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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.04.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 449/02
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 12
GG Art. 13
GG Art. 14
GG Art. 20
GG Art. 103
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 449/02 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Landgerichts Münster vom 26. Februar 2002 - 2 Qs 04/02 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 7. November 2001 - 5 Gs 505/01 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 27. April 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Münster vom 26. Februar 2002 - 2 Qs 04/02 - und der Beschluss des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 7. November 2001 - 5 Gs 505/01 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Münster zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anordnung einer Durchsuchung seiner Wohnräume in einem Verfahren wegen handwerksrechtlicher Verstöße.

I.

1. Der Beschwerdeführer führte bis zum 29. August 2001 ein Gewerbe, das als "Einbau von genormten Baufertigteilen" eingetragen war. Seit dem 28. August 2001 verfügt er über eine Reisegewerbekarte gemäß § 55 GewO, die ihm das Feilbieten und den Ankauf von Baustoffen und Beschlägen sowie das Anbieten und Aufsuchen von Bestellungen auf Baudienstleistungen aller Art gestattet. Eine Eintragung in der Handwerksrolle besteht nicht.

Bei einer Baustellenkontrolle am 12. September 2001 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit der Errichtung eines Dachstuhls für einen Erweiterungsbau an einem Wohnhaus beschäftigt war. Während der Kontrolle zeigte der Beschwerdeführer seine Reisegewerbekarte vor und gab an, die beanstandeten Leistungen im Reisegewerbe auszuführen.

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 7. November 2001 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung "der Wohnung und der Betriebsstätte" des Beschwerdeführers nach Beweismitteln, "insbesondere Verträgen, Aufträgen aller Art von und mit Kunden, Rechnungen, Bankbelegen, Buchführungsunterlagen, Mustern oder Mustermappen, Karteikarten, Terminkalendern, Schriftverkehr, aus dem hervorgeht, dass der Betroffene Schwarzarbeit ausführt" an. Es bestehe der Verdacht eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwarzArbG), weil der Beschwerdeführer fortdauernd und ohne Handwerksrolleneintragung das Zimmererhandwerk ausübe. Nach den Feststellungen der Kreishandwerkerschaft habe der Beschwerdeführer einen kompletten Dachstuhl errichtet.

3. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers wurden verschiedene Unterlagen, insbesondere auch zahlreiche Rechnungen aus der Zeit vor dem 28. August 2001, in der der Beschwerdeführer noch ein Handelsgewerbe führte, sichergestellt. Ob gesonderte Geschäftsräume des Beschwerdeführers bestanden, ergibt sich weder aus dem Vortrag des Beschwerdeführers noch aus den vorgelegten Akten.

4. Die gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht mit angegriffenem Beschluss vom 26. Februar 2002 als unbegründet. Nach dem Stand der Ermittlungen habe ein hinreichender Tatverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG bestanden. Der Beschwerdeführer habe im September 2001 für einen Erweiterungsbau einen kompletten Dachstuhl errichtet. Es habe sich hierbei um ein Bauvorhaben von nicht nur untergeordnetem Umfang und Ausmaß gehandelt; das Bauvorhaben könne vielmehr der Neuerrichtung eines Wohnhauses gleichgeordnet werden. Die von dem Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit sei dem Zimmererhandwerk zuzuordnen, mit dem der Beschwerdeführer nicht in die Handwerksrolle eingetragen sei. Zwar berechtige die dem Beschwerdeführer erteilte Reisegewerbekarte nach § 55 GewO auch zur Durchführung handwerklicher Leistungen im Rahmen reisegewerblich bestellter Dienstleistungen; jedoch seien Umfang und Ausmaß solcher im Reisegewerbe möglicher Handwerksleistungen eingeschränkt, da dem im Reisegewerbe tätigen Handwerker eine Werkstatt gerade nicht zur Verfügung stehe. Es bestünden daher ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Errichtung des Dachstuhls über den Umfang der im Reisegewerbe möglichen handwerklichen Leistungen hinausgegangen sei. Darüber hinaus habe der begründete Verdacht bestanden, dass der Beschwerdeführer möglicherweise auch für andere Bauherren handwerkliche Leistungen erbringe, die nicht mehr dem Reisegewerbe zuzuordnen seien. Die Durchsuchung sei angesichts der Stärke des bestehenden Verdachts und der Schwere des in Rede stehenden Ordnungsverstoßes auch nicht unverhältnismäßig gewesen.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12, Art. 13, Art. 14, Art. 20 und Art. 103 GG.

Er habe die beanstandete Tätigkeit berechtigt im Reisegewerbe ausgeübt. Er unterhalte keine Niederlassung und keine Werkstatt. Bei der Erstellung des in Frage stehenden Dachstuhls habe er zunächst den Holzbedarf ausgerechnet, dann das Holz bestellt und dieses vor Ort gesägt. Das notwendige Werkzeug führe er in seinem Fahrzeug mit sich.

