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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 17.03.1999
Aktenzeichen: 2 BvR 2248/98
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO, GKG, JVKostO


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
StPO § 465 Abs. 1
StPO § 464 a Abs. 1 Satz 2
StPO § 126 a
GKG § 1
GKG § 11 Abs. 1
JVKostO § 10 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2248/98 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn H...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Hartmut Wächtler und Koll., Rottmannstraße 11a, München -

gegen

a) den Beschluß des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 17. November 1998 - Ws 809/98 -,

b) den Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 15. Juli 1997 - Ks 140 Js 3862/94 VRs -,

c) die Kostenentscheidung der Staatsanwaltschaft bbei dem Landgericht Regensbur vom 7. Februar 1997 - 47 VRs 3862/94 -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Winter, Hassemer gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 17. März 1999 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß gegen den Beschwerdeführer die Kosten für die gegen ihn vollzogene vorläufige Unterbringung und für den Vollzug von Untersuchungshaft auf der Grundlage der §§ 465 Abs. 1, 464 a Abs. 1 Satz 2 StPO, §§ 1 Abs. 1, 11 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9011 des Kostenverzeichnisses geltend gemacht werden.

Die Auslegung und Anwendung der genannten Vorschriften obliegt den zuständigen Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht kann erst dann tätig werden, wenn die Gerichte übersehen, daß ihre Entscheidung Grundrechte berührt, wenn sie Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigen oder wenn sie sonst aus sachfremden und damit objektiv willkürlichen Gründen entscheiden (BVerfGE 18, 85 <92 f.>; stRspr). Mängel dieser Art weisen die angegriffenen Entscheidungen nicht auf.

1. Die den fachgerichtlichen Entscheidungen zugrundeliegende Auffassung, Kosten für die einstweilige Unterbringung nach § 126 a StPO sowie für den Vollzug von Untersuchungshaft gehörten im Falle der Verurteilung zu den vom Verurteilten zu tragenden Kosten, entspricht verbreiteter Ansicht (Kleinknecht/ Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 464 a, Rn. 2; Franke, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Aufl. 1999, § 464 a, Rn. 4; Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 464 a, Rn. 16; Paulus, in: KMR, StPO, 17. Lfg. 1998, § 464 a, Rn. 5; Krehl, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 1999, § 464 a, Rn. 2; Volckart, in: AK-StVollzG, 3. Aufl. 1990, § 189, Rn. 19; LG Koblenz, JurBüro 1997, S. 205). Sie beruht damit jedenfalls auf vertretbaren, keinesfalls willkürlichen Erwägungen (Art. 3 Abs. 1 GG) und steht auch im übrigen mit dem Grundgesetz in Einklang. Ob der gegenteiligen Meinung, ein Haftkostenbeitrag werde nicht erhoben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O., § 119, Rn. 39; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, a. a. O., § 119, Rn. 71; Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 119, Rn. 109; Müller, in: KMR, a. a. O., § 119, Rn. 37; Paeffgen, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 17. Aufbau-Lfg. 1998, § 119, Rn. 59; Pfeiffer, StPO, 2. Aufl. 1999, § 119, Rn. 18; Lemke, in: Heidelberger Kommentar zur StPO, a. a. O., § 119, Rn. 49; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 7. Aufl. 1998, § 177, Rn. 2), der Vorzug einzuräumen ist, hat nicht das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden.

2. Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 2 und 3 GG wird nicht dadurch berührt, daß die Pflicht zur Tragung von Kosten der Untersuchungshaft von der Prüfung abhängig ist, ob der Verurteilte während der Untersuchungshaft gearbeitet hat oder nicht (vgl. dazu BVerfGE 83, 119 <126, 127>). Zureichender Grund für die Übernahme der nach § 464 a StPO genannten Kosten ist allein der Umstand, daß der Verurteilte durch sein Verhalten Anlaß zur Durchführung eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens gegeben hat (vgl. BVerfGE 18, 302 <304>; 31, 137 <139>). Demgegenüber erweist sich das auf das Kostenverzeichnis Nr. 9011 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 1 JVKostO gestützte Absehen von der Geltendmachung dieser Kosten als bloße Möglichkeit für den Verurteilten, bei Ableistung von Arbeit der bei einer Verurteilung auf ihn zukommenden Kostentragungspflicht zu entgehen. Von einem gemäß Art. 12 Abs. 2 und 3 GG verbotenen Zwang zur Arbeitsleistung kann nicht die Rede sein, weil lediglich mittels freiwilliger Arbeit die Gelegenheit eröffnet wird, den möglichen Eintritt von Nachteilen im Falle einer Verurteilung zu vermeiden. Dies steht im übrigen im Einklang mit den Regelungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung, die bestimmt, daß der Untersuchungshaftgefangene nicht zur Arbeit verpflichtet ist, auf Verlangen aber Gelegenheit zur Arbeit erhalten kann (Nr. 42, 43 Abs. 1 UVollzO).

3. Die Annahme einer Kostentragungspflicht für den Verurteilten, der in der Untersuchungshaft nicht gearbeitet hat, stellt auch gegenüber nicht arbeitenden Strafgefangenen keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG dar. § 1 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9011 des Kostenverzeichnisses erlaubt die Ansetzung von Kosten für Untersuchungs-haft und vorläufige Unterbringung nur insoweit, als sie nach den für die Freiheitsstrafe geltenden Vorschriften zu erheben wäre. Sie dient damit geradezu der Gleichbehandlung von Verurteilten, die sich einerseits vor, andererseits nach Rechtskraft der Verurteilung in staatlicher Verwahrung befunden haben.

4. Auch ein Verstoß gegen das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Resozialisierungsinteresse des Beschwerdeführers läßt sich nicht feststellen. Dieses Interesse richtet sich zwar nicht nur darauf, vor schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs im Rahmen des Möglichen bewahrt zu werden, sondern zielt außerdem darauf ab, Rahmenbedingungen herzustellen, die einer Bewährung und Wiedereingliederung förderlich sind (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 36, 174 <188>; 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <272 f.>; stRspr). Doch beeinträchtigt die Erhebung von Kosten für einstweilige Unterbringung in Untersuchungshaft nicht zwangsläufig die Wiedereingliederung des Verurteilten. Es kommt nämlich in jedem Einzelfall darauf an, ob dem Verurteilten genügend Mittel aus sonstigen Einkünften oder aus Vermögen zur Erfüllung des Anspruchs zur Verfügung stehen und zugleich gewährleistet ist, daß hinreichend Geldmittel nach der Entlassung vorhanden sind (vgl. Volckart, a. a. O., § 189, Rn. 11). Dem trägt § 10 Abs. 1 Satz 4 JVKostO dadurch Rechnung, daß die Geltendmachung des nach Satz 1 bestehenden Anspruchs ausgeschlossen wird, wenn ansonsten die Wiedereingliederung des Verurteilten gefährdet wäre. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Haftkostenansatz insoweit die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers beeinträchtigen könnte, hat dieser weder vor den Fachgerichten noch im Verfassungsbeschwerde-Verfahren vorgetragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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