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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 629/06
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 629/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Februar 2006 - 14 K 5542/05.A -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Mellinghoff, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt am 7. November 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 6. Februar 2006 - 14 K 5542/05.A - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung der Asylklage des Beschwerdeführers im zweiten Folgeverfahren als offensichtlich unbegründet. Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger und gehört der Glaubensgemeinschaft der Sikh an.

1. Nach seiner Einreise 1996 stellte der Beschwerdeführer, der zum damaligen Zeitpunkt Generalsekretär der International Sikh Youth Federation (ISYF) Deutschland war, einen Asylantrag, welcher auch im Klagewege erfolglos blieb. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sah ihn als vorverfolgt, jedoch nicht landesweit schutzlos an. Das Gericht verneinte aus diesem Grund auch ein Abschiebungshindernis im Sinne des damaligen § 53 AuslG wegen der exilpolitischen Tätigkeit des Beschwerdeführers. Die Verfassungsbeschwerde hiergegen wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Einen ersten Folgeantrag vom Dezember 2001, mit dem der Beschwerdeführer geltend gemacht hatte, er sei mittlerweile Präsident der ISYF Deutschland, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) im November 2003 ab mit der Begründung, dem Beschwerdeführer komme trotz seiner Position kein nachhaltiger Einfluss in der exilpolitischen Szene zu und er habe keine herausragenden Aktivitäten entfaltet. Vielmehr sei er ein für den indischen Staat ersichtlich ungefährlicher und gewaltloser Anhänger der Khalistan-Bewegung, und es sei nicht beachtlich wahrscheinlich, dass ihm bei einer Rückkehr eine menschenrechtswidrige Behandlung drohe. Die Klage hiergegen wies das Verwaltungsgericht Düsseldorf im Dezember 2003 unanfechtbar ab.

3. Im April 2005 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylfolgeantrag, den er mit zahlreichen zwischenzeitlich entfalteten exilpolitischen Aktivitäten als Präsident der ISYF Deutschland sowie mit einem Gutachten des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg aus dem Jahr 1997 begründete. Das Bundesamt lehnte den Antrag ab; die Wiederaufgreifensvoraussetzungen lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, dass er ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sei, das Gutachten in den früheren Verfahren geltend zu machen. Die Situation im Punjab habe sich wesentlich entspannt. Einschränkungen hinsichtlich einer gefahrlosen Rückkehr nach Indien würden nur für den Fall des Aufrufs zu oder der Begehung von Straftaten im Sinne der indischen Strafgesetze sowie bei nicht nur friedlichem Werben für die Ziele der der Khalistan-Bewegung angehörenden Organisation Dal Khalsa angenommen. Allein wegen des gewaltfreien Einsatzes für exilpolitische Gruppen sei dagegen nicht mit Repressionen in Indien zu rechnen. Der Beschwerdeführer sei bereits als Generalsekretär der ISYF führender Exponent dieser Organisation und dennoch nach den Urteilen in den vorigen Asylverfahren im Falle einer Rückkehr vor Verfolgungsmaßnahmen des indischen Staates hinreichend sicher gewesen. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers gemäß § 51 Abs. 5, § 49 VwVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG rechtfertigten, lägen nicht vor. Abschiebungsverbote seien im Hinblick auf den Beschwerdeführer nicht anzunehmen. Für nach Indien zurückkehrende Sikh bestehe nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, bei der Einreise willkürlich verhaftet oder unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden. Der Beschwerdeführer habe allenfalls mit einer kurzzeitigen Inhaftierung zum Zwecke der Befragung zu rechnen, die als nur unerheblicher Eingriff in die Freiheit nicht asylrelevant sei. Auch von der Rechtsprechung werde für nach Indien abgeschobene Asylbewerber, denen von ihren Heimatbehörden weder politische noch strafrechtliche Verfolgung drohe, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots verneint.

Im daraufhin angestrengten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht trug der Beschwerdeführer vor, nach einem - in der Erkenntnismittelliste des Gerichts aufgeführten - Gutachten des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg vom 26. April 2004 drohten ihm als Präsidenten der ISYF im Falle der Einreise nach Indien die sofortige Verhaftung und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch schwere Menschenrechtsverletzungen in Gestalt von Folter. Unter anderem habe er Demonstrationen organisiert, bei denen auch die indische Nationalflagge verbrannt worden sei.

Die Klage hiergegen, die der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG beschränkte, wies das Verwaltungsgericht mit angegriffenem Urteil vom 6. Februar 2006 als offensichtlich unbegründet ab. Der Bescheid des Bundesamtes sei offensichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe werde abgesehen, da das Gericht uneingeschränkt den Darstellungen des Bundesamtes folge. Der Asylantrag des Klägers sei "vom Bundesamt zu Recht - als offensichtlich unbegründet - abgewiesen worden".