Bei der Ausübung handwerklicher Tätigkeiten im Reisegewerbe sei eine Eintragung in der Handwerksrolle nur erforderlich, soweit das Handwerk tatsächlich im stehenden Gewerbe ausgeübt werde (§ 1 HwO) oder soweit dies in § 56 GewO ausdrücklich vorgesehen sei. Maßgeblich für die Abgrenzung handwerklicher Tätigkeit nach § 1 HwO von einer Tätigkeit im Reisegewerbe sei allein, wie der Auftrag zustande gekommen sei. Nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 GewO umfasse das Reisegewerbe auch das "Aufsuchen von Bestellungen auf Leistungen", so dass eine sofortige Leistungsbereitschaft nicht erforderlich sei. Es sei daher - entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 2000 (Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts - 1 BvR 2176/98 -, NVwZ 2001, S. 189 f.) - auch die Ausübung der vollen Kunstfertigkeit eines Handwerks im Reisegewerbe möglich. Die von den Ermittlungsbehörden aufgeworfene Frage, ob die Erstellung eines Dachstuhls noch durch die Reisegewerbekarte abgedeckt sei, habe nicht im Wege einer Durchsuchung geklärt werden können.

Darüber hinaus sei die Pflicht zur Eintragung des selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks in die Handwerksrolle nach § 1 HwO, welche regelmäßig erst nach Ablegung der Meisterprüfung möglich sei, mit Art. 12 GG nicht mehr zu vereinbaren. Außerdem begründeten europarechtliche Vorschriften eine Ungleichbehandlung von deutschen Handwerkern, die ihre Tätigkeit erst nach Ablegung der Meisterprüfung und Eintragung in die Handwerksrolle ausüben dürften, und EU-ausländischen Handwerkern, bei denen diese Einschränkung nicht gelte. Darüber hinaus seien die Vorschriften der Handwerksordnung insgesamt zu unbestimmt, so dass ein Verstoß gegen Art. 103 GG vorliege. Es bestehe keine gesetzliche Regelung dahingehend, welche Tätigkeiten ohne Eintragung in die Handwerksrolle erlaubt und welche verboten seien.

Ferner habe kein hinreichender Tatverdacht bestanden. Anlass für die Ermittlungsmaßnahmen sei eine einzige Baustellenkontrolle gewesen. Im Übrigen sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen, weil zuvor weniger einschneidende Ermittlungsmaßnahmen hätten ergriffen werden müssen.

III.

1. Das Land Nordrhein-Westfalen hat zu der Verfassungsbeschwerde nicht Stellung genommen.

2. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks weist hinsichtlich der Abgrenzung einer handwerklichen Tätigkeit im Reisegewerbe nach § 55 GewO von einer handwerklichen Tätigkeit mit stehendem Betrieb nach § 1 HwO auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 2000 - 1 BvR 2176/98 - hin. Das Bundesverfassungsgericht habe die zeitlich verzögerte Leistungserbringung sowie das Unterhalten einer gewissen betrieblichen Infrastruktur auch im Reisegewerbe für zulässig erachtet. Allein das Kriterium der Art der Geschäftsanbahnung erscheine aber nicht geeignet, eine sachgerechte Differenzierung zwischen Reisegewerbe und stehendem Betrieb herzustellen. Bei der Ausführung von Zimmererarbeiten liege es bereits außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass entsprechende Aufträge direkt auf Anfrage erteilt und konkrete Angebote über den Preis der zu erbringenden Leistungen unterbreitet werden können. Fraglich sei zudem, ob diese Tätigkeit ohne gewerbliche Niederlassung erbracht werden könne, da die Erstellung eines Dachstuhls regelmäßig Vorarbeiten wie etwa das Zuschneiden und Vorbehandeln des Holzes erforderten.

Hinsichtlich der allgemeineren Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung wegen des Verdachts eines handwerksrechtlichen Verstoßes sei von Bedeutung, in welcher Höhe die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bewehrt sei. Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO (Gesetz zur Ordnung des Handwerks in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998, BGBl I S. 3074) handle ordnungswidrig, wer entgegen § 1 HwO ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, wobei die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € (bis 31. Dezember 2001: 20.000 Deutsche Mark) geahndet werden könne. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995, BGBl I S. 165) handle ordnungswidrig, wer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbringe, indem er ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Hier sehe der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 SchwarzArbG einen Bußgeldrahmen von bis zu 100.000 € (bis 31. Dezember 2001: 200.000 Deutsche Mark) vor. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Ermittlungsrichter komme es daher auf die Frage an, ob sich der Anfangsverdacht auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO oder auf eine solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG beziehe. Beide Vorschriften seien Ausdruck eines unterschiedlichen Unrechtsgehalts und könnten somit Einfluss auf die Ermessenserwägung haben.

