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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 2215/01
Rechtsgebiete: GG, VerfSchl.-H.


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 2
VerfSchl.-H. Art. 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2215/01 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen das Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und des Jugendförderungsgesetzes vom 19. Dezember 2000 (GVOBl Schl.-H. 2001 S. 2)

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. März 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Der Beschwerdeführer, ein schleswig-holsteinischer Kreis, wendet sich gegen eine Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich in Schleswig-Holstein (Finanzausgleichsgesetz - FAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1999 (GVOBl Schl.-H. S. 47), geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 1999 (GVOBl Schl.-H. 2000 S. 2). Er greift eine pauschale Kürzung der Finanzausgleichsmasse an.

A.

I.

Zur Umsetzung der Bestimmungen des Art. 106 Abs. 7 GG sieht das schleswig-holsteinische Finanzausgleichsgesetz - ähnlich den Ausgleichssystemen anderer Länder - allgemeine Finanzzuweisungen und Zweckzuweisungen des Landes an die Gemeinden und Kreise vor. Gegenstand dieser Zuweisung ist ein als Finanzausgleichsmasse bezeichneter Gesamtbetrag, dessen Berechnungsweise - soweit sie in diesem Verfahren von Interesse ist - § 5 Abs. 1 Satz 1 FAG regelt: Die Summe aus dem Landesanteil an den Gemeinschaftsteuern (Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG), dem Aufkommen der Landessteuern (Art. 106 Abs. 2 GG) und den Einnahmen des Landes aus Länderfinanzausgleichs- und Bundeszuweisungen (Art. 107 Abs. 2 GG) bildet die Verbundgrundlagen. Dieser Betrag wird mit einem durch das Gesetz festgelegten Verbundsatz multipliziert. Der sich so ergebende Betrag wurde durch § 5 Abs. 1 Satz 1 FAG in der Fassung vor der hier angegriffenen Änderung durch die Bestimmung

"zuzüglich eines Betrages von jährlich 11,54 Millionen DM ... abzüglich eines Betrages von jährlich 50 Millionen DM in den Finanzausgleichsjahren 1999 und 2000"

weiter verändert und bildete nach diesem Zu- und Abzug die Finanzausgleichsmasse.

Durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichgesetzes und des Jugendförderungsgesetzes vom 19. Dezember 2000 (GVOBl Schl.-H. 2001 S. 2) - im Folgenden kurz: Änderungsgesetz - wurde unter anderem der zeitliche Geltungsbereich und der Betrag des durch § 5 Abs. 1 Satz 1 FAG geregelten pauschalen Abzuges erweitert. Nach dem unverändert gebliebenen Hinzurechnen von jährlich 11,54 Millionen DM heißt es nun:

"abzüglich eines Betrages von jährlich 75 Millionen DM in den Finanzausgleichsjahren 2001 bis 2004 sowie zuzüglich eines Betrages von jährlich 15 Millionen DM in den Jahren 2001 bis 2004, der der Finanzausgleichsmasse ... aus dem Vermögen des Kommunalen Investitionsfonds zugeführt wird".

Gegen diese Änderung des pauschalen Abzuges zur Berechnung der Finanzausgleichsmasse wendet sich der Beschwerdeführer.

II.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 GG und des rechtsstaatlichen Willkürverbots sowie von Art. 49 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (VerfSchl.-H.).

Er trägt vor, seine Einnahmeentwicklung habe mit der Ausgabenentwicklung in den Bereichen der Sozialhilfe sowie des Kinder- und Jugendhilferechts nicht Schritt halten können. Fast zwei Drittel der allgemeinen Deckungsmittel aus Schlüsselzuweisungen und Kreisumlage würden hierfür aufgewendet. Es sei ihm in den letzten Jahren nicht gelungen, durch Einsparungen und Veräußerungserlöse seinen Haushalt nachhaltig zu konsolidieren. Trotz der strukturellen Probleme der kommunalen Haushalte habe der Landesgesetzgeber die Finanzausgleichsmasse weiter gekürzt.

