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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 16.10.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 2072/01
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG, StPO


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
StPO § 200
StPO § 207
StPO § 265
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2072/01 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Besschluss des Bundesgerichtshof vom 24. Oktober 2001 - 2 StR 282/01 -,

b) das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 14. August 2000 - 2030 Js 59457/98 - 3 Ks -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 16. Oktober 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Rüge einer Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin auf ein faires und rechtsstaatliches Strafverfahren ist jedenfalls unbegründet.

a) Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes gewährleistet über die speziellen Verfahrensgrundrechte hinaus in Verbindung mit dem Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG das Recht jedes Beschuldigten auf ein faires und rechtsstaatliches Strafverfahren (BVerfGE 57, 250 <274 f.>; 63, 45 <60>; stRspr). Zwar enthält dieses allgemeine Prozessgrundrecht keine ins Einzelne gehenden Gebote und Verbote. Seine Konkretisierung ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, der für den Strafprozess durch die Vorschriften der §§ 200, 207 und 265 StPO dafür Sorge getragen hat, dass der Beschuldigte über den ihm zur Last gelegten Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht informiert ist und seine Verteidigung darauf einrichten kann. Darüber hinaus sind die Fachgerichte verpflichtet, das Gebot fairen Verfahrens bei Auslegung der Verfahrensvorschriften und ihrer Anwendung im Einzelfall näher zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 63, 45 <61>). Erst dann, wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eindeutig ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Mindesterfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus ihm konkrete Folgerungen für die Ausgestaltung des Verfahrens abgeleitet werden (BVerfGE 57, 250 <275 f.>).

b) Hier liegt ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verfahrens nicht vor. Der Beschwerdeführerin war mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ein Verbrechen der Beihilfe zum Mord an der durch ihren Bruder ausgeführten Tötung der Ehefrau ihres Geliebten zur Last gelegt worden. Sie hatte ihrem Bruder nicht nur den vereinbarten Geldbetrag für die Ausführung der Tat überreicht, sondern ihm darüber hinaus einen Lageplan der Wohnung des Tatopfers, in der die Tat ausgeführt werden sollte, aufgezeichnet und ihm schließlich unmittelbar vor Tatbegehung auf einem Blatt Papier notiert, unter welchem Vorwand er sich Zugang zur Wohnung des arg- und wehrlosen Tatopfers verschaffen solle.

Nachdem ihr Bruder vor Beginn der Hauptverhandlung im Rahmen einer Exploration gegenüber der Sachverständigen seine Angaben hinsichtlich des Tatbeitrags der Beschwerdeführerin erweitert und angegeben hatte, dass sie ihn maßgeblich zur Tatausführung gedrängt und mit ihrer Selbsttötung gedroht habe, diese Angaben in der Hauptverhandlung wiederholt und die Beschwerdeführerin die Richtigkeit dieser Angaben bestätigt hat, hat die Staatsanwaltschaft angeregt, gemäß § 265 Abs. 1 StPO darauf hinzuweisen, dass auch eine Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes in Betracht komme.

Das Schwurgericht ist dieser Anregung gefolgt. Dass es sich dabei auf die Wiedergabe des gesetzlichen Wortlauts beschränkt hat, ist angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vor diesem gerichtlichen Hinweis abgegebene ausführliche Stellungnahme des Verteidigers zeigte, dass er über die zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen - die er zu entkräften suchte - nicht im Zweifel war. Spätestens mit der ausführlich begründeten Ablehnung des Aussetzungsantrags durch das Gericht wusste die Beschwerdeführerin, dass das Gericht aufgrund ihres von ihrem Bruder beschriebenen und von ihr eingeräumten Beitrags zum Tatgeschehen eine mittäterschaftliche Begehungsweise in Betracht ziehe. Nach alledem kann von einem "verfassungswidrigen Verschweigen des Anklagevorwurfs" nicht die Rede sein.

2. Die Rüge einer Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht zulässig erhoben. Die Beschwerdeführerin hat es versäumt darzulegen, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (vgl. BVerfGE 28, 17 <20>; 91, 1 <25 f.>; stRspr). Daher kann nicht geprüft werden, ob die angegriffenen Entscheidungen auf einem möglichen Gehörsverstoß beruhen könnten.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (vgl. § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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