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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 14.01.2005
Aktenzeichen: 2 BvR 488/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 103
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 488/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 11. Februar 2004 - N 3 BLa 6/03 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 14. Januar 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 11. Februar 2004 - N 3 BLa 6/03 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Truppendienstgericht Nord zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

A.

I.

1. Der Beschwerdeführer leistete seit dem 1. April 2003 Grundwehrdienst. Am 2. April 2003 wurden alle Angehörigen seiner Kompanie in einer Außenstelle des Standortsanitätszentrums einem Test auf Rauschmittelrückstände im Urin unterzogen. Der Beschwerdeführer willigte auf einem Formular in die Untersuchung ein und gab, ebenso wie seine Kameraden, Urin in einen Probenbecher ab.

Nachdem das Ergebnis einer mit einem Teststreifen vorgenommenen Prüfung positiv ausfiel, wurde die Urinprobe des Beschwerdeführers von einem nicht zur Bundeswehr gehörenden, privat betriebenen Labor untersucht. Ein Drogenscreening ergab ein für Opiate positives und ein für Benzodiazepine negatives Ergebnis. Der schriftliche Befundbericht ging am 7. April 2003 bei der Außenstelle des Standortsanitätszentrums ein und wurde zu den dort über den Beschwerdeführer geführten Akten (sog. G-Karte) genommen, die der Karteikarte und den beigehefteten Unterlagen entsprechen, die ein Arzt über einen Patienten führt. Erst am 11. Juni 2003 wurde der Beschwerdeführer einbestellt, und ihm wurde von einem Arzt mitgeteilt, "dass durch den positiven Drogentest für Opiate vom 02.04.03, bestätigt durch Kontrolle im zivilen Labor medizinische Gründe vorliegen, die eine Teilnahme aus ärztlicher Sicht am Kraftverkehr für 3 Monate bis zu einem negativen Kontrolltest ausschließen." Einen Vermerk dieses Inhalts bestätigte der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift, gelesen und verstanden zu haben.

Eine von dem Beschwerdeführer selbst veranlasste, von einer laborärztlichen Praxis im Juni 2003 vorgenommene Untersuchung seines Urins auf Rauschgiftrückstände brachte ebenso ein negatives Ergebnis wie ein weiterer Drogentest bei der Bundeswehr im selben Monat.

Der Beschwerdeführer legte Beschwerde gegen die Eintragung in seiner G-Karte ein, soweit darin behauptet werde, bei ihm seien durch einen positiven Drogentest Opiate nachgewiesen worden. Die Beschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der er vortrug, der Befund beruhe auf einer falschen Diagnose und sei daher zu löschen. Der weiteren Beschwerde wurde stattgegeben, soweit sie sich gegen den Untersuchungsumfang richtete. Nach den gültigen fachdienstlichen Anweisungen hätte es keinen Grund für eine routinemäßige Überprüfung auf Drogen gegeben; diese Praxis sei inzwischen aufgegeben worden. Das Ergebnis des mit Einwilligung des Beschwerdeführers durchgeführten Tests sei aber dennoch verwertbar. Es gebe keinen Grund, an der Richtigkeit der Testergebnisse zu zweifeln; der Umstand, dass ein gut zwei Monate später durchgeführter Test negativ gewesen sei, sei nicht aussagekräftig.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung des Truppendienstgerichts. Ein vorschriftswidrig durchgeführter Test dürfe nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Zudem sei ihm durch die späte Bekanntgabe des Ergebnisses jede Möglichkeit genommen worden, sich umgehend von einem falschen Verdacht zu befreien.

2. Das Truppendienstgericht wies den Antrag mit dem angegriffenen Beschluss zurück. Bei Vorlage eines positiven, mit schriftlicher Einwilligung des Beschwerdeführers durchgeführten Tests sei der Truppenarzt im Hinblick auf die mögliche Gefährdung Dritter verpflichtet gewesen, auf die mangelnde Kraftfahrtauglichkeit des Beschwerdeführers hinzuweisen, selbst wenn die Durchführung des Tests selbst rechtswidrig gewesen sei. Es gebe auch keine Gründe, diesen Eintrag jetzt zu löschen. Er sei nur einem eng begrenzten Personenkreis zugänglich und habe keinen Eingang in die eigentlichen Personalakten gefunden, so dass die Möglichkeit künftiger Nachteile für den mit dem Ende seines Grundwehrdiensts aus der Bundeswehr ausgeschiedenen Beschwerdeführer ausgeschlossen sei.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 103 GG. Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht werde durch die Behauptung verletzt, er habe Drogen konsumiert. Unter dem Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG erlangte Informationen dürften nicht verwertet werden. Spätestens nach Ausscheiden des Beschwerdeführers aus der Bundeswehr bestehe kein Grund mehr, den Vermerk bei den Akten zu belassen, da nun auch keine Gefährdung Dritter durch einen dienstlichen Kraftfahrzeuggebrauch des Beschwerdeführers zu befürchten sei. Das Unwerturteil, Drogen konsumiert zu haben, bestehe und belaste den Beschwerdeführer auch weiterhin. Jedem informierten Leser der Personalakte werde der dreimonatige Ausschluss des Beschwerdeführers vom Kraftverkehr auffallen, der Rückschlüsse auf seine Ursachen zulasse, so dass das Ergebnis des Tests faktisch einem größeren Personenkreis bekannt werde als die Gesundheitsunterlagen selbst. Ein Verstoß gegen Art. 103 GG liege darin, dass dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit gegeben worden sei, den gegen ihn gerichteten Verdacht auszuräumen. Insbesondere habe das Gericht nicht geprüft, ob der Urin im Testlabor noch vorhanden sei und die Richtigkeit des Tests hätte überprüft werden können.