Von dieser Kürzung sei der Beschwerdeführer unmittelbar betroffen, weil ihm hierdurch jährlich rund 2,2 Millionen DM weniger Finanzmittel zur Verfügung stünden. Dies verletze sein Recht auf Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG. Der Schutz der Selbstverwaltungsgarantie umfasse in seiner Ausprägung als kommunale Finanzhoheit auch eine aufgabenangemessene finanzielle Mindestausstattung. Die kommunale Selbstverwaltung könne sich nur wirksam entfalten, wenn Gemeinden und Gemeindeverbände über hinreichende finanzielle Mittel verfügten. Die Finanzausstattung einer Kommune genüge den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG nicht mehr, wenn nicht wenigstens fünf bis zehn Prozent der insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel auf freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben verwandt werden könnten. Dies bezeichnet der Beschwerdeführer als "freie Spitze". Diese Grenze sei bei ihm unterschritten.

Dem Land stehe bei der Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs zwar ein gesetzgeberisches Ermessen zu. Dessen Grenzen seien aber nicht nur durch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes gebunden. Der Gesetzgeber müsse wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit staatlicher und kommunaler Aufgaben das Gebot der Verteilungssymmetrie beachten. Er dürfe seinen Haushalt nicht einseitig zu Ungunsten der Kommunen entlasten, solange die Möglichkeit bestehe, den Bestand an gesetzlich vorgesehenen Kommunalaufgaben abzubauen, um die Leistungsfähigkeit der Kommunen zu erhalten. Hierfür bedürfe es im Gesetzgebungsverfahren einer sorgfältigen Analyse der Aufgaben- und Ausgabenlast sowie der zu erwartenden Einnahmen von Land und Kommunen. Diesen Vorgaben werde das angefochtene Gesetz nicht gerecht. Aus den Gesetzesmaterialien sei nicht erkennbar, dass die kommunalen Interessen bei der Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens angemessen gewürdigt worden seien.

Die undifferenzierte Kürzung der Finanzausgleichsmasse um jährlich 75 Millionen DM verletze zudem das Konnexitätsprinzip des Art. 49 Abs. 2 VerfSchl.-H.

B.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund fehlt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt ihr nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 28 GG. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

I.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung etwaiger Rechte aus den Art. 46, 47, 48 und 49 VerfSchl.-H. geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer einen ungeeigneten Prüfungsmaßstab benannt hat. Die so genannte Kommunalverfassungsbeschwerde kann sich ausschließlich auf eine Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung aus Art. 28 GG stützen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, § 91 Satz 1 BVerfGG). Eine andere Verfahrensart, die die Überprüfung eines Landesgesetzes auf die Vereinbarkeit mit der Landesverfassung ermöglicht hätte, steht dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung. Im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (Art. 99 GG, Art. 44 Nr. 2 VerfSchl.-H.) ist der Beschwerdeführer nicht antragsberechtigt.

II.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 28 Abs. 2 GG rügt, ist seine Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen an eine ausreichend substantiierte Begründung genügt (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).

1. In der Begründung einer Verfassungsbeschwerde ist der angegriffene Hoheitsakt genau zu bezeichnen (vgl. BVerfGE 8, 141 <142>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine Rechtsnorm, so reicht es deshalb regelmäßig nicht aus, das gesamte Gesetz anzugreifen. Notwendig ist vielmehr die genaue Bezeichnung der einzelnen mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Bestimmungen (vgl. BVerfGE 103, 332 <345>; 109, 279 <305>). Mit einer in diesem Sinne ausreichend genauen Bezeichnung seines Angriffsziels wendet sich der Beschwerdeführer allein gegen Art. 1 Nr. 1 des Änderungsgesetzes und auch dies nur, soweit die pauschale Kürzung der Finanzausgleichsmasse geändert wird. Der Beschwerdeführer benennt nur diese Norm ausdrücklich, und er führt die Einschränkung seiner Finanzhoheit allein auf die pauschale Kürzung zurück, nicht auch auf andere durch das Änderungsgesetz eingeführte oder geänderte Regelungen.