Andererseits stehe ein geringeres Angriffsmittel als die Durchsuchung und Beschlagnahme in der Regel nicht zur Verfügung. Auch sei die Aufforderung zur freiwilligen Herausgabe von Unterlagen regelmäßig erfolglos. Anfragen vor Durchführung von Durchsuchungsmaßnahmen würden diese oft zwecklos machen. Erst auf Grund der durchgeführten Durchsuchung und Beschlagnahme lasse sich nachweisen, dass Schwarzarbeit in weit größerem Umfang ausgeführt wurde, als ursprünglich angenommen.

Der Meisterzwang sei nach wie vor verfassungsgemäß. Die Gründe, die das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 13, 97 zur Vereinbarkeit des Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz genannt habe, bestünden unverändert fort.

3. Weiterhin hat der Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker Stellung genommen. Er hält die angegriffene Entscheidung für verfassungswidrig, da § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG verfassungswidrig seien. Angesichts der Höhe der Geldbußen und der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit gemäß § 17 Abs. 3 und 4 OWiG liege ein Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Schuldangemessenheit vor. Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig, da es sich um schwerwiegende Grundrechtseingriffe handele, der Vorwurf aber nur eine Ordnungswidrigkeit betreffe. Im Übrigen fehle eine genaue Prüfung des Tatverdachts der Ordnungswidrigkeit. Regelmäßig diene die Durchsuchung erst der Begründung eines solchen Tatverdachts und erfolge daher zum Zwecke der Ausforschung. Dies widerspreche dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Meisterzwang verstoße zudem gegen Art. 12 GG.

4. Dem Bundesverfassungsgericht hat der Verwaltungsvorgang vorgelegen.

IV.

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG, weil der empfindliche Eingriff einer Durchsuchung vorschnell und auf unzureichender Verdachtsgrundlage angeordnet wurde.

1. a) Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03 u.a. -, NJW 2004, S. 3171 <3172>). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Auslegung einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen.

b) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind darüber hinaus die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände sind Zweifel daran angebracht, ob die bis Ende des Jahres 2003 geltenden Regelungen über die Ausgestaltung des Meisterzwangs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 HwO a.F.) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch gerecht werden konnten. Wegen dieser Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die damals geltende Ausnahmeregelung des § 8 HwO a.F. mit Blick auf Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG großzügig anzuwenden ist (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2005 - 1 BvR 1730/02 -, DVBl 2006, S. 244 <246>). Diese Besonderheiten sind auch bei Durchsuchungsmaßnahmen zu berücksichtigen, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung stützen.

2. Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Die Annahme eines Tatverdachts hinsichtlich einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995, BGBl I S. 165) hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Während gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998, BGBl I S. 3074) ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 1 HwO ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt, liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995, BGBl I S. 165) vor, wenn Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbracht werden, obwohl der Betroffene ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 HwO in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998, BGBl I S. 3074). Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Bußgeldhöhen handelt es sich um unterschiedliche Regelungen zu Taten mit einem ebenfalls unterschiedlichen Unrechtsgehalt. Zur Begründung des Tatverdachts gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG die Darlegung der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang. Um diesen Anfangsverdacht verfassungsgemäß begründen zu können, ist erforderlich, dass Feststellungen getroffen werden, die nach einfachem Recht die Anwendung des Qualifikationstatbestands nachvollziehbar machen.

In beiden Fällen ist aber stets Voraussetzung, dass für die beanstandete(n) Tätigkeit(en) eine Eintragungspflicht in die Handwerksrolle gemäß § 1 HwO besteht. Die Eintragungspflicht fehlt aber in den Fällen, in denen handwerkliche Tätigkeiten im Rahmen eines Reisegewerbes gemäß §§ 55 ff. GewO ausgeübt werden. Auch im Rahmen von Art. 13 GG kommt es damit auf die Feststellungen zur Eintragungspflicht an. Je konkreter die Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Bußgeldtatbestandes, desto stärker ist der Anfangsverdacht. Fehlt dagegen jeglicher Anhaltspunkt für eine Eintragungspflicht, liegt ein schwacher Anfangsverdacht vor.

b) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf einem Auslegungsfehler des § 55 GewO, der auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung der Gerichte von der Bedeutung und dem Umfang der Grundrechte des Beschwerdeführers schließen lässt. Zwar ist den Fachgerichten darin zuzustimmen, dass Umfang und Ausmaß möglicher handwerklicher Leistungen im Reisegewerbe regelmäßig eingeschränkt sein werden, da eine Werkstatt im Sinne eines stehenden Betriebs bei Reisegewerbetreibenden nicht zur Verfügung steht (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 2000 - 1 BvR 2176/98 -, NVwZ 2001, S. 189 <190>). Auch wenn es sich bei den Tätigkeiten im Reisegewerbe damit tendenziell um Minderhandwerk handeln wird, ist es aber nicht ausgeschlossen, dass im Reisegewerbe auch einmal die volle Kunstfertigkeit eines Handwerks eingesetzt wird (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 2000, a.a.O). Dementsprechend können auch Tätigkeiten, bei denen der vollständige Leistungsumfang des Zimmererhandwerks zur Anwendung kommt, von einer Reisegewerbekarte gedeckt sein. Entscheidend für die Abgrenzung des Reisegewerbes von der Ausübung des Handwerks im stehenden Betrieb ist, dass beim Reisegewerbe die Initiative zur Erbringung der Leistung vom Anbietenden ausgeht, während beim stehenden Handwerksbetrieb die Kunden um Angebote nachsuchen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 2000, a.a.O.). Im vorliegenden Fall hätten die Ermittlungsbehörden vor einem so schwerwiegenden Eingriff wie der Durchsuchung ermitteln müssen, wie der Auftrag für die Errichtung des Dachstuhls zu Stande kam. Hierzu hätte der Auftraggeber befragt werden können.

Schließlich kann die im Einzelnen umstrittene Frage offen bleiben, ob allein die Existenz einer festen Werkstatt des Betroffenen dazu führt, dass auch auf Initiative des Anbietenden zustande gekommene handwerkliche Aufträge als handwerkliche Tätigkeiten im stehenden Gewerbe anzusehen sind (vgl. Hüpers, in: GewArch 2004, S. 230 <231 f.>; Friauf, Kommentar zur Gewerbeordnung - GewO, Vorbem. vor Titel III Rn. 93 ff.; anderer Ansicht: Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. November 2003 - 4 A 511/02 -, GewArch 2004, S. 32 <33>). Zum einen bestreitet der Beschwerdeführer vorliegend die Existenz und Nutzung einer Werkstatt. Aus den Ermittlungsakten ergeben sich auch keinerlei Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer unter seiner Wohnanschrift, etwa in einem Nebengebäude oder in einer Garage, auch noch eine Werkstatt betreibt. Zum anderen hätten die Fachgerichte etwaige Zweifel daran, ob der Beschwerdeführer eine Werkstatt unterhält und nutzt, durch vorherige Ermittlungen ausräumen müssen. Jedenfalls genügen Mutmaßungen dahingehend, dass die Errichtung eines kompletten Dachstuhls über den Umfang der im Reisegewerbe möglichen handwerklichen Leistungen hinausgehe, weil für Arbeiten von einem derartigen Umfang und Ausmaß regelmäßig handwerkliche Vorarbeiten erforderlich seien, für welche die Benutzung einer eigenen Werkstatt unerlässlich sei, nicht.

Insgesamt bestanden damit keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die beanstandete Tätigkeit nicht, wie von ihm angegeben, im Reisegewerbe ausübte. Um den Verdacht einer unerlaubten Handwerksausübung zu unterstützen, hätten die Ermittlungsbehörden zunächst weitere Ermittlungen, insbesondere zum Zustandekommen des Auftrags und zur Existenz einer Werkstatt, vornehmen müssen.

c) Unabhängig hiervon würde eine einzige Baustellenkontrolle zur Feststellung des "erheblichen Umfangs" der handwerklichen Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995, BGBl I S. 165) nicht ausreichen. Die Annahme des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe auch in anderen Fällen unerlaubt handwerkliche Leistungen ausgeübt, entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage. Insoweit mag allenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 HwO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998, BGBl I S. 3074) in Betracht gekommen sein, die aber - angesichts ihrer gegenüber § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG geringeren Schwere - eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetzte. Vorliegend ist nicht erkennbar, ob die Ermittlungsbehörden und die Fachgerichte überhaupt zwischen § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG und § 117 HwO differenzierten, da die Vorschrift des § 117 HwO nicht erwähnt wird. In Anbetracht des lediglich auf Vermutungen und Annahmen beruhenden Tatverdachts wäre die Durchsuchung, auch wenn sie auf § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO gestützt worden wäre, unverhältnismäßig gewesen.

3. Auf die Vereinbarkeit des für die Eintragung in die Handwerksrolle in der Regel erforderlichen Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz kommt es nach alledem nicht an. Die Frage kann hier offen bleiben, da jedenfalls eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG festzustellen ist, die der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhilft.

V.

Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

VI.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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