II.

1. Die Bundesregierung hat durch das Bundesministerium der Verteidigung Stellung genommen. Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. Die Aufbewahrung des inkriminierten Eintrags in der Personalakte des Beschwerdeführers sei zwar als Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht zu werten; dieser sei jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Ziel und Zweck der Personalakten sei es, ein möglichst vollständiges Bild von der Persönlichkeit des Soldaten zu geben und vor allem ein lückenloses Bild der Entstehung und Entwicklung des Dienstverhältnisses als historischen Geschehensablaufs zu vermitteln. Diese Zielsetzung bleibe auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses bestehen, worauf § 29 Abs. 6 Satz 1 SG hinweise. Der angegriffene Vermerk gehöre seiner Art nach zu den durch die G-Karte zu dokumentierenden personenbezogenen ärztlichen Aufzeichnungen über Untersuchung, Behandlung und Begutachtung des Soldaten und bewege sich innerhalb der gesetzlichen Zweckbestimmung. Der durchgeführte Test sei zum Nachweis von Drogenkonsum grundsätzlich geeignet und in seiner Validität durch das zivile Testlabor bestätigt worden. Einen aussagekräftigen Gegenbeweis habe der Beschwerdeführer nicht erbracht.

Die Entscheidung des Truppendienstgerichts sei auch verhältnismäßig. Der Test sei geeignet gewesen, die Kraftfahrzeugverwendungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen; zur Durchführung habe dieser seine vorherige schriftliche Einwilligung erteilt.

Auch die Aufbewahrung des Vermerks sei gesetzmäßig erfolgt. Der Zugang zu Gesundheitsunterlagen sei extrem beschränkt und werde nur dem fachlich zuständigen Sanitätspersonal im Rahmen seiner Auftragserfüllung gewährt. Nach Ausscheiden des Soldaten aus dem Dienst werde eine Archivierung der Gesundheitsunterlagen vorgenommen und anschließend die G-Karte an das zuständige Kreiswehrersatzamt übersandt, wo sie geführt werde, bis die Wehrüberwachung ende.

2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die über den Beschwerdeführer geführten Personalakten einschließlich der G-Karte und die Akten des truppendienstgerichtlichen Verfahrens vorgelegen.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

I.

Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Truppendienstgericht hat die Folgen, die sich aus einem rechtswidrigen Drogenscreening für die Aufbewahrung oder Speicherung dieser Daten ergeben, nicht zutreffend festgestellt.

1. Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis jedes Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmten. Im überwiegenden Allgemeininteresse müssen Einschränkungen dieses Rechts hingenommen werden. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist. Das Grundrecht verlangt verfahrensrechtliche Schutzvorkehrungen wie Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten, die der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken (vgl. BVerfGE 65, 1 <44, 46>; 67, 100 <143>; 78, 77 <84 ff.>; 84, 239 <279 f.>).

2. Die Feststellung der Opiathaltigkeit einer Urinprobe sowie der nahe liegende Schluss, die untersuchte Person habe Rauschmittel zu sich genommen, sind personenbezogene Daten, deren Erhebung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausformung als grundrechtlicher Datenschutz eingreift. Dieser Eingriff war nicht gerechtfertigt.

