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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 22.09.2009
Aktenzeichen: 2 BvR 2136/09
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 38 Abs. 1
GG Art. 38 Abs. 2
GG Art. 45
BVerfGG § 23 Abs. 1
BVerfGG § 92
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

die Richter Broß, Di Fabio und Landau

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG

in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 22. September 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon (BGBl 2008 II S. 1038) und die am 8. September 2009 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Begleitgesetze.

I.

Das Bundesverfassungsgericht hat eines der ursprünglichen Begleitgesetze zum Vertrag von Lissabon - das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (BTDrucks 16/8489) - insoweit für verfassungswidrig erklärt, als Beteiligungsrechte der deutschen Gesetzgebungsorgane in Rechtssetzungs- und Vertragsänderungsverfahren der Europäischen Union nicht hinreichend ausgestaltet worden waren. Es hat zugleich entschieden, dass die Ratifikationsurkunde der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Lissabon vor Inkrafttreten der von Verfassungs wegen erforderlichen gesetzlichen Ausgestaltung der Beteiligungsrechte nicht hinterlegt werden darf (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 -, NJW 2009, S. 2276).

Der Deutsche Bundestag hat die bestehenden Regelungen überarbeitet und am 8. September 2009 die im Rubrum näher bezeichneten Begleitgesetze verabschiedet. Der Bundesrat hat diesen Begleitgesetzen am 18. September 2009 zugestimmt.

II.

Mit seiner am 17. September 2009 eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 38 Abs. 1 und Abs. 2 GG durch das Zustimmungsgesetz und die Begleitgesetze. Die Rechtssicherheit, dass der Vertrag von Lissabon so angewandt werde, wie ihn das Bundesverfassungsgericht ausgelegt habe, sei nur gewährleistet, wenn die völkerrechtliche Ratifikation des Vertrags von Lissabon mit einem entsprechenden völkerrechtlichen Vorbehalt der Bundesrepublik Deutschland versehen werde.

Die Begleitgesetze versetzten den Bundestag nicht in die Lage, seine Integrationsverantwortung wahrzunehmen. Diesen Vorwurf macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen an der zentralen Stellung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union fest. Wenn Art. 45 GG nicht reformiert oder aufgehoben werden würde, könnten die Begleitgesetze den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 nicht entsprechen.

Daneben setzt der Beschwerdeführer sich mit einzelnen Bestimmungen der Begleitgesetze auseinander.

III.

1.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die Frage der Vereinbarkeit des Zustimmungsgesetzes zum Vertrag von Lissabon mit dem Demokratieprinzip hinreichend geklärt ist (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 2009, a.a.O.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist - mangels Aussicht auf Erfolg - auch nicht zur Durchsetzung von Art. 38 Abs. 1 und Abs. 2 GG angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.> ). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

a)

Soweit der Beschwerdeführer das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon angreift, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den sich aus § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ergebenden Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Behauptung des Beschwerdeführers in dem von ihm gerügten grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 und Abs. 2 GG.

Dabei kann die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland bei der Ratifikation des Vertrags von Lissabon nach Art. 19 Buchstabe c des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl 1985 II S. 926) überhaupt einen völkerrechtlichen Vorbehalt anbringen dürfte, dahinstehen, da nach dem Vortrag des Beschwerdeführers jedenfalls kein verfassungsrechtlicher Bedarf für einen solchen Vorbehalt erkennbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 entschieden, dass das Zustimmungsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die europäische Integration ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts über den Vertrag von Lissabon verfassungskonform realisierbar, soweit die gesetzgebenden Körperschaften ihrer Integrationsverantwortung nachkommen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 2009, a.a.O., Rn. 207).

b)

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Begleitgesetze richtet, fehlt es bereits an einem Akt der öffentlichen Gewalt, der Rechte des Beschwerdeführers berühren könnte (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 112, 363 <366 f.>). Da der Bundesrat den Begleitgesetzen erst am 18. September 2009 zugestimmt hat, waren die Begleitgesetze im Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde noch nicht einmal zu Stande gekommen. Der Beschwerdeführer trägt ferner nicht hinreichend substantiiert nach § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG vor, dass er durch die Begleitgesetze in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt sein könnte.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Versuch, die Verfassungswidrigkeit der Begleitgesetze in ihrer Gesamtheit mit der Verfassungswidrigkeit von Art. 45 GG zu begründen. Soweit der Vortrag des Beschwerdeführers dahingehend zu verstehen ist, dass er implizit das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2086) und das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 23, 45 und 93) vom 8. Oktober 2008 (BGBl I S. 1926) angreifen möchte, ist sein Vortrag - ungeachtet der Verkennung des besonderen Prüfungsmaßstabs für verfassungsändernde Gesetze - im Hinblick auf das Gesetz vom 21. Dezember 1992 jedenfalls verfristet (§ 93 Abs. 3 BVerfGG) und im Hinblick auf das Gesetz vom 8. Oktober 2008 jedenfalls nicht schutzwürdig. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom 8. Oktober 2008 bereits in einem früheren Verfassungsbeschwerdeverfahren des Beschwerdeführers festgestellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009, a.a.O., Rn. 401).

Die Darlegungsanforderungen sind aber auch nicht insoweit erfüllt, als der Beschwerdeführer sich gegen einzelne Bestimmungen der Begleitgesetze wendet. Selbst wenn die erweiterten Unterrichtungs-, Übersendungs- und Berichtspflichten der Bundesregierung befürchten ließen, dass der Bundestag von einer Papierflut von Vorhaben der Europäischen Union überschwemmt würde, ist damit noch nicht schlüssig dargelegt, dass der Bundestag seiner Integrationsverantwortung besser gerecht werden könnte, wenn er weniger umfangreich informiert werden würde.

2.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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