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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 336/07
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 336/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 2006 - 21d A 652/05.O -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 2004 - 31 K 7775/02.O -
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 6. Mai 2008 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Weitergabe der von ihm im Rahmen einer Selbstanzeige offenbarten Steuerdaten durch die Finanzverwaltung an seinen Dienstherrn und die Verwertung in einem anschließenden Disziplinarverfahren.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist beamteter Lehrer, zuletzt im Amt eines Studien-direktors. Im Jahre 1999 gaben er und seine Ehefrau eine steuerliche Selbstanzeige ab. Die nicht angegebenen Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus einer Tätigkeit als Testamentsvollstrecker betrugen 589.320 DM, so dass ein Betrag von 265.496 DM an Steuern hinterzogen wurde. Nach Zahlung dieses Betrages wurde das zuvor eingeleitete Steuerstrafverfahren eingestellt.
2. Nach Abschluss des Steuerstrafverfahrens setzte die Finanzbehörde den Dienstherrn über die Selbstanzeige des Beschwerdeführers in Kenntnis. Ende 2001 wurde das förmliche Disziplinarverfahren, gestützt auf die Abgabe unrichtiger beziehungsweise Nichtabgabe von Vermögenssteuererklärungen und die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker ohne die erforderliche Genehmigung, eröffnet. Der letztere Vorwurf wurde im Laufe des Verfahrens nicht mehr weiterverfolgt. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer um zwei Rangstufen degradiert. Es stehe fest, dass er vorsätzlich unrichtige Angaben über einen längeren Veranlagungszeitraum gemacht habe. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 13. Dezember 2006 das erstinstanzliche Urteil dergestalt ab, dass eine Degradierung um eine Rangstufe ausgesprochen wurde. Hierbei sei man nicht aufgrund eines Verwertungsverbots gehindert, die Feststellungen aus dem Steuerstrafverfahren zu verwerten. Diese seien nach § 125c Abs. 6 BRRG, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO zulässigerweise an den Dienstherrn weitergegeben worden. Ein hiernach erforderliches zwingendes öffentliches Interesse liege dann vor, wenn die mitteilende Stelle zu der Überzeugung gelange, dass der Sachverhalt geeignet sei, eine im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Maßnahme von Gewicht, insbesondere eine Maßnahme wie die Entfernung aus dem Dienst oder eine Degradierung, zu tragen. II.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG. Es läge eine gleichheitswidrige Behandlung vor, da Angehörige des öffentlichen Dienstes von der Rechtswohltat der steuerlichen Selbstanzeige faktisch ausgeschlossen würden. Die extensive Interpretation des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO verstoße gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Vorhersehbarkeit, Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit. Der Vorteil der Steuerstraffreiheit werde durch die disziplinarrechtliche Ahndung konterkariert. Den dort genannten Regelbeispielen sei gemeinsam, dass nur "schwere Kriminalität" zur Offenbarung berechtigen solle. Daher müsse die Einordnung der Steuerhinterziehung als "schwere Straftat" auf extreme Einzelfälle beschränkt sein. Zu prüfen sei, ob das disziplinarrechtlich nicht unerhebliche Fehlverhalten einer "schweren Wirtschaftsstraftat" nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b AO gleichkomme. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO seien für die Frage der berechtigten Datenweitergabe nur tatbezogene Gesichtspunkte maßgebend. Die Rechtsprechung in den angegriffenen Entscheidungen stelle jedoch auf täterbezogene Gesichtspunkte ab. Es finde keine wirkliche Abwägung der widerstreitenden Interessen statt. Vielmehr werde dem Interesse der Wahrung des Ansehens und des Vertrauens des Beamtentums in der Öffentlichkeit generell der Vorrang eingeräumt. Wäre dem Gesetzgeber dieses Anliegen wirklich so wichtig gewesen, hätte er es als weiteres Regelbeispiel in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO normieren können. Die Normierung einer Amnestie in § 13 StraBEG sei ein eindeutiger Hinweis des Gesetzgebers, mit der Folge, dass auch im Disziplinarverfahren ein Verwertungsverbot weitergegebener Daten anzunehmen sei.
