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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 2231/07
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 14 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2231/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 27. September 2007 - 1 Ws 175-176/07 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 17. November 2007 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; sie hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie unbegründet ist.
1. Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Erlass einer eigenen Sachentscheidung nach § 309 Abs. 2 StPO ohne Zurückverweisung an das Landgericht war nicht von willkürlichen Erwägungen bestimmt. Willkür liegt nur vor, wenn die Entscheidung eines Gerichts sich bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Dies war im vorliegenden Zusammenhang nicht der Fall. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht nicht von einem schwerwiegenden Verfahrensfehler ausgegangen ist, den das Beschwerdegericht nicht in einer das Erstgericht ersetzenden Weise hätte beheben können.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch insoweit unbegründet, als der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG rügt.
a) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht im Zulassungsverfahren nach § 111g Abs. 2 StPO (in der ab 1. Januar 2007 geltenden Fassung) lediglich geprüft hat, ob die "E." einen aus der Straftat des Beschwerdeführers gegen diesen erwachsenen Anspruch geltend machte. Dies entspricht dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift des § 111g Abs. 2 StPO. Die Zulassung der Zwangsvollstreckung nach dieser Vorschrift soll dem aus der Straftat Verletzten über die zugunsten des Staates erfolgten Sicherungsmaßnahmen hinweghelfen und ihm eine vorrangige Befriedigung vor anderen Gläubigern des Täters ermöglichen (vgl. BTDrucks 16/700, S. 13). Nach § 111g Abs. 2 StPO ist lediglich zu prüfen, ob der titulierte Anspruch aus derjenigen Straftat des Beschuldigten erwachsen ist, deretwegen der dingliche Arrest angeordnet und in den Gegenstand, in den vollstreckt werden soll, vollzogen wurde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 111g Rn. 3). Das Verfahren dient ausschließlich der Klärung, ob der Antragsteller zu dem privilegierten Personenkreis gehört (BGH, Urteil vom 6. April 2000 - IX ZR 442/98 -, ZIP 2000, S. 901 <902>). Die Zulassungsentscheidung stellt keine Voraussetzung für die Vollstreckung des Verletzten in die durch den Staat sichergestellten Vermögensgegenstände dar; etwaige Vollstreckungsmaßnahmen vor der Zulassungsentscheidung sind wegen des relativen Veräußerungsverbots zugunsten des Staates lediglich relativ unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 - IX ZR 442/98 -, ZIP 2000, S. 901 <902>; OLG Köln, Beschluss vom 7. Mai 2003 - 2 Ws 170/03, 2 Ws 171/03 -, NJW 2003, S. 2546 <2548>). Die Zulassungsentscheidung bewirkt, dass die Vollziehung eines dinglichen Arrests durch den Staat zur Sicherung des Verfalls von Wertersatz eine Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung durch den Verletzten wegen eines Ersatzanspruches gegen den Beschuldigten nicht hindert (§ 111g Abs. 1 StPO) und das zugunsten des Staates entstandene relative Verfügungsverbot rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Vollziehung des dinglichen Arrests auch zugunsten des Verletzten gilt (§ 111g Abs. 3 StPO). Damit wird der Verletzte einer Straftat im Verhältnis zu anderen Gläubigern des Täters privilegiert, die nach der Vollziehung des Arrests, aber noch vor der Vollstreckung durch den Verletzten in das arrestierte Vermögen vollstrecken.
Mit dieser einfachrechtlichen Rechtslage setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. So beanstandet er, dass das Oberlandesgericht im Rahmen der notwendigen Ermessensausübung nicht berücksichtigt habe, dass die insolvente "E." die Zwangsvollstreckung aus einem in einem zivilprozessualen Arrestverfahren ergangenen Kostentitel betreibe und im Falle einer für den Beschwerdeführer günstigen späteren Entscheidung in der Hauptsache die vollstreckten Beträge unwiederbringlich verloren wären. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass die behaupteten Nachteile bereits nach einfachem Recht nicht auf die Wirkungen der angegriffenen Zulassungsentscheidung zurückzuführen sind, sondern sich aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen des zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsrechts ergeben. Zudem können die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten vermögensrechtlichen Gefährdungen durch eine Vollstreckung der "E." bereits deshalb nicht hinreichend sicher beurteilt werden, weil der Beschwerdeführer weder die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Hamburg und des Amtsgerichts Hamburg noch die diesen Beschlüssen zugrunde liegenden Entscheidungen vorgelegt hat.
b) Aus den dargelegten Gründen kann auch die Rüge des Beschwerdeführers, eine Abwägung im konkreten Fall hätte die Unzulässigkeit des "Rangrücktritts" ergeben müssen, keinen Erfolg haben.
c) Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass die mit der Zulassungsentscheidung verbundene Privilegierung der "E." unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Arrestbeschlusses in unveränderter Höhe zu einer "Übersicherung" und zu einer doppelten Inanspruchnahme durch die "E." und die Freie und Hansestadt Hamburg führe, lassen sich dem Beschwerdevorbringen keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art. 14 GG entnehmen. In dem Arrestbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 25. August 2004 wurde nach Entscheidungsausspruch und Begründung sowohl wegen des Anspruchs auf Verfall von Wertersatz als auch wegen der Ansprüche der Geschädigten der dingliche Arrest in das Vermögen des Beschwerdeführers angeordnet. Mit der angegriffenen Zulassungsentscheidung überließ der Staat der "E." lediglich eine Rechtsposition, die durch Vollziehung des dinglichen Arrests in Forderungen und Ansprüche des Beschwerdeführers gegen die Bank L. erworben worden war. Weder das Ausmaß des in das Vermögen des Beschwerdeführers angeordneten dinglichen Arrests noch Anzahl oder Umfang der (durch Pfändung) verstrickten Vermögensgegenstände wurden durch die Zulassungsentscheidung nach § 111g StPO berührt. Inwieweit sich hieraus trotzdem eine "Übersicherung" bzw. die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme ergeben soll, wurde vom Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar aufgezeigt.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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