2. Der Beschwerdeführer hat nicht ausreichend dargelegt, dass die durch Art. 1 Nr. 1 des Änderungsgesetzes vorgenommene Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 60 Millionen DM sein Recht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 Halbsatz 1 GG verletzen könnte.

a) Der Beschwerdeführer setzt zunächst einen rechtlich zutreffenden Ausgangspunkt voraus:

Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG haben die Gemeindeverbände, zu denen jedenfalls die Kreise gehören, im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Anders als den Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) wird ihnen aber kein bestimmter Aufgabenbereich gewährleistet (vgl. BVerfGE 21, 117 <128 f.>; 23, 353 <365>; 79, 127 <150>). Die Zuweisung eines Aufgabenbereichs obliegt allein dem Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 79, 127 <150 f.>; 83, 363 <383>). Bei dieser Zuweisung darf es sich nicht durchweg um an sich staatliche Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises handeln. Der Gesetzgeber muss den Kreisen vielmehr auch bestimmte Aufgaben als eigene Selbstverwaltungsaufgaben, also als kreiskommunale Aufgaben des eigenen Wirkungskreises, zuweisen (vgl. BVerfGE 83, 363 <383>).

Zum Recht auf Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG gehört auch die Finanzhoheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <208>; 23, 353 <365 ff.>; 26, 172 <180 ff.>; 26, 228 <244>; 52, 95 <117>; 83, 363 <385 f.>). Sie garantiert den Gemeinden und ebenso den Gemeindeverbänden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens (vgl. auch ThürVerfGH, Urteil vom 21. Juni 2005 - VerfGH 28/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 665). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bisher nicht entschieden, ob über eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft hinaus zu der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten kommunalen Finanzhoheit auch eine angemessene Finanzausstattung oder jedenfalls eine finanzielle Mindestausstattung gehört (vgl. BVerfGE 26, 172 <181>; 71, 25 <36>; 83, 363 <386>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. September 1994 - 2 BvR 1547/85 -, NVwZ 1995, S. 370 <371>; Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Januar 1999 - 2 BvR 929/97 -, NVwZ 1999, S. 520 <521>, und vom 26. Februar 1999 - 2 BvR 1268/96 -, DVBl 1999, S. 840). Auch aus Anlass dieses Verfahrens braucht nicht entschieden zu werden, ob Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG die Gewährleistung der Selbstverwaltung sachlich erweitert oder wenigstens materiell-rechtlich verstärkt hat.

b) Der Beschwerdeführer hat es nämlich jedenfalls versäumt, substantiiert darzulegen, dass seine Finanzausstattung gerade durch die ihn treffenden Folgen der Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 60 Millionen DM einer Mindestausstattung zur eigenverantwortlichen Erledigung von Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr gerecht werde.

aa) Zu einem eine solche Behauptung ausreichend substantiiert begründenden Vortrag gehört zum einen die Darlegung, welchen Gesamtumfang die Finanzausstattung des Beschwerdeführers hat und zu welcher Minderung die angegriffene Vorschrift führt (vgl. BVerfGE 71, 25 <37>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 1999 - 2 BvR 1268/96 -, DVBl 1999, S. 840). Schon insoweit weist der Vortrag des Beschwerdeführers Lücken auf.

(1) Den Gesamtumfang seiner Einnahmen und Ausgaben hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Er hat sich auf eine Auflistung der Entwicklung allein der Schlüsselzuweisungen und der Kreisumlage beschränkt. Damit ist ein Überblick über die Haushaltslage oder wenigstens über die Zusammensetzung und Entwicklung der Einnahmen nicht zu erlangen. Eine Vorstellung darüber, welche weiteren Zuweisungen aus dem Finanzausgleich neben den Schlüsselzuweisungen der Beschwerdeführer eventuell vereinnahmt (vgl. §§ 16, 24, 25, 25 b, 25 d, 27 FAG), kann sein Vortrag nicht vermitteln. Er ermöglicht auch keine Prüfung, ob das Erschließen von Einnahmemöglichkeiten überprüft und gegebenenfalls verbessert wurde. Dazu hätte etwa eine Darstellung des Gebührenhaushalts Ansatzpunkte bieten können. Sachliche Gründe für diese Darlegungsmängel sind dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer nicht innerhalb der Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG seine Haushaltspläne oder wenigstens deren Vorberichte (§ 3 GemHVO) für die Jahre vor und nach dem Wirksamwerden der angegriffenen Kürzung der Finanzausgleichsmasse hätte vorlegen und auf dieser Grundlage einen vollständigen Überblick über Stand und Entwicklung seiner Haushaltswirtschaft mit der Verfassungsbeschwerde hätte vortragen können.

