungszweck der Haft in gleicher Weise zu gewährleisten.

b) Die Untersuchungshaft stehe ferner zur Bedeutung der Sache und der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten noch in einem angemessenen Verhältnis. Weder das Erreichen des Zwei-Drittel-Zeitpunktes im September 2005 noch die Zusage der Staatsanwaltschaft in der protokollierten Verfahrensabsprache führten zur Unangemessenheit weiteren Haftvollzuges. Hierbei werde auf die Senatsentscheidungen vom 23. Juni und 27. Juli 2005 Bezug genommen.

Weiter sei das Verfahren auch durchweg zügig betrieben worden. Erhebliche, im Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsbehörden liegende Verfahrensverzögerungen, die Anlass böten, das Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit hinter dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers zurücktreten zu lassen, hätten bislang nicht festgestellt werden können.

Die wiederholte Rüge der vollständigen Ausschöpfung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 StPO entbehre schon einer zutreffenden Tatsachengrundlage. Das vollständige Urteil sei bereits zwei Wochen vor Fristablauf am 4. Mai 2005 zu den Akten gelangt.

Auch nach der letzten Haftentscheidung des Senats vom 23. Juni 2005 seien keine Verfahrensverzögerungen von Erheblichkeit eingetreten. Das Revisionsverfahren habe nach Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls mit der am 16. Juni 2005 erfolgten Urteilszustellung an den Angeklagten seinen Fortgang genommen. Die am 17. Juli 2005 eingegangene Revisionsbegründung des Beschwerdeführers sei der Staatsanwaltschaft am 22. Juli 2005 zugeleitet worden. Die zunächst nicht mit vorgelegten Protokollbände seien auf Anforderung am 4. August 2005 bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Diese habe die Revisionsgegenerklärung am 20. September 2005 fertig gestellt, die zusammen mit der Sachakte am 22. September 2005 beim Landgericht eingegangen sei. Damit habe die Staatsanwaltschaft zwar die gesetzlich vorgesehene Wochenfrist überschritten. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass zunächst 1700 Seiten Hauptverhandlungsprotokoll hätten durchgesehen und ausgewertet werden müssen. Die Bearbeitungszeit sei im Hinblick auf den außergewöhnlichen Aufwand nicht als unangemessen lang zu bewerten. Ob bei höchstmöglicher Beschleunigung die Bearbeitungszeit hätte verkürzt werden können, könne dahinstehen, weil der möglicherweise zu erzielende Zeitgewinn im Verhältnis zur Gesamtdauer des Revisionsverfahrens nicht entscheidend ins Gewicht falle. Eine etwa eingetretene Verzögerung sei dementsprechend nur kurzfristiger Natur und könnte durch eine zügige Fortführung des Verfahrens ohne weiteres ausgeglichen werden. Nach Eingang der Revisionsgegenerklärung habe der Kammervorsitzende die Sachakte mit Verfügung vom 24. September 2005 umgehend wieder der Staatsanwaltschaft zugeleitet, die diese am 28. September 2005 dem Generalbundesanwalt übersandt habe. Protokollmängel, die ihm Veranlassung gegeben hätten, die Sachakte am 2. November 2005 der Staatsanwaltschaft zur Nachbesserung zuzuleiten, seien durch den Kammervorsitzenden am 11. November 2005 beseitigt worden. Die durch die Mängelbeseitigung eingetretene Verfahrensverzögerung sei so gering gewesen, dass sie nicht als Verletzung des Beschleunigungsgebotes ins Gewicht falle. Auch ihr könne im weiteren Verfahrensgang mühelos ausgleichende Rechnung getragen werden. Beim gegebenen Verfahrensstand bestünden weder für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtheit von den Strafverfolgungsbehörden verschuldete Verfahrensverzögerungen, die als Verletzung des Beschleunigungsgebotes die Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse des Staates und dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers zu dessen Gunsten beeinflussen könnten.

