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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 2085/05
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2085/05 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. November 2005 - 1 StR 450/05 -

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Horst-Hermann Hofmann

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 16. Februar 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

I.

Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG beanstandet, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Der Beschwerdeführer hat insoweit den Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht beachtet, weil er seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit des Mordmerkmals der Heimtücke nicht bereits im fachgerichtlichen Verfahren vorgetragen hatte. Zwar braucht ein Beschwerdeführer bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht darzulegen, dass er von Beginn des fachgerichtlichen Verfahrens an verfassungsrechtliche Erwägungen vorgetragen habe, weil das fachgerichtliche Verfahren nicht bereits als "Verfassungsprozess" zu führen ist; etwas anderes gilt aber in den Fällen, in denen, wie hier, der Ausgang des Verfahrens von der Verfassungswidrigkeit einer Norm abhängt oder eine bestimmte Normauslegung angestrebt wird, die ohne verfassungsrechtliche Erwägungen nicht begründbar ist (vgl. BVerfGE 112, 50, 61 f.).

II.

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

1. Die Verwertung der Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem Oberstaatsanwalt und Ermittlungsrichter begründet keinen Verstoß gegen sein Recht auf ein faires Verfahren.

a) Aus dem Prozessgrundrecht auf eine faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), dessen Wurzeln in der freiheitssichernden Funktion der Grundrechte liegen (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>), ergeben sich Mindesterfordernisse für eine Verfahrensregelung, die eine zuverlässige und rechtsstaatliche Wahrheitsforschung im prozessualen Hauptverfahren sicherstellen. Erst wenn rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Prinzip konkrete Folgerungen für die Verfahrensgestaltung gezogen werden (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 70, 297 <309>; 86, 288 <317 f.>). Dabei besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig sei (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2000 - 2 BvR 75/94 -, NJW 2000, S. 3557 und vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1502/04 -, NStZ 2006, S. 46 <47>).

b) Danach stand der Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren der Verwertung seiner früheren Angaben nicht entgegen, weil hier schon keine fehlerhafte Beweiserhebung vorlag.

aa) Die Strafverfolgungsbehörden waren nicht wegen Vernehmungsunfähigkeit des Beschwerdeführers gehindert, diesen als Beschuldigten zu vernehmen, zumal seiner Vorführung vor dem Ermittlungsrichter eine amtsärztliche Untersuchung vorausgegangen war, aufgrund derer der Amtsarzt dem Beschwerdeführer eine Verhandlungs- und Vernehmungsfähigkeit sowohl für die wenige Stunden zuvor durchgeführte staatsanwaltschaftliche Vernehmung als auch für die anstehende richterliche Anhörung attestierte.

bb) Ein Verwertungsverbot ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Beschwerdeführer zunächst kein Pflichtverteidiger beigeordnet worden war. Der vernehmende Staatsanwalt hatte den Beschwerdeführer umfassend über sein Schweigerecht und sein Recht auf jederzeitige Konsultation eines Anwalts belehrt und auch die Möglichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung angesprochen. Ausweislich des Vernehmungsprotokolls hatte der Beschwerdeführer hierauf jedoch verzichtet und freiwillig das Tatgeschehen geschildert.

Ebenso war der Beschwerdeführer vor seiner richterlichen Vernehmung umfassend belehrt worden. Da der von ihm erwünschte Anwalt erklärt hatte, zwar die Verteidigung zu übernehmen, der richterlichen Vernehmung aber nicht beiwohnen zu wollen, hätte der Beschwerdeführer entweder einen anderen Verteidiger beauftragen oder von seinem Schweigerecht Gebrauch machen können. Bei dieser Sachlage war der Staat verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer gegen dessen erklärten Willen einen anderen Verteidiger an die Seite zu stellen.

2. Soweit sich der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gegen die Anwendung des Mordmerkmals der "Heimtücke" wendet, ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.

Von Verfassungs wegen ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht neben der Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers auch das Vorliegen einer in feindlicher Willensrichtung ausgeführten Tathandlung bejaht hat. Den Ausnahmefall, dass ein Täter Familienangehörige mit sich in den Tod nehmen will, weil er in seiner Verblendung meint, zu deren Besten zu handeln, hat das Tatgericht mit einer tragfähigen Begründung ausgeschlossen.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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