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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 2 BvR 378/09
Rechtsgebiete: EuWG, BVerfGG
Vorschriften:
EuWG § 2 Abs. 7 | |
BVerfGG § 93 Abs. 3 | |
BVerfGG § 93a Abs. 2 |
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
...
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
durch
den Vizepräsidenten Voßkuhle,
den Richter Mellinghoff und
die Richterin Lübbe-Wolff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG
in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)
am 11. März 2009
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 2 Abs. 7 EuWG in der Fassung vom 17. März 2008, der eine Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vorsieht.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG verstrichen ist.
1.
Nach § 93 Abs. 3 BVerfGG kann eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Norm richtet, nur binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Wegen der Bedeutung eines solchen Antrags und der Tragweite der Entscheidung ist die Jahresfrist aus Gründen der Rechtssicherheit eng auszulegen (BVerfGE 11, 255 <260> ; 17, 364 <369> ; 30, 112 <126> ).
Die Ausschlussfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG beginnt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Gesetzesänderungen nicht deshalb neu, weil der Gesetzgeber an der Norm festgehalten hat (BVerfGE 11, 255 <260> ; 18, 1 <9>; 80, 137 <149> ). Bleibt die angegriffene Norm inhaltlich unverändert oder wird sie rein redaktionell angepasst, setzt kein neuer Fristlauf ein (BVerfGE 56, 363 <379 f.>; BVerfGK 7, 276 <277>). Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen lediglich dann, wenn sich durch die Gesetzesänderung beispielsweise mittelbar ein neuer Inhalt, ein erweiterter Anwendungsbereich oder neue belastende Wirkungen der im Wortlaut unveränderten Norm ergibt (BVerfGE 11, 351 <359 f.> ; 12, 10 <24> ; 100, 313 <356> ).
2.
Durch das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 394) wurde die zuvor in § 2 Abs. 6 EuWG enthaltene Fünf-Prozent-Sperrklausel wortgleich in Art. 2 Abs. 7 EuWG übernommen.
a)
Die Verschiebung um einen Absatz war die Folge der durch eine Änderung des § 2 Abs. 3 EuWG und durch die Einfügung von § 2 Abs. 4 EuWG bewirkten Umstellung des Berechnungsverfahrens zur Sitzverteilung auf das Divisorverfahren mit Standardrundung Sainte-Laguë/Schepers (BTDrucks 16/7461, S. 21). Diese rein redaktionelle Anpassung des § 2 Abs. 7 EuWG setzte die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht erneut in Lauf.
b)
Auch durch die weiteren Änderungen des Europawahlgesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 394) ist die Regelung in § 2 Abs. 7 EuWG nicht in einer Weise berührt, dass sich mittelbar eine Änderung ihres Inhalts oder Anwendungsbereichs oder eine Erweiterung ihrer belastenden Wirkung ergibt.
aa)
Die Einführung des neuen Berechnungsverfahrens zur Sitzverteilung ist ohne Bedeutung für die Fünf-Prozent-Sperrklausel, da es erst für diejenigen Wahlvorschläge Anwendung findet, die die Sperrklausel überwunden haben.
bb)
Die neue Regelung in § 10 Abs. 1 EuWG, die für die Benennung von Bewerbern in Wahlvorschlägen verlangt, dass diese keiner anderen Partei angehören und als Bewerber von einer Vertreterversammlung oder Mitgliederversammlung gewählt worden sind, verändert das normative Umfeld des § 2 Abs. 7 EuWG ebenfalls nicht dergestalt, dass von einer mittelbaren Neuregelung dieser Norm ausgegangen werden könnte. § 10 Abs. 1 EuWG verbietet zwar nunmehr eindeutig die "verdeckt-gemeinsamen" Wahlvorschläge (vgl. BVerfGE 24, 260 <267> ), mit denen die Sperrklausel umgangen werden konnte und deren Zulässigkeit umstritten war (BTDrucks 16/7461, S. 17). Dies kann künftig dazu führen, dass bestimmte Wahlbewerber, die bei der letzten Wahl in einem Listenwahlvorschlag einer anderen Partei benannt waren, künftig mit dem Listenwahlvorschlag ihrer eigenen Partei an der Sperrklausel scheitern könnten. Andererseits hätten diese Wahlbewerber, wenn sie auf einem Listenwahlvorschlag ihrer eigenen Partei benannt gewesen wären, bereits vor der Neuregelung des § 10 Abs. 1 EuWG von der Sperrklausel betroffen sein können. Daher ist hinsichtlich der Fünf-Prozent-Sperrklausel weder von einer inhaltlichen Ausweitung noch von einer neuen Beschwer durch die Gesetzesänderung vom 17. März 2008 auszugehen. Die belastende Wirkung ergibt sich vielmehr aus der Neuregelung des § 10 Abs. 1 EuWG selbst, den der Beschwerdeführer nicht zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht hat.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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