Ein Zurücktreten des staatlichen Strafverfolgungsinteresses könne auch nicht als Ausgleich für den nach Ansicht des Beschwerdeführers unangemessen harten Haftvollzug eingefordert werden. Der Beschwerdeführer hätte gegen unangemessen hart empfundene Sondermaßnahmen im Vollzug eine mit der Beschwerde angreifbare richterliche Entscheidung gemäß § 119 Abs. 6 Satz 1 StPO beantragen können. Maßnahmen, die vom zuständigen Richter als angemessen angesehen worden oder vom Untersuchungsgefangenen nicht beanstandet worden seien, könnten nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Haftfortdauer führen. Nach alledem bestehe der Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer zu Recht.

II.

1. Mit seiner am 5. Dezember 2005 fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen, darüber hinaus die Unverhältnismäßigkeit seiner bereits seit dem 17. Februar 2000 andauernden Untersuchungshaft. Zugleich beantragt er den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

a) Im Verfahren des Beschwerdeführers sei mehrfach gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verstoßen worden.

aa) So sei bereits die Hauptverhandlung nicht mit der vom Gesetz gebotenen Beschleunigung durchgeführt worden. Bereits die ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz gehe davon aus, dass in Haftsachen diesen Umfangs grundsätzlich mindestens zwei Mal pro Woche verhandelt werden müsse. Vorliegend sei bei insgesamt 156 Hauptverhandlungstagen an 122 Tagen nicht zweimal pro Woche verhandelt worden. An 45 Tagen sei weniger als drei Stunden und an weiteren 45 Tagen weniger als eine Stunde verhandelt worden. Hierbei seien noch nicht einmal unverhältnismäßig lange Pausen berücksichtigt worden. Daraus ergebe sich ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot. Dessen außerordentliche Bedeutung werde auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Ausdruck gebracht. Ferner treffe es nicht zu, dass im vorliegenden Fall die Verfahrensverzögerung ihre Ursache in Beweisanträgen der Verteidigung finde. Überwiegend seien diese erst ab Februar 2004 gestellt worden.

bb) Das Beschleunigungsgebot habe ferner auch für den Zeitraum nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils unverändert Geltung und tangiere daher auch die Frist zur Absetzung eines Urteils. Vorliegend seien die Urteilsgründe erst nach Ablauf von 35 Wochen am 4. Mai 2005 zur Geschäftsstelle gelangt. Formal sei damit die Frist des § 275 Abs. 1 StPO nicht überschritten worden. Dass das Urteil schon zu diesem Zeitpunkt zur Geschäftsstelle gelangt sei, beruhe jedoch nicht auf einer beschleunigten Erstellung durch die Strafkammer. Vielmehr belege ein Schreiben an den 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Januar 2005, dass der Kammervorsitzende von vornherein die Ausschöpfung der Urteilsabsetzungsfrist angestrebt habe. Indes handele es sich bei der Frist des § 275 Abs. 1 StPO um eine Höchstfrist, die nur ausgeschöpft werden dürfe, wenn eine frühere Urteilsabsetzung nicht möglich sei. Auch gebiete es das Beschleunigungsgebot, dass Verfahrensverzögerungen während der Hauptverhandlung durch eine zügige Absetzung des Urteils ausgeglichen werden. Vorliegend hätte daher die Schwurgerichtskammer nach Abschluss des Hauptverfahrens durch zügige Absetzung des Urteils dem Beschleunigungsgebot Rechnung tragen müssen, ohne die Höchstfrist für die Urteilsabsetzung nahezu vollständig auszuschöpfen. Hinsichtlich der schriftlichen Urteilsgründe müsse festgestellt werden, dass diese mit 66 Seiten keinen besonderen Umfang aufwiesen, dass ferner nicht unerhebliche Teile des Urteils wörtlich mit der Anklageschrift übereinstimmten. Angesichts dessen sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Absetzung 35 Wochen Zeit in Anspruch genommen habe.

