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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 06.07.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 206/04
Rechtsgebiete: BVerfGG, KostO, GBO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
KostO §§ 60 ff.
KostO § 14 Abs. 3 Satz 2
KostO § 18 Abs. 1
KostO § 26
GBO § 32
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 20 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 104 a ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 206/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen die Beschlüsse des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 12. Januar 2004 - 3 W 224/03, 3 W 228/03 und 3 W 229/03 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 6. Juli 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob grundbuchrechtliche Kostenrechnungen im Sinne der §§ 60 ff. KostO den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften der Art. 104 a ff. GG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzen.

I.

Die Grundbuchämter Kandel und Landau stellten den Beschwerdeführern für ihre Eintragung als Eigentümer bzw. für die Eintragung von Vormerkungen im Grundbuch unter Anknüpfung an den Wert des Geschäfts gemäß §§ 60 ff. i.V.m. § 18 Abs. 1 KostO verschiedene Kostenrechnungen. Nach erfolglosen Erinnerungen und Beschwerden wies das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken die vom Landgericht Landau in der Pfalz gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO zugelassenen weiteren Beschwerden der Beschwerdeführer mit drei Beschlüssen vom 12. Januar 2004 zurück. Es ging - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - davon aus, dass die Ermittlung der grundbuchrechtlichen Gebühren nach dem Wert des jeweiligen Grundstücks verfassungsgemäß sei, und verwies zur Begründung im Wesentlichen auf seinen Beschluss vom 12. November 2002 (Beschluss des PfälzOLG Zweibrücken vom 12. November 2002 - 3 W 213/02; Rpfleger 2003, S. 271).

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet und hat daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>).

Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Ihre besondere Zweckbestimmung, Einnahmen zu erzielen, um speziell die Kosten der individuell zurechenbaren Leistung ganz oder teilweise zu decken, unterscheidet die Gebühr regelmäßig von der Steuer als voraussetzungslos geschuldeter Abgabe (vgl. BVerfGE 93, 319 <343>). Gebühren für staatliche Leistungen dürfen nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden; die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Gebührenhöhe muss sachgerecht sein (vgl. BVerfGE 50, 217 <227>). Bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden können, gebietet der Gleichheitssatz, dass die Gebührenmaßstäbe und -sätze in den Grenzen der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 50, 217 <227>). Die im Einzelnen auferlegte Gebühr darf jedoch nicht außer Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken stehen (vgl. BVerfGE 85, 337 <346>). Aus der Zweckbestimmung der Gebühr ergibt sich keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die tatsächlichen Kosten einer staatlichen Leistung. Art. 3 Abs. 1 GG steht weder einer Unterdeckung noch einer Überdeckung der Kosten durch die Gebühren von vornherein entgegen. Mit Gebührenregelungen dürfen neben der Kostendeckung auch andere Zwecke verfolgt werden; auch der Wert einer staatlichen Leistung für deren Empfänger darf sich in Gebührenmaßstäben niederschlagen (vgl. BVerfGE 108, 1 <18>; 97, 332 <345>; 93, 319 <344>).

Um im Interesse des Fiskus angemessene Gebühren zu gewährleisten, ist der Gesetzgeber berechtigt, Gebühren nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gebührenpflichtigen unterschiedlich auszugestalten. Derartige Gründe für die Ausgestaltung der Gebührenerhebung finden ihren Rückhalt im verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und im Justizgewährungsanspruch, der durch Art. 19 Abs. 4 und durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 80, 103 <107>).

