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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.09.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 2105/03
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
StPO §§ 102 ff.
GG Art. 13 Abs. 1
GG Art. 13 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2105/03 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Landgerichts München II vom 31. Oktober 2003 - 1 JQs 38/03 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 2. Dezember 2002 - Gs 322/02 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 28. September 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund fehlt (§§ 93a Abs. 2, 93b BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt ihr nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers, denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Auslegung und Anwendung von Strafvollstreckungsrecht ist Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, soweit bei der angegriffenen Entscheidung nicht Willkür vorliegt oder spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, möglicherweise fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten liegen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 34, 369 <379>). Nur in diesen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidungen der Fachgerichte aufheben.

2. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Durchsuchung von Wohnungen sind geklärt.

a) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 59, 95 <97>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Dieser Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE 20, 162 <223>; 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>; 103, 142 <150 f.>). Das Grundgesetz geht davon aus, dass Richter auf Grund ihrer persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und ihrer strikten Unterwerfung unter das Gesetz die Rechte der Betroffenen im Einzelfall am besten und sichersten wahren können. Wird die Durchsuchung - wie regelmäßig - ohne vorherige Anhörung des Betroffenen angeordnet, so soll die Einschaltung des Richters auch dafür sorgen, dass die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 103, 142 <151>). Dies verlangt eine eigenverantwortliche richterliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen. Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist keine bloße Formsache (vgl. BVerfGE 57, 346 <355>).

b) Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 103, 142 <151>). Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>; 103, 142 <151 f.>). Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>). Der Schutz der Privatsphäre, die auch von übermäßigen Maßnahmen im Rahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein kann, darf nicht allein dem Ermessen der mit der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Beamten überlassen bleiben (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). Ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 44, 353 <371>; 45, 82; 50, 48 <49>; 71, 64 <65>).

c) Schließlich verlangt die Schwere des Eingriffs eine besondere Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung. Sie muss nicht nur in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen, sondern es muss auch gerade diese Zwangsmaßnahme in dem angeordneten Umfang zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat, die Gegenstand des Verdachts ist, erforderlich sein (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).

3. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts und der ihn bestätigende Beschluss des Landgerichts noch gerecht. Die Grenze der Willkür ist noch nicht überschritten.

a) Die vom Amtsgericht verwendeten Formulare drängen zwar geradezu zu einer zu oberflächlichen Darlegung der Durchsuchungsvoraussetzungen, bei der zweifelhaft bleiben kann, ob eine der Funktion des Richtervorbehalts gerecht werdende eigenverantwortliche Überprüfung stattgefunden hat. Die Angabe der "§§ 102 ff." StPO lässt die für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit maßgebliche Differenzierung zwischen Durchsuchungen beim Verdächtigen (§ 102 StPO) und beim Unbeteiligten (§ 103 StPO) gerade offen.

Das führt hier jedoch ausnahmsweise nicht zur Beanstandung, weil das Amtsgericht im Rubrum und in den Beschlussgründen deutlich werden lässt, dass sich gegen den von der Durchsuchung Betroffenen ein Tatverdacht richtet. Die Beschwerdeentscheidung hat dies noch einmal klargestellt.

b) Die ebenfalls vorgedruckte Anordnung, die "zur Sache gehörenden, sichergestellten Gegenstände" zu beschlagnahmen, kann den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit des Durchsuchungszwecks nur gerecht werden, weil der Tatvorwurf denkbar einfach strukturiert ist, sich nämlich auf den Besitz bestimmter Gegenstände richtet, so dass allein daraus deutlich wird, dass gerade nach diesen Gegenständen zu suchen ist.

c) Die inhaltliche Bestimmtheit der Formulierung des Tatverdachts, zu der die Beschwerdeentscheidung nichts Zusätzliches beiträgt, genügt den Anforderungen nur unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles. Es werden weder eine Tatzeit noch die Art der angeblich verwahrten Betäubungsmittel angegeben. Die zur Individualisierung der Tat grundsätzlich unerlässliche Angabe der Tatzeit (vgl. § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO) kann hier nur deshalb entbehrt werden, weil sich der Vorwurf auf die noch unbeendete Begehung eines Dauerdelikts richtet, für dessen Vorwerfbarkeit der Beginn nicht maßgeblich ist. Die fehlende Bezeichnung der Betäubungsmittel kann hingenommen werden, weil allein diese Gattungsbezeichnung auch für juristische Laien aussagekräftig ist und weil es auf eine Differenzierung zwischen erlaubten und verbotenen Betäubungsmitteln oder zwischen mehreren verbotenen Mitteln im hier zu entscheidenden Fall nicht ankommt.

d) Die Falschbezeichnung der maßgeblichen Norm (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 statt Nr. 3 BtMG) schadet nicht, weil der auf Besitz gerichtete Vorwurf ausreichend deutlich formuliert ist.

e) Schließlich ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch beachtet. Der durch eine Zeugenaussage begründete Verdacht einer Teilnahme an Drogendelikten ist hinreichend gewichtig, um eine Wohnungsdurchsuchung zu rechtfertigen. Die Angaben des P. waren auch nicht derart vage und unpräzise, dass sie von vornherein als unglaubwürdig hätten angesehen werden müssen. Dass sich der Tatverdacht später nicht bestätigte, steht einer Durchsuchung grundsätzlich nicht entgegen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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