cc) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts liege ein weiterer Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot darin, dass zwischen der Niederlegung der Urteilsgründe auf der Geschäftsstelle und der Zustellung des Urteils an den Beschwerdeführer wiederum fast sechs Wochen vergangen seien, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund erkennbar gewesen wäre.

dd) Bei einer Gesamtbetrachtung wiege der Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot umso schwerer, wenn man die besonderen Haftbedingungen des Beschwerdeführers berücksichtige. Diese dürften bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellenden Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben.

b) Von Verfassungs wegen seien ferner die Erwägungen des Oberlandesgerichts in seinem Beschluss vom 23. Juni 2005 zu beanstanden, wonach beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 57 StGB nicht vorlägen und demzufolge von einer Endstrafverbüßung auszugehen sei. Der Beschwerdeführer sei in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorbestraft. Weiter habe die Staatsanwaltschaft in der am 156. Verhandlungstag protokollierten Übereinkunft festgehalten, dass sie bei tadelsfreier Führung im Strafvollzug und dem Ausbleiben weiterer Straftaten während des Vollzuges zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt seine bedingte Entlassung beantragen werde. Es erscheine grotesk, wenn das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 27. Juni 2005 ausführe, dass die Voraussetzungen dieser Zusage nicht vorlägen, weil kein Strafvollzug gegeben sei. Selbst wenn man der Auffassung folgen sollte, dass keine von den Strafverfolgungsbehörden zu vertretenden Verfahrensverzögerungen vorlägen, könne dies im Ergebnis nicht zur Folge haben, dass unter Hinweis auf die fortdauernde Untersuchungshaft die gegebene Zusage hinfällig wäre.

c) Der angegriffene Beschluss lasse ferner eine detaillierte und rechtlich zutreffende Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Außervollzugsetzung des Haftbefehls vermissen. Das Oberlandesgericht gebe die angebliche Fluchtgefahr stereotyp wieder, ohne sich mit den Besonderheiten des Falles auseinander zu setzen. Nach neuerer Rechtsprechung sei selbst ein Wohnsitz im Ausland nicht ohne weiteres dazu geeignet, Fluchtgefahr zu bejahen. Weiter fehlten angesichts der übrigen angeführten Umstände konkrete Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr. Soweit das Oberlandesgericht auf die angeblich engen Kontakte des Beschwerdeführers zu hochkriminellen, international agierenden Kreisen abstelle, bewege es sich auf spekulativem Terrain. Einzig und allein durch eine Rücknahme der Revision würde der Beschwerdeführer zeitnah aus der Haft entlassen werden. Da sein gesamtes Verhalten einzig darauf angelegt sei, das ihm widerfahrene Unrecht aufzuzeigen, sei klar erkennbar, dass er sich unter keinen Umständen dem weiteren Strafverfahren entziehen werde. Dadurch, dass der Beschwerdeführer vorliegend das gegen ihn ergangene Urteil beim übergeordneten Gericht zur Überprüfung stelle, würden ihm gravierende Nachteile erwachsen. Weiter habe das Oberlandesgericht die aufgrund der Dauer der Untersuchungshaft notwendige Neubewertung der Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr unterlassen.

2. Das Justizministerium des Landes Rheinland-Pfalz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und - in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise - auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

I.

1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG garantiert die Freiheit der Person. In diesem Freiheitsgrundrecht ist das in Haftsachen geltende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot angelegt (vgl. BVerfGE 46, 194 <195>). Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in ständiger Rechtsprechung betont, dass der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Zwischen beiden Belangen muss abgewogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (vgl. BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 20, 144 <148>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>), und gleichzeitig zu bedenken, dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft regelmäßig vergrößert (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <159>).

2. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen umfasst das gesamte Strafverfahren (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2005 - 2 BvR 109/05 -, StV 2005, S. 220 <222>). Die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwingt die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte regelmäßig, dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu berücksichtigen. So wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhält, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkung für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zum dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen (vgl. BVerfGE 46, 17 <29>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 1992 - 2 BvR 1/91 -, NJW 1992, S. 2472 <2473>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 1993 - 2 BvR 1487/90 -, NJW 1993, S. 3254 <3255>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2005 - 2 BvR 109/05 -, StV 2005, S. 220 <222>), verpflichtet er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht im Einklang stehenden überlangen Verfahrens zu sorgfältiger Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2003 - 2 BvR 327/02 u.a. -, NJW 2003, S. 2225; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2003 - 2 BvR 153/03 -, NJW 2003, S. 2897). Dementsprechend ist nach § 120 StPO der Haftbefehl aufzuheben, wenn die Fortdauer der Untersuchungshaft unverhältnismäßig ist (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2005 - 2 BvR 109/05 -, StV 2005, S. 220 <222>).

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstärkt sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untersuchungsgefangenen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Vor diesem Hintergrund kommt es im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft sind dabei stets höhere Anforderungen an das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes zu stellen. Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermag aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (so ausdrücklich Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2005 - 2 BvR 109/05 -, StV 2005, S. 220 <224>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. September 2005 - 2 BvR 1315/05 -, NJW 2005, S. 3485 <3487>).

4. Der verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt bezogen auf das in Rede stehende Strafverfahren, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (vgl. BVerfGE 20, 45 <50>; 36, 264 <273>). An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert (vgl. BGHSt 38, 43 <46>; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. August 1982 - 1 Ws 607/82 -, StV 1982, S. 531 <532>; Beschluss vom 1. Februar 1991 - 2 Ws 632-633/90 -, StV 1991, S. 308; Beschluss vom 10. August 1992 - 2 Ws 312/92 -, StV 1992, S. 586; Beschluss vom 25. März 1996 - 2 Ws 86/96 -, StV 1996, S. 496; KG, Beschluss vom 30. Juni 1999 - (3) 1 HEs 299/98 -, StV 2000, S. 36 <37>). Dabei findet der Vollzug von Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass eines Urteils nur in ganz besonderen Ausnahmefällen seine Rechtfertigung (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1999 - 2 BvR 1775/99 -, NStZ 2000, S. 153; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. August 1992 - 2 Ws 312/92 -, StV 1992, S. 586; OLG Köln, Beschluss vom 14. Juni 1992 - HEs 164/91-181/92 u.a. -, MDR 1992, S. 1070). Je nach Sachlage kann bereits eine Zeitspanne von drei Monaten zu beanstanden sein (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 2. April 1992 - 1 HEs 14/92 -, StV 1992, S. 525; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 7. März 1985 - 2 Ws 90/85 H -, StV 1985, S. 198; OLG Köln, Beschluss vom 18. August 1992 - HEs 136/92 -, StV 1992, S. 524 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. April 2000 - (1) 4420 BL-III-25/00 -, StV 2000, S. 515 <516>: vermeidbare Verfahrensverzögerung von rd. zwei Monaten mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen unvereinbar). Dauert die Untersuchungshaft bereits ein Jahr an, so führt in bestimmten Fällen schon eine Verzögerung um einen Monat oder sechs Wochen zur Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1999 - 2 BvR 1775/99 -, NStZ 2000, S. 153 <154>; KG, Beschluss vom 30. Juni 1999 - (3) 1 HEs 299/98 -, StV 2000, S. 36 <37>).

II.

Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen an die Durchführung eines Strafverfahrens wird die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz nicht gerecht. Sie berücksichtigt im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der persönlichen Freiheit nicht hinreichend.

1. Das Oberlandesgericht hat in der angegriffenen Beschwerdeentscheidung zunächst die tatsächlichen Grundlagen unzureichend gewürdigt. Vorliegend lassen sich dem Gang des Verfahrens eine Vielzahl von Umständen entnehmen, die den Schluss auf vermeidbare und den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten zuzurechnende Verfahrensverzögerungen nahe legen.

a) Es kann dahinstehen, ob die vom Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Terminierungspraxis des Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Koblenz mit den Vorgaben des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen unvereinbar war. Diese Annahme liegt allerdings nahe.

