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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 10.05.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 588/08
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 588/08 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2008 - 11 L 709/08.F.A(2) -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Mellinghoff, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt am 10. Mai 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. März 2008 - 11 L 709/08.F.A(2) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes; er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung des Art. 6 GG zugunsten des Vaters eines im Bundesgebiet lebenden Kindes.

I.

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste 1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seine Asylbegehren blieben erfolglos. Einer im Jahre 2003 geplanten Abschiebung entzog er sich durch Untertauchen. Der Beschwerdeführer ist Vater des im Juli 2007 von der kolumbianischen Staatsangehörigen M. geborenen Sohns Juan. Die Mutter besitzt eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für ihre Tochter Hanna, die - abgeleitet vom Vater - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Bisher liegen eine notarielle Anerkennung der Vaterschaft und eine notarielle Erklärung über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge für das Kind Juan vor; die Geburtsurkunde wurde noch nicht geändert, eine Sorgerechtserklärung gegenüber dem Jugendamt nicht abgegeben. Im März 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Er lebe mit seinem Kind und dessen Mutter in einer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. Die beabsichtigte Eheschließung sei bisher an der fehlenden Anerkennung seiner Scheidung durch die Türkei gescheitert. Er sei nur im Besitz eines bis zum 29. Mai 2008 gültigen Reisepasses. Da er seinen Wehrdienst in der Türkei bislang nicht abgeleistet habe, bekomme er kein länger gültiges Ausweispapier. Eine längerfristige Abwesenheit zur Ableistung des 15monatigen Wehrdienstes sei ihm aber im Hinblick auf die Vater-Kind-Beziehung unzumutbar. Außerdem beantragte der Beschwerdeführer bei der Ausländerbehörde die Aussetzung der Abschiebung und beim Verwaltungsgericht Eilrechtsschutz gemäß § 123 VwGO.

Mit Beschluss vom 18. März 2008 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Dem Beschwerdeführer komme schon gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG kein vorläufiges Bleiberecht zu; daher habe er die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vom Ausland aus zu betreiben.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei nicht ersichtlich. Da das Kind des Beschwerdeführers nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, sondern die kolumbianische seiner Mutter teile, komme ein zu sichernder Anspruch, im Inland die Personensorge zu erlangen und auszuüben, von vornherein nicht in Betracht. Vor diesem Hintergrund sei auch nicht ersichtlich, dass aus der Vaterschaft und der tatsächlich gelebten familiären Gemeinschaft ein Aufenthaltserlaubnisanspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG erwüchse. Solange der Beschwerdeführer mit der Kindsmutter die Ehe noch nicht geschlossen habe, komme auch ein Familiennachzug zu ihr nicht in Frage, unabhängig davon, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts und das Fehlen eines Ausweisungsgrundes beim Beschwerdeführer nebst den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG vorlägen.

Ein Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung fehle, weil der Beschwerdeführer ein Daueraufenthaltsrecht anstrebe. Die Erteilung einer Duldung komme allenfalls in den Fällen und für die Zeiträume in Betracht, in denen über den bloßen Bestand einer familiären Lebensgemeinschaft hinaus besondere Umstände vorlägen, die eine vorübergehende Trennung der Familienangehörigen als unzumutbar erscheinen ließen, und eine Abschiebung deshalb aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unmöglich sei. Im Falle des Beschwerdeführers bestünden indessen keine ausreichend substantiierten Anhaltspunkte dafür, dass solche besonderen Umstände anzunehmen wären. Die im Regelfall vorgesehene Verpflichtung, auch im Falle der gewünschten Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet vor der Einreise ein Visum einzuholen, verletze Art. 6 GG nicht und begründe damit kein rechtliches Abschiebungsverbot. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, BVerfGK 7, 49 ff., und vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 ff.) sei ein regelungsfähiger Duldungsanspruch nicht gegeben. Anders als in den dort zugrundeliegenden Fällen seien weder das gemeinsame Kind noch die Lebensgefährtin deutsche Staatsangehörige. Vielmehr seien beide kolumbianische Staatsangehörige. Hinsichtlich des Kindes komme in Betracht, dass die förmliche Vaterschaftsanerkennung zu Erwerb oder Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit führe. Es sei daher prinzipiell möglich, die Lebensgemeinschaft auch im Ausland zu führen. Die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes Hanna stehe einer zeitweiligen Verlagerung sämtlicher Mitglieder der Lebensgemeinschaft ins Ausland nicht entgegen. Weder schulische noch erkennbare außerfamiliäre Betreuungsverhältnisse noch anderweitige persönliche Bindungen oder ein inländisches Erwerbsverhältnis machten den ununterbrochenen Verbleib im Inland erforderlich. Nach den eidesstattlichen Versicherungen der Mutter bestehe ein Kontakt des Kindes Hanna zu seinem leiblichen Vater so gut wie nicht. Der letzte Kontakt liege jedenfalls Monate zurück.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung einstweiligen Rechtschutzes. Er rügt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG. Das Verwaltungsgericht berücksichtige nicht die zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Kind bestehende enge Vater-Kind-Beziehung und die Familienbeziehung zu dessen Mutter und deren Tochter. Eine Abschiebung und die damit verbundene räumliche Trennung des Beschwerdeführers bewirke einen Abbruch der Vater-Kind-Beziehung; diese könne auch nicht in der Türkei in zumutbarer Weise fortgesetzt und aufrechterhalten werden. Ausländerrechtliche Interessen vermöchten den Abbruch dieser Beziehung nicht zu rechtfertigen. Ein Umzug der Familie in die Türkei zur Aufrechterhaltung der Lebens- und Erziehungsgemeinschaft sei weder seinem Sohn noch seiner Lebensgefährtin und deren Tochter möglich oder zuzumuten. Es sei derzeit nicht abzusehen, ob ihnen zeitnah Aufenthaltstitel für die Türkei erteilt werden könnten. Möglicherweise könne die Vaterschaftsanerkennung und eine mögliche Eheschließung zwar ein Aufenthaltsrecht in der Türkei vermitteln. Beide Verfahren würden aber eine erhebliche Bearbeitungszeit beanspruchen. Außerdem fehle in der Türkei eine Lebensgrundlage. Dort müsse der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst ableisten und könne während dessen kein Geld verdienen. Schließlich könne der Tochter Hanna wegen ihrer deutschen Staatsangehörigkeit der Umzug in die Türkei zur Aufrechterhaltung der familiären Lebens- und Erziehungsgemeinschaft nicht zugemutet werden, zumal sie voraussichtlich im Sommer 2009 eingeschult werde. Im Falle der Ausreise des Beschwerdeführers sei das Wohl des Kindes Juan erheblich beeinträchtigt. Gegenüber den wahrscheinlichen und schwerwiegenden Belastungen für das Kind seien die Folgen eines Verbleibs des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland geringer zu gewichten.

III.

Das Hessische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer begründenden Weise (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Der Beschwerdeführer hat insbesondere den Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft und kann nicht auf die noch ausstehende Entscheidung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden; der hier geltend gemachte Grundrechtsverstoß beruht gerade auf der Versagung von Eilrechtsschutz (vgl. dazu BVerfGE 35, 382 <397 f.>). Bereits die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes hat die Möglichkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers und damit die Vereitelung des von ihm beanspruchten Rechts auf ein ununterbrochenes familiäres Zusammenleben zur Folge.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>; BVerfGK 7, 49 <54 f.>). Das Grundgesetz überantwortet die Entscheidung, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werden soll, weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt (vgl. BVerfGE 76, 1 <47 f., 51 f.>; 80, 81 <92>; BVerfGK 7, 49 <54 f.>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht der Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <83>; BVerfGK 2, 190 <193 f.>; 7, 49 <55>).

Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfGE 76, 1 <42 f.>), wobei grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>).

Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 7. November 1984 - 2 BvR 1299/84 -, NVwZ 1985, S. 260; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 -, juris). Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Ziff. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen.

Kann die bereits gelebte Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil weder dem Kind noch seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zumutbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 862 f.), so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor der Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67).

2. Die angegriffene Entscheidung trägt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht hinreichend Rechnung. Bei Verneinung der Frage, ob der Beschwerdeführer zunächst im Bundesgebiet zu dulden ist, würdigt das Verwaltungsgericht die Bedeutung von Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG nicht in dem gebotenen Umfang. Das Verwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer vorläufigen Rechtsschutz zur Aufrechterhaltung seiner durch Art. 6 GG geschützten familiären Lebensgemeinschaft aufgrund von Erwägungen versagt, die in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht unzureichend sind. Im vorliegenden Fall drängt die von dem Beschwerdeführer und seinem Sohn seit dessen Geburt gelebte familiäre Vater-Kind-Beziehung die mit den Einreisevorschriften des Aufenthaltsgesetzes verfolgten einwanderungspolitischen Belange jedenfalls bis zu einer näheren Klärung der tatsächlichen familiären Umstände sowie der aufgeworfenen Fragen des ausländischen Rechts und damit der Zumutbarkeit, die familiäre Lebensgemeinschaft im Ausland fortzusetzen, zurück.

Das Verwaltungsgericht stellt die gelebte familiäre Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner kolumbianischen Lebensgefährtin, deren Tochter und dem gemeinsamen Kind nicht in Frage. Sofern es allerdings in Betracht gezogen hat, dass diese Lebensgemeinschaft in der Türkei fortgelebt werden könne, hat es die Bedingungen für einen Umzug der Familie in die Türkei nicht hinreichend ermittelt. Dass für das gemeinsame Kind, dessen Mutter sowie deren Tochter, die die kolumbianische bzw. die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, nach türkischem Recht die Möglichkeit besteht, ohne weiteres Aufenthalt in der Türkei zu nehmen, wird in dem Beschluss nur vermutet. Nicht hinreichend gewürdigt hat das Verwaltungsgericht auch, dass angesichts fehlender türkischer Sprachkenntnisse und mangelnder wirtschaftlicher Unabhängigkeit der Familie die Verlagerung ihres Lebensmittelpunktes in die Türkei jedenfalls für die Dauer des Wehrdienstes des Beschwerdeführers, während dessen er weder als Betreuungsperson noch als kultureller Vermittler oder Ernährer der Familie zur Verfügung stehen dürfte, erhebliche Probleme aufwerfen würde. Wenn die Weiterführung der Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind zunächst aber nur in der Bundesrepublik möglich ist - die Möglichkeit eines gemeinsamen Aufenthalts in Kolumbien wird vom Verwaltungsgericht nicht erörtert -, ist die Unterbrechung des Aufenthalts für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum unzumutbar. Daran ändert nichts, dass die Gründe für die voraussichtlich über die Länge des normalen Visumverfahrens hinausgehende Trennung in der Sphäre des Beschwerdeführers zu verorten sind, nämlich in dem von ihm zu leistenden Wehrdienst. Dass der Beschwerdeführer mit seinem rund fünfjährigen unerlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland Ausweisungsgründe gesetzt hat, ist gegenüber dem Anspruch auf Bewahrung der familiären Lebensgemeinschaft ebenfalls von minderem Gewicht.

III.

Der angegriffene Beschluss beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben und einer umfassenden Ermittlung und Würdigung aller Umstände zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93 Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG den angegriffenen Beschluss auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

Ende der Entscheidung

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