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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 387/00
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
AuslG § 53 Abs. 6 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 387/00 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des libanesischen Staatsangehörigen A...,

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2000 - 5 K 6158/98.A -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Di Fabio und Gerhardt gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 11. November 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2000 - 5 K 6158/98.A - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 und Absatz 3 des Grundgesetzes, soweit in ihm der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Absatz 6 Satz 1 AuslG abgelehnt wird. Er wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die durch das Verfassungsbeschwerde-Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen in einem ausschließlich auf § 53 AuslG gestützten Asylklageverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Beschluss. Mit diesem ist ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in vollem Umfang abgelehnt worden, und zwar bezüglich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG mit der Begründung, dieser komme gegenüber der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG und der Aufhebung der Abschiebungsandrohung "kein beachtliches, bezifferbares eigenständiges Gewicht" zu.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 BVerfGG liegen insoweit vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 56, 139 <143 f.>; 81, 347 <356 ff.>). Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG, soweit er die Versagung von Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG betrifft.

1. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet eine weitgehende Angleichung der Stellung von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Diesen Anforderungen ist durch das Institut der Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) Genüge getan (vgl. BVerfGE 56, 139 <143 f.>; 81, 347 <356 f.>). Auslegung und Anwendung der §§ 114 ff. ZPO obliegen in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur, ob Verfassungsrecht verletzt wird, insbesondere ob die angegriffene Prozesskostenhilfeentscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen (vgl. BVerfGE 56, 139 <144>; 81, 347 <358>). Art. 3 Abs. 1 GG kann auch verletzt sein, wenn sich ein Gericht ohne Prüfung der Voraussetzungen des § 114 ZPO im Einzelfall bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus veranlasst sieht, Prozesskostenhilfe zu verweigern und wenn die eine solche Entscheidung tragende Begründung einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt (vgl. BVerfGE 56, 139 <144>).

2. Diesen Grundsätzen wird der angegriffene verwaltungsgerichtliche Beschluss nicht gerecht. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird nach § 114 Satz 1 ZPO - neben der Bedürftigkeit - davon abhängig gemacht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Es ist allgemeine Meinung, dass bei lediglich teilweiser Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe jedenfalls in der Regel anteilig zu bewilligen ist (vgl. Philippi, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 114 Rn. 20; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2003, § 166 VwGO Rn. 65). Ob dies auch dann gelten soll, wenn die Kostenentscheidung voraussichtlich wegen überwiegenden Unterliegens des Antragstellers in vollem Umfang zu seinen Lasten ausgeht (vgl. Niedersächsisches OVG, NVwZ-RR 1998, S. 144), kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist vielmehr das Unterliegen mit dem Anspruch nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG im Verhältnis zum Anspruch nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG als hälftig zu werten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 9 C 38/99 -, JURIS). Wirkt sich demnach die Entscheidung über den Anspruch nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Rahmen der Kostenentscheidung einer auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG beschränkten asylverfahrensrechtlichen Klage jedenfalls nicht unerheblich aus, so ist es nicht mehr nachvollziehbar, wenn das Verwaltungsgericht die anteilige Bewilligung von Prozesskostenhilfe allein mit der Begründung ablehnt, § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG komme - gegenüber Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG und der Abschiebungsandrohung - kein beachtliches, bezifferbares eigenständiges Gewicht zu. Dies gilt hier umso mehr, als der Beschwerdeführer mit seiner Klage in erster Linie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG geltend gemacht hat.

Da der Verfassungsbeschwerde zu entnehmen ist, dass sie sich nur gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in Bezug auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG richtet, hat sie demnach in vollem Umfang Erfolg.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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