III.
Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24>; 96, 245 <248>). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Durch die angegriffenen Entscheidungen wird der Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 GG, verletzt.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>; stRspr). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich dabei unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen, bei welcher der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung unterliegt, prüft das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 88, 87 <96 f.>; 95, 267 <316 f.>; 101, 54 <101>).
b) Die gerügte Ungleichbehandlung liegt vorliegend in dem Umstand, dass Beamte im Vergleich zu Nicht-Beamten nach für sie günstigem Abschluss des Steuerstrafverfahrens infolge der Selbstanzeige noch disziplinarisch belangt werden können. Zwischen diesen beiden Personengruppen bestehen jedoch derart gravierende Unterschiede, dass diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Diese liegen in der besonderen Stellung der Beamten begründet. Aus dieser folgen für ihn einerseits besondere Rechte, andererseits unterliegt er auch einer stärkeren Pflichtenbindung. Das Beamtenverhältnis ist dadurch geprägt, dass es als ein öffentlichrechtliches Dienst- und Treueverhältnis - anders als das Arbeitsverhältnis des privaten Rechts - die Beteiligten umfassend rechtlich in Anspruch nimmt (BVerfGE 44, 249 <264>). Von dem Beamten wird gefordert, dass er sich ganz seinem Beruf widmet. Dies bedeutet, dass er dem Dienstherrn - grundsätzlich auf Lebenszeit - seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss und der Dienstherr seinerseits zu amtsangemessener Alimentation verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 61, 43 <56>). Dieses unterschiedliche Pflichtengefüge im Vergleich zu privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen rechtfertigt auch eine unterschiedliche Behandlung bei der Ahndung außerdienstlichen privaten Verhaltens.
2. Die Datenweitergabe an den Dienstherrn und die anschließende Verwertung im Disziplinarverfahren verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.
a) Dieses Recht verbürgt einen Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>). Der Einzelne hat die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 113, 29 <46>). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf dabei nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <143>).
b) In das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde durch die Weitergabe der dem Steuergeheimnis unterfallenden Daten an den Dienstherrn des Beschwerdeführers eingegriffen. Zwar ist das Recht auf Wahrung des in § 30 AO gesetzlich umschriebenen Steuergeheimnisses als solches kein Grundrecht (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>). Jedoch kann die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse durch das grundrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung geboten sein. Dabei unterliegt die Selbstanzeige nach § 371 AO ebenso wie die Steuererklärung selbst dem Steuergeheimnis (vgl. Drüen, ZBR 2002, S. 115 <117>). Die im Wege der Selbstanzeige gemachten Angaben sind gerade nur zur Kenntniserlangung der Steuerverwaltung mit dem Ziel der Erlangung von Steuerstraffreiheit bestimmt. Da der Einzelne selbst bestimmen kann, innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <41 f.>; 103, 21 <33>; 106, 28 <39> zur Bestimmung der Personen, die von einem Gesprächsinhalt Kenntnis erlangen sollen), greift die Weitergabe dieser Informationen an den Dienstherrn des Beamten in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.
c) Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist hier durch eine verhältnismäßige Anwendung der gesetzlichen Ermächtigung in § 125c Abs. 4 und Abs. 6 Satz 2 BRRG, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO gedeckt. § 125c BRRG stellt eine gesetzliche Ermächtigung im Sinne von § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO dar (vgl. BTDrucks 13/4709, S. 28). Hiernach bedarf es zur Übermittlung sonstiger Tatsachen als der bloßen, in der Regel nicht mit Gründen versehenen Einstellungsnachricht, des Vorliegens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, mithin eines "zwingenden öffentlichen Interesses".
aa) Die gesetzliche Grundlage des § 125c Abs. 4, Abs. 6 Satz 2 BRRG in Verbindung mit § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ist ihrerseits verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit.
Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, grundrechtsrelevante Vorschriften in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so klar zu formulieren, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten kann (BVerfGE 21, 73 <79>; 31, 255 <264>). Die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist (BVerfGE 86, 288 <311>, unter Hinweis auf BVerfGE 59, 104 <114>; 49, 89 <133>), wobei der verfassungsrechtlich gebotene Grad der Bestimmtheit von der Besonderheit des jeweiligen Tatbestands und von den Umständen abhängt, die zu der gesetzlichen Regelung führen (BVerfGE 86, 288 <311>). Normen müssen daher in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihnen Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Die Gerichte müssen in der Lage sein, die gesetzgeberische Entscheidung zu konkretisieren. Andererseits kann nicht erwartet werden, dass jeder Zweifel ausgeschlossen wird. Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Vorschrift noch nicht die gebotene Bestimmtheit; es ist Aufgabe der Rechtsprechung, Zweifelsfragen zu klären (BVerfGE 31, 255 <264>).
Diesen Anforderungen entsprechen die Regelungen der § 125c Abs. 4, Abs. 6 Satz 2 BRRG, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO. Diese ermöglichen eine im Einzelfall verhältnismäßige Anwendung (a.A. Benda, DStR 1984, S. 351 <355>, welcher die Vorschrift des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO wegen mangelnder Vorhersehbarkeit der Durchbrechungen im Anschluss an das Volkszählungsurteil - BVerfGE 65, 1 - als verfassungswidrig ansieht). Allein schon durch die Statuierung einer Durchbrechung des Steuergeheimnisses in § 125c Abs. 6 BRRG ist es für einen Beamten vorhersehbar, dass er auch im Falle einer Selbstanzeige mit der Weitergabe der Daten an den Dienstherrn rechnen muss. Dabei macht allein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe die Norm als solche noch nicht unbestimmt. Durch die Orientierung an den genannten Beispielen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO wird für den von der Normanwendung Betroffenen deren Handhabung in ausreichendem Maße vorhersehbar. Hierdurch hat der Gesetzgeber den Maßstab für das zwingende öffentliche Interesse vorgegeben (vgl. Drüen, ZBR 2002, S. 115 <121>). Hieran gilt es, sich auch für die Anwendung unbenannter Fälle zu orientieren. Daraus folgt, dass angesichts des hohen Schutzgutes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eine Weitergabe von Daten von der gesetzlichen Grundlage nur dann gedeckt ist, wenn die dem Beamten zur Last gelegten steuerstrafrechtlichen Umstände von gewissem Gewicht sind. Jeder Einzelfall kann hiervon zwangsläufig nicht erfasst werden. Angesichts der Vielzahl betroffener Lebensverhältnisse ist dem Gesetzgeber die Festlegung detaillierter Grenzen nahezu unmöglich. Durch die Normkonkretisierung und das Aufstellen diverser Erfordernisse für eine Datenweitergabe in den angegriffenen Entscheidungen wird die Norm, am Wortlaut und der Systematik orientiert, durchaus restriktiv (hierfür Drüen, ZBR 2002, S. 115 <121> m.w.N.) und damit im Ergebnis im Lichte des von ihr eingeschränkten Grundrechts ausgelegt.
bb) Die Weitergabe der Daten lag im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit. Sie dient dem Interesse an der Sanktionierung des pflichtwidrigen Verhaltens, mit welchem dem Ansehen der Beamtenschaft und damit der Funktionsfähigkeit des Beamtentums Schaden zugefügt wurde. Der Dienstherr wird so in die Lage versetzt zu prüfen, ob das bestehende Treueverhältnis durch das Verhalten des Beamten nachhaltig gestört wurde. Zur Wahrung der Achtung und des Vertrauens in das ausgeübte Amt oder das Ansehen des Beamtentums als Institution und im Hinblick auf die besondere Pflichtenbindung des Beamten, die auch sein außerdienstliches Verhalten umfasst, kann nach Kenntnis vom Verhalten des Beamten in dessen Steuerangelegenheiten auch eine disziplinarische Ahndung geboten sein.
