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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.07.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 708/02
Rechtsgebiete: GG, StPO
Vorschriften:
GG Art. 12 Abs. 1 | |
StPO § 97 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 708/02 -
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) den Beschluss des Landgerichts Mainz vom 19. April 2002 - 5 Qs 14/02 -,
b) den Beschluss des Landgerichts Mainz vom 27. März 2002 - 5 Qs 14/02 -,
c) den Beschluss des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 5. Februar 2002 - 7 Gs 37/02 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 29. Juli 2002 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Dem angegriffenen Beschlagnahmebeschluss sowie der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts liegt eine tragfähige Begründung des Anfangsverdachts von Straftaten des Abrechnungsbetrugs zu Grunde. Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts. Es kann nur eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.> und stRspr). Beides ist jedoch nicht der Fall.
Im Beschlagnahmebeschluss ist der Anfangsverdacht damit begründet worden, dass konkrete Anhaltspunkte für betrügerische Abrechnungen kassenärztlicher Leistungen vorlägen. Die vom Beschwerdeführer fehlerhaft abgerechneten Leistungen seien jedoch nicht nur in dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen aufgeführt, sondern fänden ihre Entsprechung auch in der Gebührenordnung für privatärztliche Leistungen. Dies rechtfertigt nach Auffassung der Gerichte die Annahme eines Anfangsverdachts auch für betrügerische Abrechnungen gegenüber Privatpatienten.
Diese Wertung ist - gemessen an den oben dargelegten Kriterien zur Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>) - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Finden nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen fehlerhaft abgerechnete Leistungen ihre Entsprechung in der Gebührenordnung für privatärztliche Leistungen, so ist der Schluss, auch insoweit bestehe der Anfangsverdacht betrügerischer Abrechnungen, weder willkürlich noch beruht er auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers. Das Ergebnis der Beurteilung der tatsächlichen Anhaltspunkte entzieht sich einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, denn es hat nicht seine eigene Wertung nach Art eines Rechtsmittelgerichts an die Stelle derjenigen des zuständigen Richters zu setzen.
2. Art. 12 Abs. 1 GG ist gleichfalls nicht verletzt. § 97 StPO steht der Beschlagnahme nicht entgegen, da es sich ausschließlich um Unterlagen des Beschwerdeführers handelt und dieser als Berufsgeheimnisträger selbst Beschuldigter ist (vgl. Nack in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 97 Rn. 8). Der aus Art. 12 Abs. 1 GG beanspruchte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient (vgl. BVerfGE 44, 353 <372 ff.>) ist nicht darauf gerichtet, den Arzt im Falle des Verdachts einer bei Gelegenheit seiner Berufsausübung begangenen Straftat vor staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2000 - 2 BvR 291/92 -, NJW 2000, S. 3557 f.).
3. Unbegründet ist schließlich auch die Beanstandung des Beschwerdeführers, die Beschlagnahmeanordnung sei deshalb verfassungswidrig, weil die Ermittlungsbehörde bei der Sicherstellung von Unterlagen, die Privatpatienten betroffen hätten, die Umgrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses nicht berücksichtigt habe. Durchsuchung (§§ 102, 105 StPO) und Beschlagnahme (§§ 94, 98 StPO) stellen getrennte Entscheidungsgegenstände dar. Regelmäßig steht der Beschlagnahme einer Sache nicht entgegen, dass sie aufgrund einer rechtsfehlerhaften Durchsuchung erlangt worden ist; etwas anderes kann nur bei einem besonders schwerwiegenden Verstoß gelten (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1998 - 2 BvR 446/98 -, NJW 1999, S. 273 <274>). Dass die Gerichte einen solchen nicht angenommen haben, sondern das Landgericht im Gegenteil in der Beschwerdeentscheidung zu der Ansicht gelangt ist, der Durchsuchungsbeschluss betreffe auch Unterlagen über privatärztliche Leistungsabrechnungen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung des Landgerichts, bei den Ausführungen in den Gründen des Durchsuchungsbeschlusses, die sich mit Falschabrechnungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung befassen, handele es sich lediglich um die Zusammenfassung des bisherigen Ermittlungsergebnisses, nicht aber um eine Beschränkung des Durchsuchungszieles, ist weder willkürlich noch beruht sie auf Auslegungsfehlern, die eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts erkennen lassen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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