a) Es mag im überwiegenden Allgemeininteresse liegen, Soldaten, die für die Verwendung als Kraftfahrer oder als Führer und Benutzer anderer Geräte und Waffen vorgesehen sind, von denen erhebliche Gefahren für Personen und Sachwerte ausgehen können, darauf zu überprüfen, ob sie Rauschmittel zu sich nehmen. Die Wirkung eingenommener Rauschmittel kann die Zuverlässigkeit bei der Beherrschung gefahrgeneigter Betriebsabläufe erheblich einschränken oder sogar ganz aufheben. Ob durch dieses Interesse auch anlasslose, nicht auf einem Verdacht des Rauschmitteleinflusses beruhende Kontrollen gerechtfertigt sein können, kann hier dahinstehen.

b) Es bedarf keiner Erörterung, welcher Rechtsgrundlage eine Kontrolle, wie sie bei dem Beschwerdeführer und den anderen Angehörigen seiner Kompanie durchgeführt wurde, in förmlichen Gesetzen und ausführenden Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung bedurft hätte. Dass ein verdachtsunabhängiges, routinemäßiges Drogenscreening nicht von den Erlassen und sonstigen Vorschriften des Bundesministers der Verteidigung gedeckt war, ist zwischen den Beteiligten des truppendienstgerichtlichen Verfahrens nicht umstritten.

3. Das Truppendienstgericht hat aber verkannt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers bei der Datenerhebung in einer Weise verletzt wurde, die einer Verwendung der erhobenen Daten hier entgegenstehen muss.

a) Das Erheben und Verwenden personenbezogener Daten kann nur dann im überwiegenden Allgemeininteresse liegen und kann nur dann dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen, wenn eine ausreichende Richtigkeitsgewähr gegeben ist. Am Erheben, Speichern und Verwenden von Daten, die den fraglichen tatsächlichen Umstand möglicherweise unzutreffend abbilden, kann ein Interesse nicht bestehen, denn solche Daten sind nicht geeignet, als Grundlage inhaltlich zutreffender Entscheidungen zu dienen.

Die Gefährdung des Persönlichkeitsrechts durch das Erheben unrichtiger Daten ist desto größer, je empfindlicher die Datenverwendung den Lebensbereich des Betroffenen berühren kann. Die grundrechtlich gebotenen verfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen verlangen dann eine Gestaltung des Vorganges der Datenerhebung und Datenverwendung, mit der die inhaltliche Richtigkeit des erhobenen Datums sichergestellt wird. Dazu können Maßnahmen zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts eines Datums beitragen sowie Anhörungs- und Beteiligungsrechte des Betroffenen, der die Chance erhalten muss, etwaige Fehlinformationen richtig zu stellen (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Loseblatt [Februar 2004], Art. 2 Abs. 1 Rn. 137).

b) Die Durchführung des Urintests bei dem Beschwerdeführer sah solche verfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen nicht vor, obwohl ein den betreffenden Lebensbereich empfindlich berührendes Datum erhoben wurde.

Wird aus einem positiven Ergebnis des Urintests der Schluss gezogen, ein Soldat habe Rauschmittel zu sich genommen, so kann dies zu seiner Stigmatisierung beitragen. Diejenigen, denen das Testergebnis zur Kenntnis gelangt, können damit ein Unwerturteil über den Soldaten verbinden. Es liegt auch nahe, dass der Soldat auf Grund eines positiven Testergebnisses von bestimmten gefahrgeneigten Tätigkeiten ausgeschlossen wird, weil Zweifel an seiner Zuverlässigkeit gehegt werden. Das kann sich erheblich nachteilig auswirken, weil diese gefahrgeneigten Tätigkeiten zu den interessanten, anspruchsvollen Verwendungen innerhalb der Bundeswehr zählen können, die dem Soldaten eine seine Fähigkeiten fordernde und ihn persönlich ausfüllende Gestaltung seines Grundwehrdienstes oder einer freiwilligen weiteren Dienstzeit ermöglichen.