cc) Zur Erreichung dieses im Interesse der Allgemeinheit liegenden Ziels wurde vorliegend das Steuergeheimnis in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Das verfolgte Ziel steht insbesondere nicht außer Verhältnis zu der in Kauf genommenen Belastung des Beschwerdeführers. Dabei wurde auch beachtet, dass allein der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger Angaben macht, um eine nur auf Antrag mögliche Steuerbefreiung, Minderung seiner Steuerschuld oder eine sonstige steuerliche Vergünstigung zu erlangen, grundsätzlich nicht zu einer Abschwächung des grundrechtlich verbürgten Schutzes seiner Daten führt (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>).
Die in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO enthaltene Aufzählung von Anwendungsfällen eines zwingenden öffentlichen Interesses ist nicht abschließend und lässt Raum für unbenannte Konstellationen. Das nach § 125c Abs. 6 Satz 2 BRRG, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO erforderliche zwingende öffentliche Interesse kann damit auch das einzel- beziehungsweise generalpräventive Interesse am Schutz der Gesetzesbindung der Verwaltung, die Aufrechterhaltung von deren Funktionsfähigkeit und deren Vertrauenswürdigkeit in der Außendarstellung sein. Erforderlich ist dabei jedoch, dass der unbenannte Fall in Art, Bedeutung und Schwere den benannten Fällen vergleichbar ist. So kann auf das abstrakte Gewicht des sozialschädlichen Verhaltens, die konkrete Schwere der Tat und die Auswirkungen auf die Allgemeinheit als spezifische Folge der Tat in einer Gesamtbetrachtung abgestellt werden (so Drüen, ZBR 2002, S. 115 <122>; Brauns, in: Festschrift für Günter Kohlmann, S. 387 <404>).
Durch die Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls wird eine pauschale und damit unverhältnismäßige Anwendung vermieden. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob eine enge Orientierung an dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Mai 2000 (IV A 4-S 0130-19/00 -, BStBl I 2000, S. 494), wonach ein zwingendes öffentliches Interesse an der Weitergabe der Daten an den Dienstherrn unter anderem besteht, wenn die verkürzte Steuer gewisse Beträge übersteigt, noch als verhältnismäßig angesehen werden kann (kritisch hierzu Tormöhlen, in: Beermann/Gosch, AO, Stand: Juli 2007, § 30 AO Rn 137; für eine Einzelfallprüfung Dörn, wistra 2002, S. 170 <171 f.>; Drüen, ZBR 2002, S. 115 <123, 125>). Eine solche generalisierende Prüfung erfolgte vorliegend nicht. Vielmehr wurden die spezifischen Umstände des Einzelfalls in die Abwägung eingestellt und dabei nicht ausschließlich auf die Höhe der hinterzogenen Beträge abgestellt. Die Datenweitergabe wird nach den Maßstäben der angegriffenen Entscheidungen nur dann als rechtmäßig angesehen, wenn die mitteilende Stelle zur Überzeugung gelangt, der Sachverhalt sei geeignet, eine im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Maßnahme von Gewicht, also etwa die Entfernung aus dem Dienst oder eine Degradierung, zu tragen. Regelmäßig werden daher entsprechende Maßnahmen nur dann in Betracht kommen, wenn die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>; 59, 95 <97>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Juni 2006 - 2 BvR 1780/04 -, NVwZ 2006, S. 1282). Durch dieses Kriterium einer antizipierten disziplinarrechtlichen Prüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Datenweitergabe - wie sie auch vorliegend erfolgte - ist eine am Einzelfall orientierte Entscheidung möglich.