4. Mit seiner fristgerecht eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, seine Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG seien verletzt. Als besonders herausgehobenem Vertreter der Khalistan-Bewegung drohe ihm im Falle einer Rückkehr nach Indien bereits nach der Einreise die Verhaftung und nachfolgend Folter. Er habe sich in Deutschland auch im Rahmen von Reden auf Demonstrationen vor dem indischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main betätigt, und es seien in den einschlägigen Exilzeitschriften zahlreiche Zeitungsberichte über ihn erschienen. Sein Fall sei mit dem des führenden Vertreters der ISYF in Großbritannien, Herrn C., vergleichbar, in dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 15. November 1996 von einer konkreten Foltergefahr ausgegangen sei. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze sein Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil es die Voraussetzungen einer Klageabweisung als offensichtlich unbegründet verkenne und dem Beschwerdeführer damit in sachwidriger Weise den Zugang zu einer zweiten Instanz versperre. Die qualifizierte Klageabweisung sei in dem Urteil des Verwaltungsgerichts entgegen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht besonders begründet worden. Der Verweis auf den Bundesamtsbescheid vermöge das Offensichtlichkeitsurteil nicht zu stützen, zumal die dortige Begründung der - einfachen - Ablehnung des Asylfolgeantrages hinsichtlich der Rückkehrergefährdung exponierter Anhänger der Khalistan-Bewegung in sich widersprüchlich sei. Die ISYF gelte zudem in Indien per gesetzlicher Definition als terroristische Organisation; bereits das verbale Eintreten für separatistische Ziele stehe dort unter Strafe. Insbesondere aus dem Gutachten des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg vom 26. April 2004 an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer einer Rückkehrergefährdung in Gestalt jahrelanger Untersuchungshaft sowie einer Bestrafung nach dem Prevention of Terrorism Act (POTA) unterliege. Auch die Foltergefahr sei beim Beschwerdeführer als separatistischem politischem Gegner des indischen Staates erhöht; eine solche Gefahr werde in der Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte auch anerkannt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf verletze zudem das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, da sie angesichts der mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden schweren Menschenrechtsverletzungen nicht mehr nachvollziehbar sei.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

II.

Die Kammer ist für die Entscheidung zuständig, da das Bundesverfassungsgericht die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden hat (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Sie nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

1. Die gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unanfechtbare Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Aus den Entscheidungsgründen muss sich klar ergeben, weshalb das Gericht zu einem Urteil nach § 78 Abs. 1 AsylVfG kommt, warum also die Klage nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird (vgl. BVerfGE 65, 76 <95 f.>; 71, 276 <293 f.>; BVerfGK 1, 298 <302>). Durch diese Darlegungspflicht wird die Gewähr für die materielle Richtigkeit verstärkt (vgl. BVerfGE 71, 276 <293 f.>; vgl. auch BVerfGE 65, 76 <95 f.>; 71, 276 <293 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 3. September 1996 - 2 BvR 2353/95 -, NVwZ-Beil. 2/1997, S. 9; Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 1993 - 2 BvR 1869/92 -, InfAuslR 1993, S. 146 <148>, und vom 2. März 1993 - 2 BvR 2075/92 -, NVwZ 1993, S. 769). Die Entscheidungsgründe müssen die Maßstäbe erkennen lassen, die der Klageabweisung als offensichtlich unbegründet zugrundeliegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2000 - 2 BvR 1684/98 -, juris, Rn. 4), und sich nach diesen Maßstäben mit dem Einzelfall auseinandersetzen, wobei die Darlegung besondere Sorgfalt erfordert, wenn das Bundesamt den Asylantrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, NVwZ 2007, S. 1046; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1993 - 2 BvR 1214/93 -, InfAuslR 1994, S. 41 <42>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 1992 - 2 BvR 1038/90 -, InfAuslR 1992, S. 257 <258>). Die schlichte Behauptung, die Klage sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 1993 - 2 BvR 1869/92 -, InfAuslR 1993, S. 146 <149>, und vom 2. März 1993 - 2 BvR 2075/92 -, NVwZ 1993, S. 769).

Diese Grundsätze gelten nicht nur für Verfahren, die das Asylgrundrecht betreffen oder in denen es um die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG (ehemals § 51 Abs. 1 AuslG) geht (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2001 - 2 BvR 1392/00 -, InfAuslR 2002, S. 146 <148> m.w.N.), sondern auch für die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, NVwZ 2007, S. 1046). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die unanfechtbare Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet ergeben sich insoweit aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG muss den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen wirksam Rechnung getragen werden. Die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage muss sich eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben, und die diesbezüglichen Annahmen müssen auf einer hinreichend verlässlichen Grundlage beruhen.

Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet nicht nur, dass jeder potentiell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirkung verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 67, 43 <58>; 84, 34 <49>; stRspr). Die Erfordernisse wirkungsvollen Rechtsschutzes bestimmen sich unter anderem nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Ein Instanzenzug kann zwar nicht beansprucht werden.

Steht aber, wie im Falle der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylVfG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 83, 24 <31>; 87, 48 <61 f.>).

