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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 596/01
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG
Vorschriften:
GG Art. 103 Abs. 1 | |
BVerfGG § 93a Abs. 2 Ziffer a | |
BVerfGG § 93a Abs. 2 Ziffer b | |
BVerfGG § 90 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 596/01 -
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
gegen das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 1. März 2001 - VerfGH 20/00 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 25. März 2004 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Beschwerdeführerin ist eine Gemeinde in Thüringen. Sie wendet sich gegen ihre Auflösung und die Eingliederung ihres Gebiets in die Gemeinde R. durch das Gesetz zur Neugliederung der kreisangehörigen Gemeinden L. und Stadt S. vom 19. September 2000 (GVBl S. 280). Das Gesetz war Gegenstand der angegriffenen Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs. Die Beschwerdeführerin rügt, der Verfassungsgerichtshof habe das Gebot rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG).
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht vorliegt. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Ziffer a BVerfGG) noch ist die Annahme zur Durchsetzung der gerügten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Ziffer b BVerfGG). Sie ist unzulässig, weil die Beschwerdeführerin nicht gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG antragsberechtigt ist. Die Beschwerdeführerin kann hier die Verletzung der grundrechtsgleichen Gewährleistung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht geltend machen, weil sich die Rüge auf ein Verfahren des Landesverfassungsgerichts bezieht, in dem eine landesverfassungsrechtliche Streitigkeit in der Sache abschließend entschieden wurde.
Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte sind mit der Verfassungsbeschwerde angreifbare Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 13, 132 <140>; 85, 148 <157>). Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG binden die Landesverfassungsgerichte an die Grundrechte und die grundrechtsgleichen Gewährleistungen, zu deren Schutz das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG angerufen werden kann. Das setzt aber voraus, dass es im Ausgangsverfahren um Rechte ging, die dem Beschwerdeführer als Grundrechtsträger zustehen. Das ist hier nicht der Fall.
Für die grundrechtsgleichen Rechte des rechtlichen Gehörs und des gesetzlichen Richters ist zwar anerkannt, dass sich juristischen Personen des öffentlichen Rechts in ihrer Eigenschaft als Prozesspartei auf Art. 103 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berufen können (vgl. BVerfGE 6, 45 <49 f.>; 13, 132 <140>; 61, 82 <104>; 69, 112 <120>). Besonderheiten ergeben sich aber bei Verfassungsbeschwerden gegen landesverfassungsgerichtliche Entscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht berufen, Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte zu überprüfen, die in landesverfassungsgerichtlichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten ergangen sind, die gesetzlich bestimmte Funktionen im Verfassungsleben des Landes wahrnehmen (vgl. BVerfGE 6, 445 <449>; 30, 112 <122>). Das gilt auch für die mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachte Rüge der Verletzung von grundrechtsgleichen Gewährleistungen durch ein Landesverfassungsgericht, wenn sie sich auf ein Verfahren des Landesverfassungsgerichts bezieht, in dem dieses eine landesverfassungsrechtliche Streitigkeit in der Sache abschließend entscheidet (BVerfGE 96, 231 <242 f.>). In diesem Fall kann mit der Verfassungsbeschwerde nicht geltend gemacht werden, das Landesverfassungsgericht habe Justizgrundrechte verletzt (vgl. BVerfGE 96, 231 <243 f.>). Das Grundgesetz erkennt mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG an, dass ein Land interne - grundrechtlich geschützte Rechte nicht berührende - Streitigkeiten unter Funktionsträgern der Staatsgewalt im Land aufgrund eigener Verfassungsgerichtsbarkeit - ohne jede bundesverfassungsgerichtliche Einwirkung - in der Sache abschließend entscheiden kann.
Auch in kommunalen Streitigkeiten, die Gegenstand einer landesrechtlichen Kommunalverfassungsbeschwerde sind, entscheidet das Landesverfassungsgericht in einem durch die Subsidiaritätsklausel in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG vor bundesverfassungsgerichtlicher Einflussnahme geschützten Freiraum, der landesinterne - grundrechtlich geschützte Rechte nicht berührende - Streitigkeiten unter Funktionsträgern der Staatsgewalt im Lande umfasst. Die Gemeinden bilden gemäß Art. 28 GG einen wesentlichen Bestandteil der staatlichen Gesamtorganisation. Das Grundgesetz hat sich innerhalb der Länder für einen auf Selbstverwaltungskörperschaften ruhenden Staatsaufbau entschieden (vgl. BVerfGE 52, 95 <111 f.>; 79, 127 <149>; 83, 37 <54>).
Über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Art. 28 GG durch ein Landesgesetz entscheidet das Bundesverfassungsgericht nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG). Die Subsidiaritätsklausel weist den Landesverfassungsgerichten einen prinzipiellen Vorrang beim Rechtsschutz der Kommunen gegen Landesrecht zu. Der Freistaat Thüringen hat von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, seinen Kommunen verfassungsrechtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten. In Thüringen können Gemeinden und Gemeindeverbände Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof mit der Behauptung erheben, in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 91 Abs. 1 und 2 ThürVerf verletzt zu sein (Art. 80 Abs. 1 Nr. 2 ThürVerf, § 31 Abs. 2 ThürVerfGHG). Der durch die Subsidiaritätsklausel in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG vor bundesverfassungsgerichtlicher Einflussnahme geschützte Freiraum des Landes und die insoweit anerkannte Unantastbarkeit der Landesverfassungsgerichtsbarkeit würden für einen Teilbereich wieder beseitigt, wenn das Bundesverfassungsgericht kontrollieren dürfte, ob die Landesverfassungsgerichte im Verfahren der kommunalen Streitigkeiten die grundrechtsgleichen Gewährleistungen beachtet haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat daher eine vom Thüringer Verfassungsgerichtshof abschließend entschiedene Frage der kommunalen Neugliederung nicht noch einmal am Maßstab des Art. 28 GG zu prüfen, auch nicht im Gewande einer gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gerichteten Verfassungsbeschwerde. Es prüft nicht, ob das Landesverfassungsgericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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