(2) Auch die Berechnung der Auswirkung der angegriffenen Kürzung durch bloßes Multiplizieren der verschiedenen Umlagesätze mit dem Kürzungsbetrag und Zusammenrechnen dieser Beträge greift zu kurz. Der Beschwerdeführer hätte darlegen müssen, dass sich die Auswirkungen der Veränderungen des Finanzausgleichs auf diese Kürzung beschränkt. Es ist nicht selbstverständlich, sondern bedarf der Darlegung, ob andere, zugleich mit der angegriffenen Kürzung vorgenommene Veränderungen zu Mehreinnahmen und damit zum teilweisen Ausgleich der Kürzung geführt haben. So hat etwa Art. 1 Nr. 5 des Änderungsgesetzes eine Neuregelung über Zuweisungen zu den Jugendhilfekosten der Kreise eingeführt (§ 25 d FAG), und Art. 1 Nr. 8 des Änderungsgesetzes hat die Kreise am Aufkommen etwaiger Finanzausgleichsumlagen ihrer Gemeinden beteiligt (§ 30 Abs. 1 Satz 2 FAG).

bb) Zum anderen hätte der Beschwerdeführer im einzelnen darlegen müssen, dass er wegen der Minderung der Landeszuweisungen die ihm obliegenden Aufgaben - gegebenenfalls nach einem Überdenken der Prioritäten - nicht mehr angemessen oder im erforderlichen Mindestmaß erfüllen kann (vgl. BVerfGE 71, 25 <37>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. September 1994 - 2 BvR 1547/85 -, NVwZ 1995, S. 370 <371>; Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Januar 1999 - 2 BvR 929/97 -, NVwZ 1999, S. 520 <521>, und vom 26. Februar 1999 - 2 BvR 1268/96 -, DVBl 1999, S. 840). Der Vortrag des Beschwerdeführers, seine Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben seien unter fünf Prozent der bereinigten Ausgaben des Verwaltungshaushalts gesunken, eignet sich dazu in mehrfacher Hinsicht nicht.

(1) Der Beschwerdeführer bezeichnet den von ihm berechneten Anteil der Ausgaben für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben an den bereinigten Gesamtausgaben des Verwaltungshaushalts als "freie Finanzspitze". Damit verwendet er eine für die Darlegung einer finanziellen Mindestausstattung ungeeignete Maßzahl. Die freie Spitze bezeichnet nach der eingeführten Begriffsbildung den die Mindest- oder Pflichtzuführung (§ 21 Abs. 1 GemHVO) übersteigenden Teil der Zuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt. Im schleswig-holsteinischen kommunalen Haushaltsrecht wird dafür der Begriff des "freien Finanzspielraums" verwendet (§ 44 Nr. 8 GemHVO). Die freie Spitze steht für Investitionen und Investitionsförderungen zur Verfügung; sie kennzeichnet die dafür bestehende Leistungsfähigkeit nach Berücksichtigung aller konsumtiven Ausgaben und der Aufwendungen für Kreditbeschaffung und -tilgung. Wenn eine freie Spitze vorhanden ist, ist damit aber noch nichts darüber ausgesagt, dass sie für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stünde. Der gegebene Investitionsspielraum kann für Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises verbraucht werden müssen, etwa für den Schul- und Kindergartenbau. Ebenso besagt das Fehlen einer freien Spitze nichts darüber, dass freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben nicht wahrgenommen würden. Sie können, etwa durch Personal- oder Betriebskosten, zu hohen Ausgaben des Verwaltungshaushalts geführt haben, die mehr als die Pflichtzuführung zum Vermögenshaushalt nicht zulassen.

