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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 25.02.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 2356/99
Rechtsgebiete: BVerfGG
Vorschriften:
BVerfGG § 19 Abs. 1 | |
BVerfGG § 19 Abs. 3 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2356/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn M...
- Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Waltraut Müller, Viereckweg 52, Berlin -
gegen
a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1999 - 5 StR 732/98 -,
b) das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. März 1998 - (531) 26 Js 1/95 Ks (9/95) -
hier: Selbstablehnung der Richterin Präsidentin Limbach
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Hassemer, Broß, Di Fabio
am 25. Februar 2000 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Selbstablehnung der Richterin Präsidentin Limbach wird für begründet erklärt.
Gründe:
I.
1. Der Beschwerdeführer - früherer Offizier der NVA der DDR und Stellvertreter des Kommandeurs sowie Leiter der Politabteilung des Grenzkommandos Mitte der DDR - wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen seine strafgerichtliche Verurteilung wegen Totschlags. Gegenstand des Strafverfahrens war die Tötung von Flüchtlingen an der innerdeutschen Grenze.
2. Die Richterin Präsidentin Limbach hat ersucht, sie gemäß § 19 Abs. 1 und 3 BVerfGG von einer Teilnahme an der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zu entbinden. Sie hat dazu erklärt:
Ich habe mich während meiner Tätigkeit als Berliner Justizsenatorin sehr nachdrücklich und wiederholt in der Öffentlichkeit und in meinem Amt für den Einsatz und die Arbeitsfähigkeit der Arbeitsgruppe Regierungskriminalität bei der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht Berlin engagiert. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat die Anklage gegen den oben genannten Beschwerdeführer erhoben. Auch habe ich mich wiederholt über die Strafbarkeit des Missbrauchs staatlicher Gewalt in der DDR in Vorträgen, Interviews und Zeitschriften geäußert. Diese Umstände können meines Erachtens geeignet sein, Zweifel an meiner Unbefangenheit entstehen zu lassen.
II.
Die Selbstablehnung ist begründet.
Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE 88, 1 <4>; stRspr). Dies ist hier der Fall.
Die Richterin war als Justizsenatorin in Berlin unter anderem auch für die Arbeitsgruppe Regierungskriminalität bei der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht verantwortlich. Sie hat sich in ihrem Amt engagiert für die Einrichtung und die Wirksamkeit dieser Behörde eingesetzt und bis in die letzte Zeit vor ihrem Amtsantritt als Richterin des Bundesverfassungsgerichts in zahlreichen politischen Äußerungen zum Ausdruck gebracht, dass sie die Anordnungen der staatlichen Führung der DDR, auf denen die Tötung von so genannten "Republikflüchtlingen" an der innerdeutschen Grenze durch Minen, Selbstschussanlagen und den Schusswaffengebrauch der Grenztruppen beruhte, als strafbares Unrecht ansehe, dessen Verfolgung durch die Strafjustiz eine notwendige und für die Rechtskultur wichtige Aufgabe sei (vgl. etwa DtZ 1993, S. 66 ff.). Ihre dieser Auffassung entsprechende Amtsführung als Justizsenatorin prägte in hohem Maße ihr Bild in der politisch interessierten Öffentlichkeit. Entscheidend kommt hinzu, dass die Richterin als Justizsenatorin mit besonderem Nachdruck als Befürworterin der verfassungsrechtlichen These hervorgetreten ist, dass das Verfassungsrecht der Strafverfolgung des Beschwerdeführers wegen der in Rede stehenden Taten nicht entgegenstehe. Gerade über diese - umstrittene - These wird in dem Verfassungsbeschwerde-Verfahren zu befinden sein.
Eine Besorgnis des Beschwerdeführers, dass die Richterin diese Frage nicht mehr offen und unbefangen beurteilen werde, ist unter diesen Umständen nachvollziehbar.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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