Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 2124/01
Rechtsgebiete: BVerfGG, VwGO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 7
GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 6 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2124/01 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 22. November 2001 - A 9 K 11351/01 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Broß, Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 9. Januar 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen gegenwärtig nicht vor. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entgegen; der Rechtsweg ist nicht erschöpft.

1. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität muss eine Verfassungsbeschwerde erforderlich sein, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Dies ist nicht der Fall, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (vgl. BVerfGE 22, 287 <290 ff.>; 81, 97 <102>). Denn die Verfassungsbeschwerde soll letzter, nur auf den Schutz der Grundrechte und bestimmter grundrechtsähnlicher Rechte beschränkter verfassungsrechtlicher Rechtsschutz sein, der lediglich dann eingreift, wenn die sonstigen Möglichkeiten zur allgemeinen richterlichen Nachprüfung bis zur letzten Instanz hin erschöpft sind (vgl. BVerfGE 9, 3 <7>; 10, 89 <98>). Dies ist nicht der Fall, wenn der Beschwerdeführer von einem zulässigen Rechtsmittel noch keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfGE 21, 94 <96>; 54, 53 <65>). Zu diesen Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen im weiteren Sinne gehört auch der Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. BVerfGE 70, 180 <185>, seither stRspr).

Die Beschwerdeführerin muss deshalb zunächst einen Änderungsantrag entsprechend § 80 Abs. 7 VwGO beim Verwaltungsgericht Sigmaringen stellen, um eine Beseitigung der sinngemäß geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zu erreichen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 4. Oktober 1994 - 2 BvR 2838/93, NVwZ-Beilage 1995, S. 2; siehe auch Roeser/Hänlein, NVwZ 1995, S. 1082 <1084>).

2. Werden - wie hier - neben der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch weitere Grundrechtsverletzungen gerügt, so bietet das Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zugleich Gelegenheit, auch diese verfassungsrechtlichen Mängel zu beseitigen, selbst wenn sie mit dem geltend gemachten Gehörsverstoß nicht notwendig in Zusammenhang stehen (vgl. BVerfG NVwZ-Beilage 1998, S. 81; BVerfG NVwZ 1998, S. 1174). Die Rüge einer Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität unzulässig, da noch kein Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO durchgeführt wurde. Die Verfassungsbeschwerde ist daher gegenwärtig auch insoweit unzulässig (vgl. hierzu Roeser/Hänlein, NVwZ 1995, S. 1082 <1085>).

3. Zur Vermeidung einer Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wird das Verwaltungsgericht Sigmaringen im Rahmen eines etwaigen Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO zu prüfen haben, ob Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Herstellung der Familieneinheit zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Eltern im Bundesgebiet erfordern oder ob entsprechende Schritte des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit dem Ziel der Übernahme des hier lebenden Vaters der Beschwerdeführerin in die Niederlande genügen (vgl. hierzu ausführlich Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, § 29 Rn. 38 bis 39).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück