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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 518/07
Rechtsgebiete: BVerfGG
Vorschriften:
BVerfGG § 93a | |
BVerfGG § 93a Abs. 2 | |
BVerfGG § 93b |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 518/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2007 - 3 Ws 141/07 -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Februar 2007 - 3 Ws 141/07 -,
c) den Beschluss des Landgerichts Kassel vom 27. November 2006 - 4820 Js 33856/04 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 17. November 2007 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben ist. Ihr kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung von einfachem Recht den grundgesetzlichen Wertmaßstäben Rechnung zu tragen. Allerdings ist der diesbezügliche Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts beschränkt: Nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin eingreifen. Dabei sind die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts nicht immer allgemein klar abzustecken; dem richterlichen Ermessen muss ein gewisser Spielraum bleiben, der die Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalls ermöglicht. Die Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen Rechts sind so lange der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, wie nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>).
2. Die Beschlagnahme der Tagebücher verletzt die Grundrechte des Beschwerdeführers nicht. Ein letzter unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung ist unter dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen (vgl. BVerfGE 6, 32 <41>; 54, 143 <146>; stRspr). Allein die Aufnahme in ein Tagebuch oder eine ähnliche private Aufzeichnung ordnet eine Information indes nicht diesem absolut geschützten Bereich zu und entzieht sie deshalb auch nicht in jedem Fall dem staatlichen Zugriff. Besteht Anlass zur Annahme, dass die Aufzeichnungen auch über strafbare Handlungen Aufschluss geben, dann besteht kein verfassungsrechtliches Hindernis, solche Schriftstücke im Strafverfahren zu verwerten. Bei der diesbezüglichen Durchsicht ist größtmögliche Zurückhaltung zu wahren (vgl. BVerfGE 80, 367 <374 f.>). Die Verfassungsmäßigkeit bereits der Beschlagnahme von Tagebüchern kann daher nur dann berührt sein, wenn eine Verwertbarkeit des gesamten Inhalts einer Aufzeichnung daher von vornherein ausgeschlossen werden könnte. Gehören private Aufzeichnungen nicht zum absolut geschützten Kernbereich, so bedarf ihre Verwertung im Strafverfahren der Rechtfertigung durch ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit. Hierbei hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung hervorgehoben (vgl. BVerfGE 77, 65 <76>; 80, 367 <375>).
3. Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben sind die angegriffenen Beschlüsse nicht zu beanstanden. Eine Verkennung der Bedeutung grundgesetzlicher Wertmaßstäbe ist im vorliegenden Fall nicht zu rügen. Die beschlagnahmten Tagebücher betreffen nicht den absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung. Zwar war eine Beschlagnahme nicht bereits deshalb zulässig, weil Unklarheit über den Inhalt der Tagebücher bestand; denn etwaige Unklarheiten wurden bereits durch die vorherige Durchsicht der Tagebücher beseitigt. Gleichwohl ist die Einschätzung des Landgerichts Kassel, dass es sich bei den Eintragungen nicht nur um reine Phantasien und Wünsche des Beschwerdeführers ohne jeglichen Beweiswert, sondern - jedenfalls teilweise - um wichtige Informationen über strafrechtlich relevantes Verhalten handelt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass die Richter bei der von ihnen vorgenommenen Abwägung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers außer Acht gelassen oder seine Bedeutung völlig verkannt haben. Die Taten, wegen derer der Beschwerdeführer angeklagt war, stellten - gemessen an der angedrohten Höchststrafe - zwar keine außerordentlich schwer wiegende strafbare Handlung dar (vgl. BVerfGE 80, 367 <377>). Jedoch war die Strafverfolgung dadurch erschwert, dass jedenfalls im Hinblick auf die Anklage des sexuellen Missbrauchs von Kindern keine weiteren verwertbaren Zeugenaussagen zur Verfügung standen. Darüber hinaus war den Gerichten auch ein weiter Spielraum zuzubilligen, weil die Entscheidung über die Beschlagnahme der Tagebücher, wie in den angegriffenen Beschlüssen übereinstimmend festgestellt wird, noch nicht die endgültige Entscheidung über die Verwertung derselben im Hauptsacheverfahren vorwegnahm. Ein offensichtliches Verwertungsverbot, welches eine Beschlagnahme unzulässig gemacht hätte, wurde in verfassungsrechtlich vertretbarer Sicht nicht angenommen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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