(2) Aber auch der vom Beschwerdeführer verwendete Anteil der Aufwendungen für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben an den bereinigten Ausgaben des Verwaltungshaushalts eignet sich nicht, um einen Spielraum bei der Aufgabenerledigung oder dessen Fehlen zu kennzeichnen. Träfe es zu, dass ein gewisser Anteil - nach Auffassung des Beschwerdeführers: fünf Prozent - der Ausgaben des Verwaltungshaushalts für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung stehen muss, um eine finanzielle Mindestausstattung der Kommune annehmen zu können, dann würde sie durch rigorose Ausgabenkürzungen - etwa bei den Personal- und Betriebskosten und den zu diesen Aufwendungen geleisteten Zuschüssen an Dritte - ihren garantierten Spielraum für die Erledigung freiwilliger Aufgaben einengen statt erweitern. Mit der Senkung der Ausgaben des Verwaltungshaushaltes sinkt nämlich auch der nach einem bestimmten Anteil berechnete Betrag, den der Beschwerdeführer als für die Erledigung freiwilliger Aufgaben garantiert ansehen möchte.

(3) Der Beschwerdeführer vernachlässigt aber mit der Verengung seiner Darlegung auf freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben auch den Gehalt der Garantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG. In der Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben ist der Beschwerdeführer nicht durch Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG geschützt, sondern allein durch landesgesetzliche Zuweisung (§ 2 Abs. 1 KrO). Anders als die allzuständigen Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) sind die Kreise auf eine gesetzliche Aufgabenausstattung angewiesen. Durch Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ist der Landesgesetzgeber nur gehalten, bestimmte Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung und nicht nur zur Erledigung nach Weisung zuzuweisen (vgl. BVerfGE 83, 363 <383>). Er ist aber von Verfassungs wegen nicht gehindert, zugewiesene Aufgaben wieder zu entziehen, solange ein Mindestbestand an kreiskommunalen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises verbleibt.

Diese Garantie eines Mindestbestandes richtet sich nicht nur auf die freiwilligen, sondern auch auf die pflichtigen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises (vgl. § 2 Abs. 2 KrO). Der Darlegung einer Verletzung dieser Garantie hat der Beschwerdeführer daher nicht gerecht werden können, da er zum einen einen gewissen Bestand an freiwilligen Aufgaben noch vorweist und zum anderen keinen Überblick über die von ihm erledigten Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises verschafft.

(4) Schließlich legt der Beschwerdeführer auch nicht ausreichend dar, ob und inwieweit ein besseres Ausschöpfen von Einnahmequellen die Verminderung der Schlüsselzuweisungen des Landes ausgleichen könnte. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, in welcher Höhe die Kosten des Betriebes der von ihm vorgehaltenen öffentlichen Einrichtungen durch Gebühren gedeckt sind und ob sich dieser Deckungsgrad erhöhen lässt. Auch zu einer etwaigen Erhöhung der Kreisumlage (§ 28 FAG) trägt der Beschwerdeführer nur sehr oberflächlich vor. Zwar trifft sein Einwand zu, dass er in Bezug auf das Recht auf Selbstverwaltung und angemessene Finanzausstattung (Art. 28 Abs. 2 GG), das er gegenüber dem Land geltend macht, den Gemeinden nun als Verpflichteter gegenübertritt. Aber die darauf aufgebauten Darlegungen lassen nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer eine Erhöhung der Kreisumlage wenigstens ernsthaft in Betracht gezogen hätte. Der Vortrag, eine Erhöhung der Kreisumlage würde wegen der Finanzschwäche der Gemeinden die Haushaltsprobleme nur auf die gemeindliche Ebene verlagern, bleibt zu pauschal. Dass sieben Gemeinden auf Fehlbetragszuweisungen (§ 16 FAG) angewiesen seien, bleibt ohne hinreichende Aussagekraft, da nicht einmal mitgeteilt wird, wie viele Gemeinden dem Beschwerdeführer angehören. Wenn der Beschwerdeführer vorträgt, viele seiner Gemeinden glichen ihre Verwaltungshaushalte durch den Rückgriff auf Rücklagen aus, so ist damit zwar eine Notmaßnahme beschrieben (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 GemHVO), nicht aber eine Situation, in der ein Haushaltsausgleich nicht mehr zu bewerkstelligen wäre. In welcher Höhe die Gemeinden noch über Rücklagen verfügen, bleibt unerwähnt. Konkrete Angaben über die Finanzschwäche der Gemeinden fehlen ebenso wie eine Darlegung der Bemühungen, zu denen der Beschwerdeführer die Gemeinden angehalten haben könnte, um Haushaltsnotlagen durch Begrenzung der Ausgaben und wirksameres Ausschöpfen der Einnahmequellen zu beheben.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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