Vorliegend wurde das öffentliche Interesse an der disziplinarischen Verwertung der dem Steuergeheimnis unterfallenden Daten mit dem Interesse des Steuerpflichtigen an deren Geheimhaltung abgewogen. Zwar begegnet diese Abwägung zwischen dem Interesse des Steuerpflichtigen an der Geheimhaltung und dem öffentlichen Interesse an der Offenbarung insoweit Bedenken, als auch die Wahrung des Steuergeheimnisses öffentlichen Interessen dient (vgl. Drüen, ZBR 2002, S. 115 <122>). Jedoch wurden als selbständig tragend, auf den Einzelfall abstellend, Art, Umfang und Dauer der Steuerhinterziehung berücksichtigt.
Das abstrakte Gewicht des Verhaltens des Beamten ist hier den explizit genannten Fällen vergleichbar. Die Steuerhinterziehung stellt im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar (vgl. BVerwGE 103, 184 <185>) und kann damit im Einzelfall durchaus den in § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b AO genannten Wirtschaftsstraftaten vergleichbar sein, so dass aus diesem Fehlverhalten auch in disziplinarischer Hinsicht ein Offenbarungsinteresse folgen kann. Auch wurde im Hinblick auf die konkrete Schwere der Tat, deren Begehungsweise und der eingetretene Schaden berücksichtigt. Der Beschwerdeführer betrieb die Steuerhinterziehung über einen längeren Veranlagungszeitraum, handelte dabei vorsätzlich und hinterzog Steuern von über 260.000 DM. Zudem wurde der Umstand berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer sich im Rahmen der Selbstanzeige zunächst nicht vollständig erklärte und Einkünfte aus den Jahren 1988 bis 1991 erst nach zweifacher Aufforderung mitteilte. Berücksichtigt wurden schließlich seine Stellung als beamteter Lehrer, die aus dem konkreten Amt folgenden Pflichten und der Umstand, dass er sich unberechtigte Steuervorteile verschaffte, obgleich er öffentliche Aufgaben wahrnimmt und durch öffentliche Mittel alimentiert wird. Zwar handelte es sich vorliegend um eine außerdienstliche Verfehlung, die, anders als etwa bei einem Beamten der Steuerverwaltung, keinen Bezug zu der dienstlichen Tätigkeit aufwies. Jedoch ist es nicht zu beanstanden, wenn dieser Gesichtspunkt angesichts der sonstigen Art und Weise der Tatbegehung als der Datenweitergabe nicht entgegenstehend angesehen wurde. Somit konnte im Ergebnis aufgrund der konkreten Schwere der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten ein den in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO benannten Straftaten vergleichbares Verhalten festgestellt werden, das eine ähnliche Gefahr für die Störung der wirtschaftlichen Ordnung und die Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Arbeit und Redlichkeit des öffentlichen Dienstes zur Folge hat.
Der Umstand der Selbstanzeige spielt dabei entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht allein und nicht erst bei der Frage des Vorliegens von Milderungsgründen im eingeleiteten Disziplinarverfahren (vgl. hierzu Brauns, in: Festschrift für Günter Kohlmann, S. 387 <396 f.>) eine Rolle. Da bei der zuvor zu beantwortenden Frage der Berechtigung zur Datenweitergabe auf den mutmaßlichen Ausgang des Disziplinarverfahrens abgestellt wird, sind schon hierbei etwaige Milderungsgründe bei der zu treffenden Prognoseentscheidung zu berücksichtigen.
Der Vorteil der Straffreiheit wird auch nicht - wie der Beschwerdeführer meint - durch die disziplinarische Ahndung konterkariert. Das Disziplinarverfahren ist kein Strafverfahren. Das disziplinare Vergehen besteht in der Störung der besonderen, nur einem bestimmten Kreis von Staatsbürgern auferlegten Ordnung und bezweckt die Aufrechterhaltung einer geordneten und funktionstüchtigen öffentlichen Verwaltung (vgl. BVerfGE 21, 378 <384>; 21, 391 <403 ff.>). Eine Selbstanzeige steht deshalb einer Datenweitergabe nicht entgegen. Vielmehr können die Art und Weise der Tatbegehung sowie deren Folgen im Einzelfall einen Eingriff in das Steuergeheimnis rechtfertigen. So liegt es hier.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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