Die Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104 a ff. GG) lässt Gebühren und Abgaben als herkömmliche nichtsteuerliche Abgaben zu, ohne dass ihnen grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstünden (vgl. BVerfGE 93, 319 <343,344>). Dem Kostendeckungsprinzip kommt hingegen kein verfassungsrechtlicher Rang zu (vgl. BVerfGE 97, 332 <345>).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verletzt die Anknüpfung der Gebührenhöhe grundbuchrechtlicher Eintragungen nach den §§ 60 ff. KostO an den Wert des Geschäfts gemäß § 18 Abs. 1 KostO weder den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG noch das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG noch die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften der Art. 104 a ff. GG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Im Gegensatz zu dem mit Senatsurteil für nichtig erklärten Rückmeldegebühren an Universitäten des Landes Baden-Württemberg (vgl. BVerfGE 108, 1), die allein für die Bearbeitung der Rückmeldung erhoben wurden, handelt es sich bei den am Wert eines Grundstücks ausgerichteten Gebühren des Grundbuchrechts im Sinne der §§ 60 ff. i.V.m. § 18 Abs. 1 KostO um keine reinen Bearbeitungsgebühren, sondern um komplexe, einer Vielzahl von Zielen dienende Gebühren. Sie gleichen neben dem Bearbeitungsaufwand auch den Aufwand für Sachinvestitionen und für allgemein mit der Grundbuchführung verbundene Investitionen, den Aufwand für die Abgleichung des Grundbuchs mit anderen öffentlichen Registern, insbesondere den Liegenschaftskatastern, das Haftungsrisiko der öffentlichen Hand entsprechend dem Nennbetrag der Schuld, den Ausgleich zwischen nicht kostendeckenden Eintragungen mit niedrigem Geschäftswert durch kostendeckende Eintragungen mit hohem Geschäftswert und auch den Wert der grundbuchrechtlichen Eintragung eines Rechts für den Leistungsempfänger selbst aus (vgl. Beschlüsse des PfälzOLG Zweibrücken vom 12. November 2002 - 3 W 213/02 -, Rpfleger 2003, S. 271 sowie des BayObLG München vom 6. Dezember 2000 - 3Z BR 280/00, NJW-RR 2001, S. 880).

Diese verschiedenen Ausgleichsziele berechtigen den Gesetzgeber, die Grundbuchgebühren als Wertgebühren auszugestalten, ohne dass hierbei die Gebühr unabhängig von der Staatsleistung festgesetzt wird. Der Gesetzgeber beachtet den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, indem er die Gebührenmaßstäbe und -sätze in den Grenzen der Wirtschaftlichkeit so auswählt und staffelt, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Indem der Gesetzgeber die grundbuchrechtlichen Gebühren an den Grundstückswerten ausrichtet, achtet er des Weiteren darauf, dass angemessene Gebühren erzielt werden. Diese am wirtschaftlichen Wert ausgerichtete Gebührenerhebung findet ihren Rückhalt im Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG sowie im Justizgewährungsanspruch, der durch Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet ist.

Ist die grundbuchrechtliche Wertgebühr neben dem Bearbeitungs- und Sachaufwand durch weitere zulässige Ausgleichsziele sachlich gerechtfertigt, ist Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht deshalb verletzt, weil im Ausgangsfall nicht die für Handelsregistergebühren im Sinne des § 26 KostO geltenden Grundsätze zugrunde gelegt worden sind, die die Gebühren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der - vorliegend nicht einschlägigen - Gesellschaftssteuerrichtlinie (RL 69/335 EWG) auf die tatsächlich anfallenden Kosten begrenzen und die Erhebung indirekter Steuern auf die Ansammlung von Kapital untersagen (vgl. EUGH-Urteile vom 2. Dezember 1997 - Rs C-188/95, ZIP 1998, S. 206 und vom 29. September 1999 - Rs C-56/98, ZIP 1999, S. 1681; EUGH-Beschluss vom 21. März 2002 - Rs C-264/00 -, ZIP 2002, S. 663).

Schließlich wird die Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung durch die grundbuchrechtlichen Wertgebühren auch insoweit gewahrt, als die in § 32 GBO geregelte Gebührendegression bei höheren Grundbuchwerten einen übermäßigen Gebührenanstieg vermeidet.

Demgegenüber können die Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit der grundbuchrechtlichen Gebühren nicht auf ein Kostendeckungsprinzip stützen. Dem Kostendeckungsprinzip kommt verfassungsrechtlicher Rang nicht zu. Vielmehr handelt es sich um ein dem einfachen Recht zuzuordnendes Prinzip, das einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nur beschränkt zugänglich ist.

Im Übrigen wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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