Dennoch sind in dem vorliegenden Fall selbst nahe liegende Maßnahmen nicht ergriffen worden, um die inhaltliche Richtigkeit des mit dem Urintest erhobenen Datums zu gewährleisten. Dazu reichte es nicht aus, das Ergebnis des zunächst vorgenommenen Farbumschlagtests durch eine gründlichere und zuverlässigere Laboranalyse in einem nicht zur Bundeswehr oder einer anderen Behörde gehörenden Institut zu bestätigen. Damit wurde nur der Opiatgehalt der fraglichen Urinprobe bestätigt, nicht aber, dass die Probe wirklich von dem Beschwerdeführer stammte. Es bestand aber dringender Anlass, gerade die Richtigkeit der Zuordnung einer nach dem Farbumschlagtest positiven Probe zu dem Beschwerdeführer sicherzustellen. Dazu drängte die Fehleranfälligkeit der Probenentnahme bei einer Vielzahl von Personen in zeitlich und räumlich engem Zusammenhang. Die Probanden waren in Kompaniestärke in der Außenstelle des Sanitätszentrums erschienen und hatten nacheinander die abgegebenen Urinproben zum Test zu präsentieren. Die Gefahr einer Verwechslung und damit falschen Zuordnung einer Probe und eines Testergebnisses zu einem Probanden muss in dieser Lage weitestgehend ausgeschlossen werden. Es genügt nicht, sich darauf zu verlassen, die Soldaten bildeten die gleiche Reihenfolge wie die zum Test aufgestellten gefüllten Urinbecher, wie es das Truppendienstgericht in der angegriffenen Entscheidung beschreibt. Der Gefahr eines Vertauschens der Urinbecher in der aufgestellten Reihe, etwa dadurch, dass der Tester versehentlich nicht den in der Reihe vorne, sondern einen weiter hinten stehenden Becher heranzieht, wird dadurch nicht wirksam begegnet. Die Vielzahl der gleichförmig durchgeführten Tests birgt mit der sich einstellenden Routine ein erhebliches Fehlerrisiko. Dieses Risiko hätte wegen der erheblichen Bedeutung des Testergebnisses für die Probanden minimiert werden müssen.

Eine Richtigkeitsgewähr des Testergebnisses hätte zum Beispiel dadurch sichergestellt werden können, dass diejenigen Soldaten, denen nach dem Farbumschlagtest ein positives Testergebnis zugeordnet wurde, aus dem routinemäßigen Ablauf des Tests herausgenommen werden, um außerhalb der fehleranfälligen Routine eine zweite Probe abzugeben, die wegen des nun individualisierten Vorgehens sicher hätte zugeordnet werden können. Wenn die Laboranalyse beider Proben zum selben, positiven Ergebnis geführt hätte, wäre ein mit Richtigkeitsgewähr versehenes Datum erhoben worden. Das bei Dopingkontrollen im Sportbetrieb geläufige Absichern des Ergebnisses durch so genannte A- und B-Proben ist auch zum Erheben anderer empfindlicher Daten geeignet.

Der Ablauf des bei dem Beschwerdeführer vorgenommenen Drogentests enthielt solche nahe liegenden Vorkehrungen zum Ausschluss möglicher Fehler und damit zur Sicherung der Richtigkeit der erhobenen Daten nicht. Den vorgelegten Akten ist dafür nichts zu entnehmen. Selbst die vom Truppendienstgericht für ausreichend gehaltene Kennzeichnung des Probenbechers mit dem Namen des Probanden ist nicht dokumentiert. Es ist daher nicht nachprüfbar, ob der sicherere Weg einer Kennzeichnung vor Probenabgabe gewählt wurde.

Da Vorkehrungen zur Richtigkeitsgewähr zu den das Grundrecht sichernden und deshalb durch das Grundrecht selbst angeordneten Verfahrensrechten gehören, kommt es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer einen Fehler im Testverlauf substantiiert behauptet oder "nur in den Bereich des Möglichen gerückt" hat, wie das Truppendienstgericht ihm vorhält. Beim Erheben so empfindlicher wie der hier fraglichen Daten, ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nur gerechtfertigt, wenn ein die Richtigkeitsgewähr sicherndes Verfahren eingehalten wird. Fehlt es, so ist das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt, auch wenn der Betroffene einen Fehler nicht sicher nachweisen kann.

Nicht nur den Testablauf begleitende Sicherungen zur Richtigkeitsgewähr sind missachtet worden, auch eine Beteiligung des Beschwerdeführers bei der Datenerhebung hat nicht in einer Weise stattgefunden, die es ihm hätte ermöglichen können, einer etwaigen Fehlerhaftigkeit des festgestellten Testergebnisses entgegenzutreten.

Dem Beschwerdeführer ist das Testergebnis erst nach mehr als zwei Monaten eröffnet worden. Sachliche Gründe für diesen Verzug sind nicht ersichtlich.

c) Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt den Einzelnen vor einer unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten und steht so einer umfassenden Registrierung und Katalogisierung seiner Persönlichkeit entgegen. Als verfahrensrechtliche Schutzvorkehrungen können Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten sich unmittelbar aus der Verfassung ergeben (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 2 Abs. 1, Rn. 178).

Jedenfalls in einem Fall, in dem eine hinreichende Richtigkeitsgewähr eines Befundes nicht gewährleistet ist, der erhebliche Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen haben kann, ist eine Aufbewahrung dieser Unterlagen selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn die Unterlagen nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind.

II.

Der angegriffene Beschluss beruht auf der Verkennung der Grundrechtsverletzung bei der Datenerhebung. Er ist deshalb aufzuheben. Die Sache wird an das Truppendienstgericht Nord zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

III.

Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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