aa) Wie aus der Stellungnahme des Vorsitzenden im Haftbeschwerdeverfahren des Mitangeklagten S. vom 9. Januar 2004 und dem hierauf gründenden Beschluss des Oberlandesgerichts vom 3. März 2004, die der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. November 2005 ausdrücklich in Bezug nimmt, zu entnehmen ist, wurde für die Abwicklung der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer und seine zwei Mitangeklagten grundsätzlich nur ein Wochentag als regelmäßiger Sitzungstag der Kammer festgelegt. Dies führte trotz weiterer Bemühungen des Vorsitzenden um zusätzliche Sitzungstermine im Ergebnis dazu, dass bei einer Gesamtdauer der Hauptverhandlung von drei Jahren und zwei Wochen an lediglich 156 Tagen mündlich verhandelt worden ist.

bb) Diese geringe Hauptverhandlungsdichte steht, worauf das Oberlandesgericht im Beschluss vom 3. März 2004 selbst hingewiesen hat, im Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung zur Terminierung so genannter Umfangsverfahren, wonach es der verfassungsrechtliche Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen grundsätzlich gebietet, zumindest an zwei Tagen in der Woche Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen.

Dieser Ansatz der fachgerichtlichen Rechtsprechung trägt den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundrechts der persönlichen Freiheit Rechnung. Bei absehbar umfangreichen Verfahren wie dem vorliegenden, in denen sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befindet, fordert das Beschleunigungsgebot in Haftsachen stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 23. März 2001, NdsRpfl 2001, S. 196 unter Hinweis auf ggf. anzuberaumende Sondersitzungstage). Dabei kann, je weiter in die Zukunft eine derartige Planung reicht, regelmäßig im Verlauf einer Hauptverhandlung auftretenden Terminierungshindernissen durch entsprechende Koordinierung, beispielsweise von Urlaubsterminen, Rechnung getragen und damit ein zügiger Verlauf der Hauptverhandlung sichergestellt werden.

Den genannten Anforderungen hat der Vorsitzende bei der Bestimmung der Termine zur Hauptverhandlung nach § 213 StPO nicht hinreichend und stringent genug Rechnung getragen. Allerdings hat er den Terminierungsplan abgestimmt nach Beweiskomplexen mit der Verteidigung zuvor abgesprochen und diese zudem aufgefordert, an weiteren zwei Verhandlungstagen in der Woche teilzunehmen.

Aufgrund der nach Erlass des Urteils festgestellten Verzögerungen (vgl. nachfolgend b) bedarf diese Frage keiner Entscheidung. Es kann deshalb vor allem dahinstehen, ob die von der Verteidigung geltend gemachten Terminskollisionen auch Ausdruck einer auf Langfristigkeit angelegten Verteidigungsstrategie gewesen sind, wofür vor allem die Häufung gestaffelter Beweisanträge nach der Ankündigung der Schließung der Beweisaufnahme im Februar 2004 und der Umstand sprechen kann, und ferner, dass diese Beweisanträge nicht gebündelt, sondern gestaffelt gestellt wurden, mit der Folge, dass diese Verzögerungen möglicherweise nicht dem Gericht anzulasten wären.

b) Jedenfalls verstoßen die nach Erlass des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 1. September 2004 entstandenen Verfahrensverzögerungen gegen das Beschleunigungsgebot und sind ausschließlich dem Gericht anzulasten.

aa) Ausdruck des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebotes bildet nach Ergehen eines strafrechtlichen Urteils auch die Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 StPO (vgl. Gollwitzer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2001, § 275 Rn. 2; vgl. auch HansOLG Hamburg, Beschluss vom 18. Oktober 1982 - 2 Ws 292/82 -, JR 1983, S. 259 f.). Mit dieser Bestimmung, die für das erkennende Gericht gestaffelt nach der Dauer der Hauptverhandlung eine Frist zur Niederlegung der schriftlichen Urteilsgründe festlegt, hat der Gesetzgeber zunächst in abstrakter Form zum Ausdruck gebracht, welchen Zeitraum er für die Fertigstellung eines Urteils nach Ende der Hauptverhandlung noch als angemessen ansieht. Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine Höchstfrist, die, vor allem in Haftsachen, das Gericht nicht von der Verpflichtung entbindet, die Urteilsgründe des bereits verkündeten Urteils unverzüglich, das heißt ohne vermeidbare justizseitige Verzögerungen, schriftlich niederzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991, NStZ 1992, S. 398 f.; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. 2005, § 275 Rn. 8; Gollwitzer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2001, § 275 Rn. 9). Das Gebot der bestmöglichen Verfahrensförderung ergreift damit auch den Prozess der Urteilserstellung.

Mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist demnach eine Vorgehensweise nicht vereinbar, die die Urteilserstellung von vornherein auf das zeitlich fixierte Ende der Frist des § 275 Abs. 1 StPO ausrichtet (vgl. BGH, a.a.O.: "Höchstfristen sind keine Regelfristen"). Ob dies im vorliegenden Verfahren der Fall war, wie der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Kammervorsitzenden vom 20. Januar 2005 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Rheinland-Pfalz geltend macht, kann dahinstehen. Jedenfalls soweit das Landgericht Koblenz in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 14. Juni 2005 darauf verweist, dass die Urteilserstellung deshalb nicht stärker habe beschleunigt werden können, weil der Richter, der als Ersatzrichter die Position des wegen Krankheit aus dem Verfahren ausgeschiedenen Berichterstatters eingenommen habe, inzwischen an den Bundesgerichtshof abgeordnet, der zweite berufsrichterliche Beisitzer zwischenzeitlich einer stark belasteten Zivilkammer zugewiesen worden war, ist dies mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen nicht vereinbar. Ebenso wie sich aus dem Beschleunigungsgebot die Pflicht des Gerichtspräsidenten ableitet, durch Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen die beschleunigte Bearbeitung von Haftsachen sicher zu stellen (vgl. BVerfGE 36, 264 <272>), folgt daraus zugleich, solche gerichtsorganisatorische Maßnahmen zu unterlassen, die einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen zuwiderlaufen. Dass im vorliegenden Verfahren bei der Urteilsabsetzung durchaus Beschleunigungsmöglichkeiten gegeben waren, zeigt indiziell auch der im Vergleich zur Dauer der Hauptverhandlung eher geringe Umfang der Urteilsgründe von 66 Seiten und deren partielle Übereinstimmung mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Mit dem diesbezüglichen Vortrag des Beschwerdeführers setzt sich das Oberlandesgericht im Beschluss vom 21. November 2005 indes nicht auseinander und verweist stattdessen pauschal auf die Einhaltung der Frist des § 275 Abs. 1 StPO.

bb) Auch nach Niederlegung der Urteilsgründe auf der Geschäftsstelle ist der weitere Verfahrensfortgang von justizseitig zu vertretenden Verfahrensverzögerungen gekennzeichnet. So ist es nicht nachvollziehbar, dass bis zur Zustellung des Urteils an den Beschwerdeführer weitere sechs Wochen vergangen sind, weil eine dem Hauptverhandlungsprotokoll beigegebene Beschlussausfertigung fehlte und diese erst in den umfangreichen Verfahrensakten gesucht werden musste. Die Erstellung eines kompletten Hauptverhandlungsprotokolls hätte, ohne dass das Oberlandesgericht hierauf näher eingegangen wäre, durchaus im unmittelbaren Anschluss an die Hauptverhandlung und damit parallel zur Erstellung der Urteilsgründe erfolgen müssen. Damit hätte eine weitere Verfahrensverzögerung von sechs Wochen vermieden werden können.

Auch der weitere Fortgang des Revisionsverfahrens ist, wie im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. November 2005 zugestanden wird, von justizseitig zu vertretenden Verfahrensverzögerungen geprägt, denen dort jedoch keine Erheblichkeit beigemessen wird. So fehlten nach Eingang der Revisionsbegründung des Beschwerdeführers bei deren Übermittlung an die Staatsanwaltschaft zunächst die Protokollbände, die erst auf eine spätere ausdrückliche Anforderung hin der Staatsanwaltschaft zugeleitet wurden. Für die Revisionsgegenerklärung gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO benötigte die Staatsanwaltschaft in der Folge statt der gesetzlich bestimmten Wochenfrist zwei Monate, was das Oberlandesgericht aufgrund des außergewöhnlichen Aufwandes als nicht unangemessen lang bewertete. Jedenfalls würde ein bei größtmöglicher Beschleunigung möglicherweise zu erzielender Zeitgewinn im Verhältnis zur Gesamtdauer des Revisionsverfahrens nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Schließlich wurde die Sachakte nach ihrer Übermittlung an den Generalbundesanwalt von diesem erneut an die Staatsanwaltschaft wegen Protokollmängeln (!) zurückgesandt, die der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer erst im Wege einer Nachbesserung beseitigen konnte. Auch die durch diese Mängelbeseitigung eingetretene Verfahrensverzögerung bewertet das Oberlandesgericht, ohne sie zeitlich einzugrenzen, als so gering, dass sie als Verletzung des Beschleunigungsgebotes nicht ins Gewicht falle. Jedenfalls könne ihr im weiteren Verfahrensgang mühelos ausgleichend Rechnung getragen werden. Ob Letzteres angesichts des grundsätzlich in Haftsachen obwaltenden Beschleunigungsgebotes verfassungsrechtlich möglich ist, kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls in der vermeidbaren Verzögerung von sechs Wochen bei der Urteilszustellung zu einem Zeitpunkt, in dem die Untersuchungshaft des Beschwerdeführers bereits mehr als fünf Jahre angedauert hatte, liegt eine erhebliche, den Strafverfolgungsbehörden zuzurechnende Verfahrensverzögerung, die das Beschleunigungsgebot verletzt. Indem das Oberlandesgericht auch eine derartige Verfahrensverzögerung billigt, beachtet es Umfang und Reichweite der grundgesetzlichen Freiheitsgarantie erneut nicht hinreichend.

c) Die aufgezeigten, das Verfahren des Beschwerdeführers prägenden Umstände sind geeignet, den Schluss auf vermeidbare, von den Gerichten zu vertretende Verfahrensverzögerungen zu tragen, die im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch die Anordnung einer Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr erlaubt.

2. Des Weiteren kommt hinzu, dass das Oberlandesgericht maßgebliche Abwägungsgrundsätze unbeachtet gelassen hat.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstärkt sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Untersuchungsgefangenen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft zunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. März 1996 - 2 Ws 86/96 -, StV 1996, S. 496; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. 2005, § 121 Rn. 19). Zum anderen steigen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund (vgl. EGMR, Urteil vom 5. Juli 2001 - Beschw.Nr. 38321/97 - Erdem, EuGRZ 2001, S. 391 <395 Rn. 47>). Dem entspricht es auch, dass in jedem Haftfortdauerbeschluss aktuelle Ausführungen zum Vorliegen eines solchen Grundes, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten sind, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände, vor allem angesichts der seit der letzten Entscheidung verstrichenen Zeit in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 2001 - 2 BvR 1316/01 -, NJW 2002, S. 207 <208>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 1999 - 2 BvR 171/99 -, StV 1999, S. 328; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. August 1998 - 2 BvR 962/98 -, StV 1999, S. 40).

Mit einer gerichtlichen Verurteilung vergrößert sich auch das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs, weil aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme die Begehung einer Straftat durch den Verurteilten als erwiesen angesehen worden ist. Der Umstand, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Einlegung eines Rechtsmittels hindert lediglich die Vollstreckung der durch das angegriffene Urteil ausgesprochenen Sanktionen bis zur Überprüfung durch das nächsthöhere Gericht. Sie beseitigt indessen nicht die Existenz des angegriffenen Urteils und damit den Umstand, dass auf der Grundlage eines gerichtlichen Verfahrens bereits ein Schuldnachweis gelungen ist. Gleichwohl rechtfertigt dieser Gesichtspunkt noch nicht, dass der Verurteilte jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Vollverbüßung der ausgesprochenen Strafe in Untersuchungshaft gehalten werden kann. Die verhängte Freiheitsstrafe stellt grundsätzlich nur ein Indiz für das Gewicht der zu verfolgenden Straftat dar. Sie kann auch deshalb nicht ohne weiteres als Maßstab für die mögliche Länge der Untersuchungshaft dienen, weil dies mit dem Resozialisierungszweck der Strafhaft in ein Spannungsverhältnis tritt. Wird die verhängte Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft zum überwiegenden Teil oder gar vollständig verbüßt, so können die im Rahmen des Vollzuges der Strafhaft möglichen Maßnahmen zur Resozialisierung nur in geringem Ausmaß oder überhaupt keine Wirkung entfalten.

b) Diesen aufgezeigten Grundsätzen entspricht es nicht, wenn das Oberlandesgericht im Beschluss vom 21. November 2005 unter Bezugnahme auf die Beschlüsse vom 23. Juni und 27. Juli 2005 bei seiner Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde bereits über einen Zeitraum von mehr als zwei Dritteln der verhängten Strafe in Untersuchungshaft befunden hat, ihm ferner die Staatsanwaltschaft im Zuge einer Verfahrensabsprache zugesichert hat, bei tadellosem Verhalten im Strafvollzug zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt einen Antrag auf bedingte Entlassung zu stellen, für die Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Relevanz beimisst. Allein der Umstand, dass über den Beschwerdeführer Erkenntnisse aus dem Strafvollzug nicht vorliegen, weil er gegen das Strafurteil Rechtsmittel eingelegt hat bzw. dass mangels Verbüßung von Strafhaft das zur Prüfung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO, § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB erforderliche Sachverständigengutachten noch nicht erstellt worden ist, vermag es nicht zu rechtfertigen, dass das Oberlandesgericht seinerseits von einer - zumindest hypothetischen - Prognose über die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung absieht. Vorliegend hätte gerade die Zusage der Staatsanwaltschaft, die offensichtlich vom Vorliegen der Voraussetzung einer Strafaussetzung zur Bewährung beim Beschwerdeführer ausgegangen war, zu einer derartigen Prognose Anlass geboten. Diesen, im Hinblick auf die bestehende Reststraferwartung relevanten Umstand, hat das Oberlandesgericht nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in seine Abwägungsentscheidung einbezogen und damit zugleich auch Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der persönlichen Freiheit verkannt.

3. Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Annahme von Fluchtgefahr wendet, rügt er die tatsächliche fachgerichtliche Würdigung des Sachverhalts, die vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht auf ihre Richtigkeit nachgeprüft wird (vgl. BVerfGE 15, 245 <247>; 18, 85 <92>; 20, 144 <150>). Gemessen am Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, das bei seiner Beurteilung der Fluchtgefahr von einer weiter zu vollstreckenden Restfreiheitsstrafe von drei Jahren ausgegangen war, ist diese Beurteilung angesichts der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers jedenfalls nicht willkürlich.

III.

1. Die angefochtene Entscheidung verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben. Das Oberlandesgericht hat unter Beachtung der aufgezeigten Gesichtspunkte unverzüglich erneut über die vom Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde zu entscheiden. Dabei wird es zu beachten haben, dass die festgestellten Verletzungen des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen eine weitere Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr rechtfertigen und die Strafjustiz darüber hinaus durch die in der Hauptverhandlung vom 1. September 2004 getroffene und protokollierte Verständigung im Hinblick auf eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Dieser besitzt, ungeachtet des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor in Untersuchungs- und nicht in Strafhaft befindet, im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung erhebliches Gewicht. Auf die Bindungswirkung stattgebender Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wird Bezug genommen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2005 - 2 BvR 1964/05 - <Juris>).

2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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