Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.03.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 636/01
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 92
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93 Abs. 1 Satz 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 93 Abs. 2 Satz 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 636/01 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Februar 2001 - BVerwG 8 B 9.01 -,

b) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 20. September 2000 - 1 A 197/98 -,

c) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 16. März 2000 - 1 A 197/98 -,

d) den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bernau vom 28. August 1997 über die Abberufung des Beschwerdeführers (Beschluss-Nr. 556-2.40/97) und den Beschluss über den Widerspruch des Beschwerdeführers (Beschluss-Nr. 603-2.43/97) vom 27. November 1997 -

und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Broß, Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 27. März 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und ihre Annahme daher mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

1. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in einer den Darlegungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert begründet (vgl. BVerfGE 18, 85 <89>; 81, 208 <214 f.>; 88, 40 <45>). Die fristgemäße Begründung erfordert insbesondere, dass die angegriffenen Entscheidungen entweder selbst vorgelegt oder doch wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach in einer Weise wiedergegeben werden, die eine Beurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz erlaubt (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>).

Vorliegend gingen die angegriffenen Entscheidungen erst verspätet beim Bundesverfassungsgericht ein. Die einmonatige Beschwerdefrist lief am 21. März 2001 ab. Mit der vor Fristablauf am 20. März 2001 per Telefax erhobenen Verfassungsbeschwerde wurden keinerlei Anlagen übersandt. Vielmehr folgten die angegriffenen Entscheidungen auf dem Postwege erst am 26. März 2001 nach.

Die fristgerecht vorgelegte Begründung der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht ausreichend, um die behauptete Grundrechtsverletzung aus sich heraus verständlich substantiiert und nachvollziehbar darzutun (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>).

2. Die Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 93 Abs. 2 BVerfGG) sind nicht erfüllt. Es fehlt an einer hinreichenden Glaubhaftmachung von Tatsachen, die auf eine unverschuldete Fristversäumnis schließen ließen. Der Bevollmächtigte hat offenbar nicht durch allgemeine Weisung im Rahmen der ihm obliegenden Organisation dafür Sorge getragen, dass der Ablauf von Rechtsmittelfristen einschließlich der Rechtsmittelbegründungsfrist zuverlässig rechtzeitig bemerkt wurde (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2001 - 2 BvR 128/00 -, nicht veröffentlicht, und vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 1469/00 -, NJW 2001, S. 1567 <1568>; s. auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Dezember 2000, NVwZ 2001, S. 430, und Beschluss vom 24. August 1995, Buchholz 310, § 60 VwGO Nr. 202).

Die insoweit bestehende Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass der Bevollmächtigte die Wahrung der prozessualen Fristen eigenverantwortlich überwacht (vgl. BVerwGE 74, 289 <293>). Eine gesteigerte Aufmerksamkeit (vgl. BVerwGE 74, 289 <293 f.> für die Revisionsbegründungsfrist) erfordert die Einhaltung der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass das fristgebundene Begründungserfordernis gemäß § 92 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG maßgeblich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert ist (vgl. BVerfGE 5, 1 <1>; 18, 85 <89>; 78, 320 <327>; 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Mit ihr muss sich der Bevollmächtigte befassen, um die Einhaltung der Frist sicherstellen zu können (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2001, a.a.O.). Dies schließt freilich nicht aus, dass sich der Rechtsanwalt im Allgemeinen darauf verlassen darf, dass eine damit beauftragte erfahrene Hilfsperson den Fristenkalender ordentlich führt und entsprechend den erteilten allgemeinen Anweisungen im Einzelfall die maßgeblichen Fristen beachtet (vgl. BVerwGE 74, 289 <294>; s. auch Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. März 2001, NJW-RR 2001, S. 1072). Dem Anwalt ist es bei einer normalen und regelmäßigen Überwachung der Hilfspersonen dann nicht als Verschulden anzulasten, wenn diese entgegen seiner Weisung die Fristen unrichtig eintragen (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. November 2000, NJW 2001, S. 1578; Beschluss vom 12. November 1969, VersR 1970, S. 87; Beschluss vom 27. November 1964, VersR 1965, S. 188). Die gesteigerte Sorgfaltspflicht bei der Fristenkontrolle durch den Rechtsanwalt setzt dann aber wieder ein, wenn ihm in der Fristsache die betreffende Akte zur Bearbeitung vorgelegt wird (vgl. BVerwGE 74, 289 <294>; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. November 2000, a.a.O.). In diesem Fall obliegt es ihm, sich dieser Akte mit besonderer Sorgfalt anzunehmen und sich erforderlichenfalls durch Einsicht in die Akte selbst Gewissheit über den Ablauf der Frist zu verschaffen.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist - ausgehend von den tatsächlichen Angaben des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags - nicht glaubhaft gemacht, dass es ohne ein nach Maßgabe von § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG dem Verschulden des Beschwerdeführers gleichstehendes Verschulden des Bevollmächtigten zu der Fristversäumung gekommen ist. Hiernach lag die Akte dem Bevollmächtigten jedenfalls spätestens am 20. März 2001 vor, weil er an diesem Tag die Beschwerdeschrift nach deren Abfassung vorsorglich selbst per Fax absandte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ihm auffallen müssen, dass die Verfassungsbeschwerde-Frist am Folgetag ablaufen würde, so dass Eile geboten war und insbesondere ein postalischer Eingang der zur substantiierten Begründung erforderlichen Anlagen am 26. März 2001 nicht mehr fristgerecht sein würde.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück