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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.04.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 293/00
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 90 Abs. 2
BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
StPO §§ 413 ff.
StPO §§ 395 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 293/00 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn F...

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Thomas R. J. Franz, Goethestraße 1, Ketsch -

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. Januar 2000 - 3 Ws 252/99 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 23. September 1999 - 1 Ks 203 Js 11024/99 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Di Fabio gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 9. April 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage der Zulässigkeit der Nebenklage im Sicherungsverfahren nach den §§ 413 ff. StPO.

1. Der Bundesgerichtshof, verschiedene Oberlandesgerichte und ein Teil der Literatur lehnen bislang die Zulassung der Nebenklage im Sicherungsverfahren ab; dies zunächst mit der Begründung, dass die Nebenklage ihrem Wesen nach auf eine Bestrafung des Täters abziele, und nunmehr auch mit dem Argument, dass der Gesetzgeber bei den mehrfachen Änderungen der §§ 395 ff. StPO trotz der langjährig ablehnenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Nebenklage im Sicherungsverfahren nicht festgeschrieben habe (vgl. u. a. BGH, NJW 1974, S. 2244; BGH, NStZ 1999, S. 312 <313> m. w. N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., vor § 395 Rn. 5 m. w. N.).

Hingegen vertreten mehrere Oberlandesgerichte und ein zunehmender Teil des Schrifttums die Rechtsansicht, dass - infolge der durch das Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGBl I S. 2496) verbesserten Rechtsstellung des Nebenklägers - die Nebenklage auch im Sicherungsverfahren zulässig sei. Dabei wird u. a. angeführt, dass kein sachlicher Grund dafür erkennbar sei, dem Tatopfer die Möglichkeit, das Verfahren mit dem Ziel der Unterbringung des Täters weiterzubetreiben, nur deshalb zu verwehren, weil sich die Schuldunfähigkeit des Täters nicht erst nach Einleitung des Strafverfahrens herausgestellt hat, sondern von ihr von vornherein ausgegangen wurde (vgl. zuletzt OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2000, S. 17 f. m. w. N.; KK, StPO, 4. Aufl., § 395 Rn. 4 und § 414 Rn. 4, jeweils m. w. N.; so auch bereits der Generalbundesanwalt im Verfahren 2 StR 260/95 - vgl. BGH, NStZ 1996, S. 244).

2. Der Beschwerdeführer ist Verletzter eines versuchten Tötungsdelikts; die Staatsanwaltschaft beantragte gegen den Beschuldigten wegen dieser Tat die Durchführung des Sicherungsverfahrens. Das Landgericht und das Oberlandesgericht wiesen in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Anträge des Beschwerdeführers auf Zulassung der Nebenklage und auf Bestellung seines Prozessbevollmächtigten als Beistand zurück.

3. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG geltend. Er vertritt die Auffassung, dass diese Vorschriften es geböten, § 395 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO dahingehend auszulegen, dass die Nebenklage auch im Sicherungsverfahren zulässig sei.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

Sie genügt nicht dem im Verfassungsbeschwerde-Verfahren geltenden Subsidiaritätsgrundsatz (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG).

Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde soll vor allem sichern, dass durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere auch der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden. Zugleich entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren (BVerfGE 47, 144 <145>; 68, 376 <380>; 72, 39 <43>; 77, 381 <401>).

Dies bedeutet zunächst, dass der Instanzenzug - wie im vorliegenden Fall - grundsätzlich erschöpft sein muss (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Daneben fordert der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass ein Beschwerdeführer - über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus - die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>; 77, 381 <401>; 81, 97 <102>). Dazu gehört auch, dass er verfassungsrechtliche Einwände bereits im Ausgangsverfahren vorträgt.

Der Beschwerdeführer hat sich im Ausgangsverfahren zwar eingehend mit der Frage der Auslegung des einfachen Rechts auseinander gesetzt. Er hat dabei jedoch keine verfassungsrechtlichen Einwände erhoben, insbesondere auch nicht geltend gemacht, dass die Ablehnung der Zulassung der Nebenklage im Sicherungsverfahren den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletze. Den Einwand, dass die Ungleichbehandlung von Opfern im Strafverfahren und im Sicherungsverfahren hinsichtlich der Zulässigkeit der Nebenklage auf sachlich nicht gerechtfertigten Erwägungen beruhe, daher ein Akt der Willkür sei und gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, erhebt er vielmehr erst mit der Verfassungsbeschwerde.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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