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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 13.02.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 2707/93
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG, StGB/DDR, StrRehaG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 93a Abs. 2
StGB/DDR § 249
StrRehaG § 1 Abs. 1 Nr. 1
StrRehaG § 1 Abs. 1
StrRehaG § 1 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2707/93 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

der Frau M...

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Alfred Steiding, Präsidentenstraße 47, Neuruppin -

gegen

a) den Beschluss des Kammergerichts vom 15. November 1993 - 3 Ws 639/93 REHA -, b) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22. September 1993 - (552 Rh) 4 Js 430/93 (30/93) -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Di Fabio gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 13. Februar 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ihr keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt und die Annahme auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Die ihnen zu Grunde liegende Norm des § 1 Abs. 1 StrRehaG, insbesondere die dort vorgesehene Beschränkung der Rehabilitierung auf DDR-Entscheidungen, die mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind, ist verfassungsgemäß (Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999 - 2 BvR 1533/94 -, Umdruck S. 21 f.). Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Straftatbestand des § 249 StGB/DDR ("Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten") nicht in den Regelkatalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG aufgenommen hat. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass Verurteilungen der DDR-Gerichte nach dieser Norm in der Regel die in der Völkerrechtsgemeinschaft anerkannten Menschenrechte in schwer wiegender Weise missachtet hätten (vgl. dazu Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 1999 - 2 BvR 1533/94 -, Umdruck S. 20, 22). Die Ausführungen in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Lehrbuch des Strafrechts der DDR zur Gesellschaftsfeindlichkeit der Asozialität geben dafür nichts her. Ebenso wenig ist dargelegt oder ersichtlich, dass Verurteilungen nach § 249 StGB/DDR in der Regel mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG genannten Fällen vergleichbar wären und deshalb nach dem Gleichheitssatz in den Regelkatalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG hätten aufgenommen werden müssen.

2. Die Rehabilitierungsgerichte haben auch bei der Auslegung der Generalklausel des § 1 Abs. 1 StrRehaG keine Grundrechte der Beschwerdeführerin verletzt. Das Landgericht hat dargelegt, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Diebstähle und der Verletzung der Unterhaltspflicht wegen Verhaltensweisen zur Verantwortung gezogen worden sei, die auch nach geltendem Recht mit Strafe bedroht seien. Hinsichtlich der Verurteilungen wegen § 249 Abs. 1 StGB/DDR sei keine politische Willkür ersichtlich, das abgeurteilte Verhalten der Beschwerdeführerin stelle sich nicht als politische, gegen das DDR-System gerichtete, Haltung dar. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Selbst wenn ein anderes Fachgericht die Ansicht vertreten haben sollte, Verurteilungen wegen § 249 StGB/DDR seien schlechthin rechtsstaatswidrig und daher zu rehabilitieren, so ergäbe sich daraus noch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Abweichende Auslegungen derselben Norm durch verschiedene Gerichte verletzen das Gleichbehandlungsgebot nicht (BVerfGE 87, 273 <278>; 98, 17 <48>).

Die Gerichte haben auch bei der Versagung der Rehabilitierung hinsichtlich des Urteils des Stadtbezirksgerichts Berlin-Pankow vom 26. November 1974 weder Bedeutung und Tragweite der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verkannt (BVerfGE 18, 85 <93>) noch das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil des Stadtbezirksgerichts die in der Völkerrechtsgemeinschaft anerkannten Menschenrechte in schwer wiegender Weise missachtet hätte und deshalb unter der Wertordnung des Grundgesetzes keinen Bestand haben könnte (vgl. Urteil des Zweiten Senats vom 7. Dezember 1999, Umdruck S. 20) und die Versagung der Rehabilitierung die Beschwerdeführerin in ihrer Menschenwürde verletzte, gibt es auch nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht. Das Stadtbezirksgericht hatte festgestellt, dass die Beschwerdeführerin keinen Unterhalt für ihre Tochter und keine Miete gezahlt hatte, aus Arbeitsunlust ihre Arbeit aufgegeben hatte und der Prostitution nachgegangen war, und sie deshalb wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten verurteilt.

Außerdem war die Beschwerdeführerin mehrfachen Diebstahls zum Nachteil von Nachbarn und ihrer Mutter für schuldig befunden worden. Dass die Rehabilitierungsgerichte angesichts dieser Verstöße, die, wie das Landgericht dargelegt hat, zum Teil auch nach geltendem Recht strafbar wären, angenommen haben, die Rechtsfolge der zweijährigen Arbeitserziehung stehe nicht in grobem Missverhältnis zu den zu Grunde liegenden Taten (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG), ist nachvollziehbar und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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