2. Die daraus für den vorliegenden Fall folgenden Anforderungen hat das Verwaltungsgericht verkannt.

Die Begründung für die Anwendung des § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in den Gründen des angegriffenen Urteils erschöpft sich in der Feststellung, die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, und dem Verweis auf die Darstellungen des Bundesamtes, das, offensichtlich rechtmäßig, den Antrag des Beschwerdeführers als offensichtlich unbegründet abgewiesen habe. Die bloße Behauptung offensichtlicher Unbegründetheit genügt den besonderen Anforderungen, die an die Begründung der Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 78 Abs. 1 AsylVfG zu stellen sind, nicht (vgl. BVerfGE 71, 276 <293>).

Zudem fehlt es an einer hinreichend verlässlichen Grundlage für die Annahme einer auf der Hand liegenden Aussichtslosigkeit der Klage und damit für die Rechtfertigung der Klageabweisung als offensichtlich unbegründet. Dies gilt vor allem hinsichtlich der vom Bundesamt nach § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit § 48, § 49 VwVfG zu treffenden Ermessensentscheidung.

Das Gericht hat es versäumt, sich mit den Anhaltspunkten für Gefährdungen exponierter Vertreter von Organisationen wie der International Sikh Youth Federation, die sich aus dem Gutachten des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg vom 26. April 2004 ergaben, auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen. Die in diesem Gutachten, das dem Gericht bereits nach der eigenen Erkenntnismittelliste bekannt war, enthaltenen Hinweise auf die Gefahr einer unmittelbaren Verhaftung exponierter Vertreter von in Indien als terroristisch eingestuften Sikh-Organisationen wie der ISYF hätten Anlass zur Prüfung und näheren Begründung des gefundenen Ergebnisses geben müssen. Ein Verweis auf die Gründe des Bundesamtsbescheides konnte insoweit schon deshalb nicht ausreichen, weil der Bescheid des Bundesamtes vom 8. Dezember 2005 seinerseits das Gutachten des Südasien-Instituts vom 26. April 2004 nicht gewürdigt hatte und in Bezug auf den Beschwerdeführer von einer wesentlich anderen Einschätzung der tatsächlichen Gefährdungslage ausgegangen war als es bei Berücksichtigung dieses Gutachtens nahegelegen hätte. Während das Bundesamt das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG verneinte, weil der Beschwerdeführer nach einer Einreise nach Indien allenfalls mit einer kurzfristigen Inhaftierung zum Zweck der Befragung, nicht jedoch mit strafrechtlicher oder sonstiger Verfolgung zu rechnen habe, kommt das Gutachten des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg vom 26. April 2004 zu dem Ergebnis, dass der indische Staat grundsätzlich ein hohes Interesse an der Strafverfolgung bestimmter Aktivisten extremistischer Sikh-Organisationen wie etwa der ISYF habe. Unter anderem diese Organisation werde vom indischen Staat auch hinsichtlich bestimmter Aktivitäten wie Protestaktionen vor indischen Generalkonsulaten gezielt überwacht. Aktive Mitglieder einer nach indischem Recht als terroristisch eingestuften Organisation hätten bei ihrer Rückkehr von einer sofortigen Verhaftung und anschließenden Strafverfolgung auszugehen; zwischen Verhaftung und dem Abschluss des Strafverfahrens könnten einige Monate, wenn nicht sogar Jahre vergehen. Im Bereich der Terrorismusbekämpfung hätten Verdächtige keinerlei Nachsicht oder Milde von richterlicher Seite zu erwarten.

Angesichts dieser Anhaltspunkte für eine von der Einschätzung im Bescheid des Bundesamtes abweichende tatsächliche Ausgangssituation und des sich daraus ergebenden Prüfungsbedarfs sowie angesichts der bis zur angegriffenen Entscheidung ergangenen einschlägigen, in der Frage eines Abschiebungsverbotes uneinheitlichen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte (vgl. etwa Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. Juni 1995 - 10 UE 1282/95 -, juris; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 29. März 2001 - 3 KO 827/98 -, InfAuslR 2002, S. 154 ff.; VG Sigmaringen, Urteil vom 15. Oktober 2003 - A 1 K 10601/99 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7. September 2004 - 14 A K 79/03.A - juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 8. März 2005 - 7 K 268/04.A -, juris; VG Mainz, Urteil vom 27. April 2005 - 7 K 755/04.MZ -, juris; VG Göttingen, Urteil vom 5. Juli 2005 - 2 A 129/05 - juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 2. November 2005 - 1 B 492/03.A - juris; zur Frage einer Gefahr der Folter und menschenunwürdiger Haftbedingungen in Indien auch BVerfGE 108, 129 <139 ff.>; EGMR, Urteil vom 15. November 1996 - 70/1995/576/662 (Chahal vs. Vereinigtes Königreich) -, NVwZ 1997, S. 1093 ff.) durfte das Gericht die Klage des Beschwerdeführers nicht abweisen, und erst recht nicht als offensichtlich unbegründet abweisen, ohne das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG auf der Grundlage hinreichender Sachverhaltserforschung geklärt und seine Entscheidung mit eigenen Ausführungen begründet zu haben.

3. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. 4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Ende der Entscheidung

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