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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 66/08
Rechtsgebiete: BVerfGG, StVollzG, BayStVollzG, GG
Vorschriften:
BVerfGG § 93a | |
BVerfGG § 93b | |
StVollzG §§ 109 ff. | |
BayStVollzG Art. 36 Abs. 1 Satz 3 | |
GG Art. 100 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 66/08 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
Artikel 36 Absatz 1 Satz 3 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG) vom 10. Dezember 2007 (BayGVBl S. 866)
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 22. Januar 2008 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1. Die von einem Strafgefangenen erhobene Verfassungsbeschwerde richtet sich sinngemäß gegen die in Art. 36 Abs. 1 Satz 3 des Bayerischen Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG) vom 10. Dezember 2007 (BayGVBl S. 866) getroffene Regelung, die den Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln ausschließt. Nach dem Bayerischen Strafvollzugsgesetz haben die Gefangenen stattdessen dreimal jährlich die Möglichkeit eines Sondereinkaufs aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot an Nahrungs- und Genussmitteln; hierfür können sie in angemessenem Umfang ihr Eigengeld oder Sondergeld verwenden, das zu diesem Zweck von Dritten eingezahlt werden kann (s. im Einzelnen § 25 BayStVollzG).
2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 95, 22 <25 f.>). Sie ist unzulässig.
a) Die Zulässigkeit einer unmittelbar gegen ein Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch das Gesetz unmittelbar betroffen ist. Hieran fehlt es, wenn die Einwirkung auf den eigenen Rechtskreis erst durch eine Maßnahme des Gesetzesvollzuges aktualisiert wird (vgl. BVerfGE 72, 39 <43> - stRspr). Ist dieses der Fall, so kann und muss der Betroffene grundsätzlich zunächst von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine Beeinträchtigung seiner Grundrechte dadurch abzuwehren, dass er um fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen eine ihm gegenüber ergangene Vollzugsmaßnahme nachsucht und den hierfür gegebenen Rechtsweg erschöpft (§ 90 Abs. 2 BVerfGG).
Das gilt nicht nur dann, wenn das Gesetz einen Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum offenlässt, der es ermöglicht, die vom Betroffenen behauptete Grundrechtsverletzung zu vermeiden, sondern auch dann, wenn ein solcher Spielraum fehlt. Erreicht werden soll damit, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weit reichende Entscheidungen trifft (vgl. BVerfGE 79, 1 <20>; 97, 157 <165>; 102, 197 <207>). Die mit der Anrufung der Fachgerichte verbundene umfassende gerichtliche Vorprüfung soll bewirken, dass dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Fachgerichte vermittelt wird (vgl. BVerfGE 8, 222 <227>; 72, 39 <43>; 86, 382 <387 f.>).
Einem Beschwerdeführer ist es, obwohl die Fachgerichte nicht über die Kompetenz verfügen, Gesetze als verfassungswidrig zu verwerfen, im Regelfall zuzumuten, auch bei geltend gemachter Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zunächst Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen. Es gehört zu den Aufgaben eines jeden Gerichts, im Rahmen seiner Zuständigkeit bei Verfassungsverletzungen Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfGE 47, 144 <145>). Macht derjenige, der vor den Fachgerichten Rechtsschutz gegen eine gesetzesanwendende Maßnahme begehrt, die Grundrechtswidrigkeit der angewendeten gesetzlichen Regelung geltend und teilt ein Fachgericht seine verfassungsrechtlichen Bedenken, so hat es das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen. Im anderen Fall - sofern Fachgerichte die gesetzliche Regelung als verfassungsgemäß ansehen und deren Anwendung im konkreten Fall als rechtmäßig bestätigen - kann der Betroffene gegen die letztinstanzliche Entscheidung Verfassungsbeschwerde erheben.
Auf diese Weise ist einerseits ein wirksamer Schutz der Grundrechte sichergestellt und andererseits gewährleistet, dass dem Bundesverfassungsgericht die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein für die Materie speziell zuständiges Gericht unterbreitet wird (vgl. BVerfGE 74, 69 <74 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2005 - 1 BvR 13/05 -, www.bverfg.de; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Dezember 2005 - 1 BvR 1725/05 -, www.bverfg.de, und vom 14. Juli 2006 - 1 BvR 1017/06 -, juris).
b) Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Verfassungsbeschwerde als unzulässig. Dem Beschwerdeführer steht die Möglichkeit offen, zunächst bei der Vollzugsbehörde die Erlaubnis (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG) für den Empfang eines Pakets mit Nahrungs- und Genussmitteln zu beantragen und gegen eine ablehnende Entscheidung mit einem Antrag nach §§ 109 ff. StVollzG vorzugehen. Sowohl gegenüber der Justizvollzugsanstalt als auch im Verfahren vor den Fachgerichten besteht für ihn die Gelegenheit, seine Bedürftigkeit darzulegen und die mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Neuregelung des Paketbezugs durch das Bayerische Strafvollzugsgesetz geltend gemachten verfassungsrechtlichen Einwände vorzubringen. Gründe, deretwegen dem Beschwerdeführer eine vorrangige Anrufung der Fachgerichte ausnahmsweise nicht zuzumuten wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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