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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 04.02.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 315/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 3
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 315/01 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Januar 2001 - 3 ZB 99.1285 -,

b) das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 2. März 1999 - M 5 K 97.6703 -,

c) den Widerspruchsbescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 14. August 1997 - IX/5-3a21a43-22/117 564 -,

d) den Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 23. April 1997 - IX/5-3a21a43/46 576 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Di Fabio und die Richterin Lübbe-Wolff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 4. Februar 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

I.

Der im Jahr 1938 geborene Beschwerdeführer war seit 1973 als Ordinarius an der Universität Linz in Österreich tätig; seit 1982 steht er als Hochschullehrer im Dienst des Freistaats Bayern. Den Antrag des Beschwerdeführers, festzustellen, dass ihm das vor Erlass des Hochschulrahmengesetzes in Österreich erworbene Recht auf Entpflichtung zustehe, lehnte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG und des Art. 33 Abs. 5 GG.

II.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl I S. 18) - HRG - und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Hochschullehrergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Januar 1995 (GVBl S. 44) - BayHSchLG - bleibt das Recht auf Entpflichtung für die am Tag vor dem Inkrafttreten der genannten Gesetze vorhandenen ordentlichen und außerordentlichen Professoren unberührt; dies gilt auch beim Wechsel des Dienstherrn sowie - nach bayerischem Landesrecht - für die Professoren, denen am Stichtag das Recht der Entpflichtung an einer kirchlichen Hochschule zustand und die danach an eine staatliche Hochschule berufen werden. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Auslegung dieser Vorschriften durch die Verwaltungsgerichte.

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG kommt zwar auch dann in Betracht, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (vgl. BVerfGE 58, 369 <374>; 65, 377 <384>; 99, 129 <139>). Die Auslegung der bezeichneten Rechtsnormen durch die Verwaltungsgerichte, wonach der dort verwendete Begriff des Dienstherrn nur inländische Dienstherrn erfasst, verstößt indes nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung, wonach auch ein in Österreich erworbenes Recht auf Entpflichtung von den genannten Vorschriften erfasst werde, ist nicht von Verfassungs wegen geboten.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart verschieden zu behandeln. Dabei liegt es grundsätzlich in der Zuständigkeit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen (vgl. BVerfGE 53, 313 <329>). Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern stets nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachverhalts, der geregelt werden soll (vgl. BVerfGE 75, 108 <157>; 93, 319 <348 f.>). Das Bundesverfassungsgericht hat demnach nicht über die Zweckmäßigkeit der vorgenommenen Differenzierung zu urteilen, sondern allein zu prüfen, ob diese sich unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Sachbereichs als sachfremd darstellt.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Mit dem Erlass des Hochschulrahmengesetzes wollte der Gesetzgeber die Schaffung einer zeitgemäßen Personalstruktur ermöglichen (vgl. BTDrucks 7/1328, S. 1). Zu diesem Zweck hat er das vor dem Erlass des Hochschulrahmengesetzes für ordentliche und außerordentliche Professoren geltende Recht auf Entpflichtung abgeschafft. Der Wegfall der Entpflichtung erfolgte im Zuge der Gesamtreform der Personalstruktur mit dem Ziel der statusrechtlichen Gleichstellung aller Professoren (vgl. BTDrucks 7/1328, S. 69). Seit Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes und der entsprechenden Anpassungsregelungen in den Landeshochschulgesetzen treten beamtete Professoren ausnahmslos wie andere Beamte mit Erreichen der Altersgrenze nach den für Beamte allgemein geltenden Vorschriften in den Ruhestand (vgl. § 49 HRG, §§ 25, 105 BRRG).

§ 76 Abs. 1 Satz 1 HRG, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayHSchLG lassen ein vor Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes und des Bayerischen Hochschullehrergesetzes bereits erworbenes Recht auf Entpflichtung unberührt und wahren insoweit - ausdrücklich auch für den Fall eines Wechsels des Dienstherrn - den Besitzstand der zu diesem Zeitpunkt emeritierungsberechtigten Professoren. Das Verwaltungsgericht hat diese Bestimmungen dahingehend interpretiert, dass die Wahrung des Besitzstands nur solche Professoren erfassen sollte, die nach der zuvor geltenden Rechtslage ein Recht auf Entpflichtung erworben hatten. Diese Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Für die Ungleichbehandlung von Professoren, die ihr Recht auf Entpflichtung im Inland erworben haben, gegenüber solchen, deren Emeritierungsrechte im Ausland entstanden sind, gibt es sachliche Gründe. Eine im Ausland erworbene Emeritierungsanwartschaft unterscheidet sich von der im Inland erworbenen dadurch, dass eine rechtliche Beziehung des Bundes- oder Landesgesetzgebers zu im Ausland tätigen Professoren im Zeitpunkt der Entstehung des Rechts auf Entpflichtung nicht bestand. Infolgedessen waren Bundes- bzw. Landesgesetzgeber zur Schaffung einer Übergangsregelung zu Gunsten von Professoren, deren Recht auf Entpflichtung außerhalb ihres Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichs im Ausland entstanden war, nicht verpflichtet.

Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer behauptete unzulässige Ungleichbehandlung von Professoren, die ein Recht auf Entpflichtung im Ausland erworben haben, gegenüber solchen Professoren, denen am Tag vor Inkrafttreten des Bayerischen Hochschullehrergesetzes das Recht der Entpflichtung an einer kirchlichen Hochschule zustand, ergibt sich nichts Abweichendes. Für Letztere bleibt zwar ebenfalls das Recht auf Entpflichtung bei einem Wechsel an eine staatliche Hochschule nach dem allgemeinen Inkrafttreten des Bayerischen Hochschullehrergesetzes erhalten (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BayHSchLG). Diese Differenzierung findet indes ihren sachlichen Grund in der vom bayerischen Landesgesetzgeber zugrunde gelegten traditionellen Kongruenz des Rechtsstatus von staatlichen und kirchlichen Professoren sowie in dem dafür angeführten Interesse an einem Personalaustausch zwischen kirchlichen und staatlichen Hochschulen (vgl. LTDrucks 10/9929).

2. Auch der behauptete Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 GG ist nicht erkennbar. Die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit enthält neben einem Abwehrrecht eine objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 88, 129 <136>; 93, 85 <95>). Der objektive Gehalt des Art. 5 Abs. 3 GG verlangt ein Einstehen des Staates für die Idee der freien Wissenschaft und seine Mitwirkung an der Verwirklichung dieser Idee (vgl. BVerfGE 35, 79 <114>). Der Staat hat die Pflege der freien Wissenschaft und ihrer Vermittlung durch die Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern; insoweit ist die Ausübung des Freiheitsrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG mit einer Teilhabe an staatlichen Leistungen verbunden (vgl. BVerfGE 35, 79 <114 f.>; 88, 129 <136 f.>).

Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung seines Rechts auf Teilhabe an personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln der Universität durch eine willkürliche und sachlich nicht gerechtfertigte Verweigerung der Emeritierung ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann der Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG kein verfassungsmäßiges Recht auf unbeschränkte Belassung im Amt oder zeitlich unbeschränkte Zugehörigkeit zur Hochschulkorporation herleiten (vgl. BVerfGE 3, 58 <151>).

3. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) geltend macht, weil die Versagung der Emeritierungsberechtigung eine unverhältnismäßige Berufsausübungsregelung darstelle, hat auch diese Rüge keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Grundgesetz räumt dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit Berufsausübungsregelungen ein erhebliches Maß an Gestaltungsfreiheit ein (vgl. BVerfGE 77, 308 <332>). Der Beschwerdeführer wird durch die von den Verwaltungsgerichten vorgenommene Auslegung von § 76 Abs. 1 Satz 1 HRG und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayHSchLG im Verhältnis zu Professoren, die ein Recht auf Entpflichtung im Inland erworben haben, nicht ohne zureichenden sachlichen Grund stärker belastet.

4. Die Rüge einer Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG greift ebenfalls nicht durch. Ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, nach dem die Altersgrenze für Hochschullehrer bei 68 Jahren liegt, lässt sich jedenfalls nicht feststellen (vgl. BVerfGE 67, 1 <14>).

Eine verbindliche Zusage des Emeritierungsrechts im Zuge der Berufungsverhandlung, die möglicherweise unter Verstoß gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht nicht eingehalten worden wäre, lässt sich dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftwechsel nicht entnehmen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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