Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.05.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 480/04
Rechtsgebiete: BVerfGG
Vorschriften:
BVerfGG § 93a Abs. 2 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 480/04 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 29. Januar 2004 - 3 W 634/04 -,
b) den Haftbefehl des Landgerichts Traunstein vom 15. Dezember 2003 - 5 O 2078/03 -
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Di Fabio, Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. Mai 2004 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
Das Verfassungsrecht schreibt keinen lückenlosen Schutz gegen staatlichen Zwang zur Selbstbezichtigung ohne Rücksicht darauf vor, ob dadurch schutzwürdige Belange Dritter beeinträchtigt werden. Unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar wäre ein Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen. Handelt es sich hingegen um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses, ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 56, 37 <49>; s. auch zu Auskunftspflichten im Steuerverfahren: Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats (Vorprüfungsausschuss) vom 21. April 1988 - 2 BvR 330/88 -, wistra 1988, S. 302).
Diese Grundsätze lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. So begegnet es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, dass nach den einschlägigen zivilrechtlichen bzw. zivilprozessualen Vorschriften dem Rechtsschutzanspruch der Gläubigerseite Vorrang eingeräumt wird vor dem Schutz des Schuldners vor einer zwangsweise durchsetzbaren Selbstbelastung. Der Gesetzgeber berücksichtigt damit, dass es im Falle schuldrechtlicher Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten nicht allein um ein staatliches oder öffentliches Informationsbedürfnis, sondern zugleich um die Interessen gegebenenfalls geschädigter Dritter geht, die auf entsprechende Informationen regelmäßig angewiesen sind. Die Zubilligung eines Auskunftsverweigerungsrechts würde hier gerade denjenigen ungerechtfertigt bevorzugen, der zum Nachteil des Gläubigers besonders verwerflich gehandelt hat.
Das Ergehen des Haftbefehls im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen, abgestuften Vollstreckungsverfahrens nach § 888 Abs. 1 ZPO begegnet insoweit auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der als verfassungswidrig gerügte Zwang, im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens Angaben machen zu müssen, letztlich nur die prozessuale Konsequenz aus dem vom Beschwerdeführer hingenommenen Ergebnis des Erkenntnisverfahrens ist.
Zwar bedarf die gegenüber dem Gläubiger bestehende, vollstreckbare Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht gegebenenfalls einer Ergänzung durch ein im Wege verfassungskonformer Auslegung der einschlägigen Bestimmungen zu gewinnendes strafrechtliches Verwertungsverbot (vgl. dazu BVerfGE 56, 37 <50 ff.>). Ob und in welchem Umfang die erzwungenen Angaben in einem späteren Strafprozess zu einem Verwertungsverbot führen, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.