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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 707/01
Rechtsgebiete: StPO, BVerfGG


Vorschriften:

StPO § 105
StPO § 102
StPO § 94 Abs. 2
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 707/01 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 5. März 2001 - 5 Qs 5/2001 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 20. Dezember 2000 - 270 Gs 4018/00 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 30. Januar 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Ermittlungsrichter - nach eigener Prüfung - antragsgemäß einen Durchsuchungsbeschluss erlässt, der ihm bereits als zu unterzeichnender Entwurf von den Ermittlungsbehörden vorgelegt wurde. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine richterliche Durchsuchungsanordnung im Sinne des § 105 StPO. Dass eine eigene Sachprüfung des Ermittlungsrichters nicht stattgefunden hat, lässt sich weder aus der vorgeschilderten Verfahrensweise schließen noch ist dies vorliegend anderweit ersichtlich.

2. Der Beschluss genügt auch hinsichtlich seiner Bestimmtheit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Durchsuchungsanordnung. Insoweit sind zur rechtsstaatlichen Eingrenzung des Ermittlungszugriffs der Vorwurf sachangemessen zu konkretisieren und die gesuchten Beweismittel nach Möglichkeit wenigstens ihrer Gattung nach zu umschreiben; ein auf § 102 StPO gestützter Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem weder die Art noch den denkbaren Inhalt der Beweismittel, denen die Durchsuchung gilt, erkennen lässt, würde deshalb den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht werden (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 44, 353 <371>). So liegt der Fall hier aber nicht. Der Vorwurf der Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend umgrenzt. Die Zeiträume, auf die sich die Umsatzsteuerhinterziehung bezieht, der in Verdacht geratene Haupttäter, die vermutete Art der Beihilfehandlung des Beschwerdeführers (Inrechnungstellung von Kraftfahrzeugen, die nie geliefert wurden) sowie die an den Geschäftsvorgängen beteiligten Firmen ("M. GmbH" sowie "... GmbH") waren im Beschluss angegeben. Hierdurch, durch die beispielhaft angeführten Beweismittel und deren inhaltlichen Bezug zum Tatvorwurf waren ausreichend Detailangaben aufgeführt, um den mit der Vollziehung der Anordnung betrauten Beamten aufzuzeigen, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten. Mehr Angaben waren von Verfassungs wegen nicht erforderlich - mag eine größere Sorgfalt bei der Formulierung des Tatvorwurfs im Durchsuchungsbeschluss auch wünschenswert erscheinen (vgl. BVerfGE 20, 162 <227>).

3. Dem Durchsuchungsbeschluss liegt schließlich auch eine tragfähige Begründung des Anfangsverdachts einer Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung zu Grunde. Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts. Es kann nur eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.> und stRspr). Beides ist jedoch nicht der Fall.

Der Anfangsverdacht als Eingriffsvoraussetzung im Sinne des § 94 Abs. 2 StPO muss eine Tatsachengrundlage haben, aus der sich die Möglichkeit der Tatbegehung durch den Beschuldigten ergibt; auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit kommt es nicht an. Lediglich eine bloße, auf keinerlei Tatsachen gestützte Vermutung würde nicht ausreichen. Andererseits muss sich aus den Umständen, die den Anfangsverdacht ergeben, nicht bereits eine genaue Tatkonkretisierung abzeichnen. Im Durchsuchungsbeschluss ist die Sachverhaltsannahme zu Grunde gelegt worden, der Beschwerdeführer habe in einer Lieferkette "Scheinrechnungen" ausgestellt, um der Firma "M. GmbH" einen nicht berechtigten Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Dafür werden die Aussagen eines Zeugen vor dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg angeführt sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer Rechnungen an die Firma "M." stellte, ohne dass eine Lieferung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ausgeführt worden war, und so der Firma "M. GmbH" sowie der Firma "... GmbH" einen nicht berechtigten Vorsteuerabzug ermöglichte. Dass sich allein mit diesen Anhaltspunkten nicht zwingend der Vorwurf einer Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung beweisen lässt, sondern sich aus ihnen nur die Möglichkeit einer entsprechenden Tatbegehung ergibt, liegt in der Natur des Anfangsverdachts. In seinem Stadium müssen weder alle objektiven Tatbestandsmerkmale einer Straftat nachgewiesen sein noch müssen sich notwendig aus den bereits vorhandenen Anhaltspunkten zwingende Schlüsse auf die subjektive Tatseite aufdrängen. Die vorliegend getroffene Wertung, die vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte reichten für einen Anfangsverdacht aus, ist - gemessen an den oben dargelegten Kriterien zur Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>) - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Ergebnis der Beurteilung der tatsächlichen Anhaltspunkte entzieht sich einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, denn es hat nicht seine eigene Wertung nach Art eines Rechtsmittelgerichts an die Stelle derjenigen des zuständigen Richters zu setzen. Ob in jeder Hinsicht eine zutreffende Gewichtung vorgenommen wurde oder ob eine andere Beurteilung näher gelegen hätte, unterfällt nicht seiner Entscheidung.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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