Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 2556/07
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
StPO § 354 Abs. 1a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2556/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. November 2007 - 1 Ss 507/07 -,

b) das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2007 - 34 Ns 92 Js 80389/04 -,

c) das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 13. Dezember 2006 - 18 Cs 92 Js 80389/04 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. Januar 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Soweit das Urteil des Amtsgerichts angegriffen wird, fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis. Diese Entscheidung ist durch das Berufungsurteil des Landgerichts prozessual überholt.

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert.

a) Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erfolglos Anhörungsrüge (§ 356a StPO) erhoben und damit den Rechtsweg erschöpft hat (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

Dazu war er gehalten, denn in der Sache rügt er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Mit dem Vortrag im Verfassungsbeschwerdeverfahren, der Hinweis des Oberlandesgerichts auf das beabsichtigte Vorgehen nach § 354 Abs. 1a StPO habe ihm mangels konkreter Ausführungen zur "Angemessenheit" der Strafe eine Verteidigung gegen die die Strafzumessungsentscheidung des Revisionsgerichts tragenden Erwägungen unmöglich gemacht, wird in der Sache ebenso eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wie mit dem weiteren Vortrag, die Begründung der Angemessenheit der Strafe im Revisionsverwerfungsbeschluss lasse wesentliche Argumente aus seiner Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis unberücksichtigt.

Machte der Beschwerdeführer danach eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, war er gehalten, Anhörungsrüge zu erheben. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 14. Juni 2007 entschieden, dass die Hinweis- und Anhörungspflicht eines Revisionsgerichts, das eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO beabsichtigt, der Wahrung rechtlichen Gehörs dient, und hat bei Verletzung dieses Anspruchs ausdrücklich auf die nachträgliche Korrektur von Gehörsverstößen durch die Anhörungsrüge hingewiesen, die lediglich eine primäre Verfahrenssicherung nicht regelhaft ersetzen könne (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05, 2 BvR 135/05 -, NJW 2007, S. 2977 <2981>, Abs.-Nr. 101). Versäumnisse des Revisionsgerichts bei Erteilung des verfassungsrechtlich gebotenen Hinweises hat der Angeklagte im Wege der Anhörungsrüge geltend zu machen. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - berechtigte Zweifel bestehen, ob ein erteilter Hinweis den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht wird, etwa, weil der Hinweis mangels konkreter Ausführungen zur "Angemessenheit" der Strafe trotz Rechtsfolgenzumessungsfehlern des Tatgerichts für den Angeklagten nicht deutlich werden lässt, warum das Revisionsgericht meint, nach § 354 Abs. 1a StPO verfahren zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05, 2 BvR 135/05 -, NJW 2007, S. 2977 <2981>, Abs.-Nr. 98-99).

Die Anhörungsrüge war nicht von vornherein aussichtslos. Dies gilt auch für die Rüge des Beschwerdeführers, das Revisionsgericht habe sich mit wesentlichem Vorbringen aus seiner Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis nicht auseinandergesetzt. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht, weshalb aus der fehlenden Bescheidung von Vorbringen nur bei greifbaren Anhaltspunkten auf dessen Nichtberücksichtigung geschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 96, 205 <216 f.>; stRspr). Auf solche greifbaren Anhaltspunkte konnte sich der Beschwerdeführer hier allerdings stützen. Er hatte auf den Hinweis hin umfangreich vorgetragen, weshalb die Strafe nach Wegfall des einzigen vom Landgericht berücksichtigten Strafschärfungsgrundes nicht weiterhin angemessen sein könne. Hiermit setzt sich das Oberlandesgericht in dem angegriffenen Beschluss nicht auseinander, sondern belässt es wie schon in seinem Hinweis bei pauschalen Ausführungen zur fortbestehenden Tat- und Schuldangemessenheit der Strafe, ohne dass für den Beschwerdeführer erkennbar gewesen wäre, dass das Revisionsgericht die vom Landgericht berücksichtigten Strafmilderungsgründe weniger stark gewichten wollte. Dass das Gericht das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen beziehungsweise nicht erwogen habe, war vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht auszuschließen.

b) Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch mit Blick auf die übrigen als verletzt gerügten Grundrechte, insbesondere den Anspruch auf ein faires Verfahren und das Recht auf den gesetzlichen Richter. Das Versäumnis der Erhebung der Anhörungsrüge hat grundsätzlich zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, NJW 2005, S. 3059 f.). Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde insoweit auch nicht hinreichend begründet. Der Beschwerdeführer hat die auf den Hinweis des Oberlandesgerichts zum beabsichtigten Verfahren nach § 354 Abs. 1a StPO eingegangene Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nicht vorgelegt. Auf diese nimmt das Oberlandesgericht im Revisionsverwerfungsbeschluss ausdrücklich Bezug. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Stellungnahme Erwägungen enthält, die die Entscheidung des Oberlandesgerichts zur fortbestehenden Angemessenheit der Strafe nachvollziehbar machen und damit einen Verstoß gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren und den gesetzlichen Richter ausschließen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück