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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 369/01
Rechtsgebiete: GG, StPO
Vorschriften:
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 103 Abs. 1 | |
GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a | |
StPO § 95 | |
StPO § 95 Abs. 1 | |
StPO § 94 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 369/01 - - 2 BvR 372/01 -
In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden
gegen
a) den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 8. Februar 2001 - 2 Ws 25/00-W -,
b) den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 28. Dezember 2000 - 2 Qs 25/00-W -,
c) den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 11. April 2000 - 28 Gs 1242/00 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 18. Februar 2003 einstimmig beschlossen:
Tenor:
1. Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie haben keine Aussicht auf Erfolg.
1. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1. eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG mit der Begründung rügt, der Anspruch der Beschwerdeführerin zu 2. auf rechtliches Gehör sei verletzt worden und es sei nicht auszuschließen, dass ohne Gehörsverletzung auch ein Eingriff in ihre eigenen Grundrechtspositionen unterblieben wäre, fehlt es an der erforderlichen Selbstbetroffenheit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG).
2. a) Die Auslegung des Landgerichts, die Beschwerdeführerin zu 2. habe ihren Verzicht nicht aufrecht erhalten, die von der Steuerfahndung veranlassten Kundenabfragen zu protokollieren, verletzt die Beschwerdeführerin zu 2. nicht in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Behauptung, die richterlichen Tatsachenfeststellungen seien falsch oder der Richter habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, vermag grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht kann nur dann feststellen, dass ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles ergibt (BVerfGE 22, 267 <273 f.>).
Solche liegen hier nicht vor. Der in mehreren Schriftsätzen wiederholte Hinweis der Beschwerdeführerin zu 2., dass sie rechtlich befugt sei, ihre Kunden über ein gegen sie gerichtetes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren zu informieren, und ihre Auffassung, die von der Steuerfahndung begehrte Abfrage der Daten ohne Protokollierungsmöglichkeit seitens der Bank führe zu einem der Strafprozessordnung unbekannten Geheimverfahren, relativieren die Verbindlichkeit ihres Kontrollverzichtsangebots. Darüber hinaus waren die wiederholt vorgetragenen Ausführungen zu einer möglichen Benachrichtigungspflicht seitens der Bank gegenüber ihren Bankkunden geeignet, Zweifel an der Einhaltung der Verzichtszusage zu wecken.
b) Ferner verletzt es nicht Art. 103 Abs. 1 GG, dass der Beschwerdeführerin zu 2. bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens weder volle Akteneinsicht gewährt noch ihrem Antrag nachgegangen wurde, eine dienstliche Stellungnahme des Ermittlungsrichters zu den diesem bei seiner Entscheidung vorliegenden Unterlagen einzuholen.
Ob - dem Anspruch auf rechtliches Gehör vor Rechtsbehelfsentscheidungen über die Untersuchungshaft vergleichbar (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 1994 - 2 BvR 777/94 -, NStZ 1994, S. 551 <552>) - Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch auf (Teil-)Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeentscheidungen gebietet, kann offen bleiben. Vorliegend hat der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin zu 2. Einsicht in Auszüge aus den Ermittlungsakten erhalten. Dass in den angegriffenen Entscheidungen Tatsachen und Beweismittel verwertet worden wären, die sich nicht aus den zur Einsicht überlassenen Aktenteilen ergaben, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Die Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerinnen auch nicht in ihrem Anspruch auf ein faires Verfahren.
a) Der von den Beschwerdeführerinnen zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur zeitlichen Geltung von Durchsuchungsbeschlüssen (vgl. BVerfGE 96, 44 <51 ff.>) betrifft einen anderen Sachverhalt. Vorliegend ging es um ein - mit einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss verbundenes - Herausgabeverlangen nach § 95 StPO, dem die Beschwerdeführerin zu 1. zunächst nicht nachkam. Erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens verstrich die Sechsmonatsfrist. Zu Durchsuchungs- oder Beschlagnahmemaßnahmen kam es während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens nicht. Mithin lag keine Sachverhaltskonstellation vor, bei der der Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG in Folge Zeitablaufs leer gelaufen wäre.
b) Die von den Beschwerdeführerinnen des Weiteren gerügte Auffassung des Landgerichts, die Beschwerdeführerin zu 1. sei zu der im Beschluss näher bezeichneten Zusammenstellung aus den bei ihr gespeicherten Daten verpflichtet, beruht auf einer vertretbaren Auslegung des § 95 StPO. Der Umstand, dass damit nicht ein bereits vorhandener Beweisgegenstand erfasst wird, sondern ein solcher, der erst aufgrund des Herausgabeverlangens geschaffen werden muss, steht dieser Interpretation des § 95 StPO nicht entgegen. Zwar hat der historische Gesetzgeber diesen Fall noch nicht bedacht. Doch ist die Wortlautgrenze nicht überschritten. Denn "Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können" (vgl. § 95 Abs. 1 i.V.m. § 94 Abs. 1 StPO) sind auch Datenträger oder Computerausdrucke, auf denen sich aus einem Gesamtdatenbestand recherchiertes Material befindet. Gegenüber der Beschlagnahme der Originaldatenträger mit umfangreichem Datenbestand stellt das Herausgabeverlangen von nach konkreten Kriterien zusammengestellten Einzeldaten in Kopie das mildere Mittel dar. Da mithin die Auffassung des Landgerichts weder willkürlich ist noch Bedeutung und Tragweite von Grundrechten der Beschwerdeführerinnen verkennt, bestehen gegen sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
4. Inwieweit die geforderte Übergabe von kopierten und auf separaten Datenträgern zusammengestellten Daten überhaupt die als verletzt gerügte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Beschwerdeführerin zu 1. zu beeinträchtigen vermag, kann dahinstehen. Denn auch dieses Grundrecht unterliegt den Schranken, die sich - unter anderem - aus der Strafprozessordnung ergeben (vgl. BVerfGE 77, 65 <76>). Das mit dem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss verbundene Herausgabeverlangen nach § 95 StPO in der Form der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung ist nachvollziehbar und weder willkürlich im Sinne des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Willkürverbots (vgl. BVerfGE 18, 85 <96>) noch beruht es auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte (vgl. BVerfGE a.a.O., S. 92 f.). Das Landgericht hat sich in seiner Entscheidung ausführlich mit Fragen der Verhältnismäßigkeit auseinander gesetzt. Gemessen an den Kriterien zur Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>), hält sich die Abwägung im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen und Gebotenen.
5. Eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung scheidet bereits deshalb aus, weil die von der Maßnahme erfassten Daten weder die Beschwerdeführerin zu 1. noch die Beschwerdeführerin zu 2. selbst betreffen. Sie beziehen sich ausschließlich auf Bankkunden der Beschwerdeführerin zu 2. In Prozessstandschaft für diese können die Beschwerdeführerinnen aber eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht geltend machen.
6. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1. schließlich einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 GG beanstandet, hat sie weder substantiiert vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Ermittlungsbehörden auf der Grundlage der angegriffenen Entscheidungen den durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützten Bereich betreten hätten. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin zu 1. die im Beschluss genannten Daten den Ermittlungsbehörden zugeleitet, ohne dass es zu einer Durchsuchung gekommen ist.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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