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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 426/06
Rechtsgebiete: StPO, BVerfGG, StPO, GG


Vorschriften:

StPO § 354 Abs. 1 a
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b i
StPO § 140
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 426/06 - - 2 BvR 1620/06 -

In den Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

gegen 1. a) den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. Januar 2006 - 1 Ws 177/05 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 25. Juli 2005 - 23 KLs 13/05 -,

c) den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 15. April 2005 - 23 KLs 13/05 -

- 2 BvR 426/06 -,

gegen 2. a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 2006 - 5 StR 89/06 -,

b) das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. Oktober 2005 - 23 KLs 13/05 -,

c) mittelbar § 354 Abs. 1 a StPO

- 2 BvR 1620/06 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 26. Oktober 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfahren 2 BvR 426/06 und 2 BvR 1620/06 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig.

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Beschränkung seiner Verteidigungsmöglichkeiten durch die Ablehnung seines Antrags auf Entpflichtung seines Pflichtverteidigers und verspätete Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers geltend macht, genügt sein Vorbringen nicht den Begründungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

a) Das Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen, ist durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgt (vgl. BVerfGE 110, 226 <253> m.w.N.). Dem ungehinderten und vertrauensvollen Umgang mit dem Strafverteidiger kommt dabei auch die zur Wahrung der Menschenwürde wichtige Funktion zu, darauf hinwirken zu können, dass der Beschuldigte nicht zum bloßen Objekt im Strafverfahren wird (vgl. BVerfGE 109, 279 <322>).

Eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips mit dem Ziel einer sachgerechten Verteidigung des Beschuldigten enthält die Vorschrift des § 140 StPO (vgl. BVerfGE 46, 202 <210>; 63, 380 <390>; 70, 297 <323>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80, 2 BvR 1504/82 -, NJW 1986, S. 767 <771>). Mit dem Institut der notwendigen Verteidigung und mit der Bestellung eines Verteidigers ohne Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten sichert der Gesetzgeber das Interesse, das der Rechtsstaat an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren hat.

Einen Anspruch auf die Bestellung eines von ihm vorgeschlagenen Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger hat der Beschuldigte grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGE 9, 36 <38>). Aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren, der das Recht des Beschuldigten umfasst, sich im Strafprozess von einem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen, kann sich aber ein solcher Anspruch ergeben, wenn der Beschuldigte in schwer wiegenden Fällen die Kosten eines gewählten Verteidigers nicht aufzubringen vermag (vgl. BVerfGE 39, 238 <243>; 46, 202 <210 f.>; 63, 380 <391>).

Die Entpflichtung eines Pflichtverteidigers aus wichtigem Grund kann geboten sein, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (vgl. BVerfGE 39, 238 <244>). Im Falle einer endgültigen und nachhaltigen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen Beschuldigtem und Verteidiger kann dies der Fall sein, wenn zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01 -, NJW 2001, S. 3695 <3697>).

b) Im Hinblick auf diesen Prüfungsmaßstab genügt der Vortrag des Beschwerdeführers nicht den Begründungserfordernissen.

Tatsachen, die besorgen ließen, dass die Verteidigung des Beschwerdeführers objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden könnte, legt dieser - wie schon des Landgericht und das Oberlandesgericht festgestellt haben - nicht dar. Die vom Beschwerdeführer angeführten Gesichtspunkte erschöpfen sich in Differenzen mit dem Verteidiger über die Verteidigungstrategie und angeblichen Versäumnissen des Verteidigers bei der Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte des Beschwerdeführers während seiner Inhaftierung. Darüber hinaus legt der Beschwerdeführer nicht dar, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, einen weiteren gewählten Verteidiger zu beauftragen.

2. Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Gebot der Schuldangemessenheit der Strafe geltend macht, genügt sein Vortrag den Begründungsanforderungen ebenfalls nicht.

a) Nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip darf die Strafe die Schuld des Täters nicht übersteigen. Sie muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <285 ff.>; 50, 5 <12>). Die Strafzumessung ist Sache der Tatgerichte und der Prüfung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich entzogen, es sei denn, die Strafzumessung entferne sich so weit von dem Gedanken des gerechten Schuldausgleichs, dass sie sich als objektiv willkürlich erweist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>; 54, 100 <108, 111>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2001 - 2 BvR 15/01 -, juris). Das Bundesverfassungsgericht kann nicht nachprüfen, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in jeder Hinsicht zutreffend gewichtet worden sind oder ob eine andere Entscheidung näher gelegen hätte (vgl. BVerfGE 95, 96 <141>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. April 1999 - 2 BvR 466/99 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Januar 1999 - 2 BvR 2178/98 -, juris).

b) Unter welchen Gesichtspunkten sich die Strafzumessung des Tatgerichts als objektiv willkürlich erweise, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Sein Vortrag erschöpft sich darin, seine eigene Rechtsauffassung von der Angemessenheit der Strafe an die Stelle derer des Tatgerichts zu setzen, ohne sich auch nur mit dessen Strafzumessungserwägungen auseinanderzusetzen. Damit lässt der Beschwerdeführer außer Acht, dass die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung der Gesetze und ihre Anwendung auf den einzelnen Fall grundsätzlich allein Sache der Strafgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen sind, es sei denn, dass spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist (vgl. BVerfGE 1, 418 <420>).

3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen § 354 Abs. 1 a StPO richtet, ist eine Beschwer nicht ersichtlich; das Revisionsgericht hat seine Entscheidung nicht auf diese Vorschrift gestützt.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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