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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 20.06.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 909/02
Rechtsgebiete: StPO, BVerfGG, GG


Vorschriften:

StPO § 205
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvQ 31/02 - - 2 BvR 909/02 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen die Fortsetzung des gegen ihn geführten Strafverfahrens

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Sommer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 20. Juni 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die Verfahren 2 BvQ 31/02 und 2 BvR 909/02 werden verbunden.

2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

I.

1. Der Beschwerdeführer, gegen den ein erstinstanzliches Strafverfahren vor dem Landgericht Neubrandenburg wegen Verdachts der Vorteilsannahme, der Untreue und der Bestechlichkeit anhängig ist, wendet sich gegen die Anberaumung der am Dienstag, den 2. Juli 2002 beginnenden und jeweils an zwei Nachmittagen pro Woche für die Dauer von zwei Stunden an 25 Verhandlungstagen terminierten Hauptverhandlung.

Nach Aufhebung der ursprünglich bereits für September 2001 vorgesehenen Hauptverhandlungstermine und vorläufiger Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO wegen einer schweren Erkrankung des Beschwerdeführers hat das Landgericht im April 2002 beschlossen, ein internistisch-kardiologisches Gutachten des Sachverständigen Professor S ... von der Universitätsklinik Rostock zur Feststellung der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers einzuholen. Darüber hinaus hat es ein amtsärztliches Gutachten von Medizinalrat Dr. med. W ..., Amtsarzt und Facharzt für Innere Medizin, eingeholt. Das Ergebnis des internistisch-kardiologischen Gutachtens steht derzeit noch aus; der Sachverständige Dr. W ... gelangte zu dem Ergebnis, dass der an einem erblich bedingten Nierenversagen leidende und auf eine regelmäßige Dialyse-Behandlung angewiesene Beschwerdeführer eingeschränkt, nämlich für maximal zwei Stunden an zwei Tagen pro Woche, verhandlungsfähig sei. Bei dem "sicher langwierigen Gerichtsverfahren" sei allerdings mit "krankheitsbedingten Verschlechterungen und auch Verhandlungsunfähigkeit zu rechnen".

Das Landgericht hat durch Verfügung vom 17. Mai 2002 Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung, beginnend am Dienstag, den 2. Juli 2002, anberaumt, die an 25 Sitzungstagen jeweils zwei Stunden pro Sitzungstag dauern soll.

2. Mit seinem zunächst isoliert gestellten und unter dem Aktenzeichen 2 BvQ 31/02 geführten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragte der Beschwerdeführer die vorläufige Einstellung des Strafverfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über seine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde.

3. Mit seiner am 19. Juni 2002 eingegangenen Verfassungsbeschwerde begehrt der Beschwerdeführer nunmehr in der Hauptsache die Feststellung, dass eine Fortsetzung des gegen ihn geführten Strafverfahrens ihn in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletze und es deshalb wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses (endgültig) einzustellen sei.

II.

1. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, weil die mit ihr aufgeworfene Frage der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Feststellung der Verhandlungsfähigkeit eines Angeklagten im Strafverfahren durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt ist (vgl. BVerfGE 51, 324 <345 f.>; 89, 120 <130 f.>).

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <248 f.>).

1. Soweit der Beschwerdeführer sich unter Zugrundelegung des bereits erstatteten Gutachtens von Amtsarzt Dr. W ... gegen die Durchführung der Hauptverhandlung wendet, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Der Beschwerdeführer hat es versäumt, sich mit dem Inhalt des Gutachtens, das Grundlage für die Aufhebung der vorläufigen Einstellung des Strafverfahrens und Anberaumung des Hauptverhandlungstermins geworden ist, hinreichend auseinander zu setzen. Hierzu hätte es gehört darzulegen, aus welchen Feststellungen er ableiten zu können glaubt, dass auch eine zeitlich schonend gestaltete Hauptverhandlung die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 51, 324 <346 f.>) für eine Einstellung des Verfahrens erforderliche konkrete, schwerwiegende und irreparable Gesundheitsgefahr berge. So führt er nicht aus, warum die Annahme eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit fehlerhaft sei, und aus welchem Grund die ärztliche Prognose, bei dem sicher langwierigen Gerichtsverfahren sei mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands und mit dem Eintritt von Verhandlungsunfähigkeit zu rechnen, schon den Beginn einer Hauptverhandlung von Verfassungs wegen ausschließen sollte. Sein Vorbringen erweist sich letztlich als eigene Würdigung seines Krankheitszustands, die in der ärztlichen Stellungnahme, die allerdings die von der Durchführung der Hauptverhandlung zu erwartenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht umfassend dargelegt hat und der Strafkammer daher Anlass zu weiteren Nachfragen hätte geben können, keine Stütze findet.

2. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus geltend macht, sein Gesundheitszustand habe sich nach Anberaumung des Hauptverhandlungstermins weiter verschlechtert, hat er dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht genügt.

Dieser Grundsatz fordert über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus, dass der Beschwerdeführer vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts von allen nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten Gebrauch macht, um den Eintritt des befürchteten Verfassungsverstoßes im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder eine Korrektur einer schon eingetretenen Grundrechtsverletzung zu erwirken (vgl. BVerfGE 81, 22 <27 f.>; 81, 97 <102 f.>; stRspr).

Der Beschwerdeführer wäre deshalb vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gehalten gewesen, auf die behauptete Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hinzuweisen und der Strafkammer hierdurch Anlass zur Prüfung zu geben, ob eine Fortsetzung des Verfahrens den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt, weil die nahe liegende, konkrete Gefahr besteht, dass er bei Durchführung der Hauptverhandlung sein Leben einbüßen oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen würde (vgl. BVerfGE 51, 324 <346>).

Von einer weiteren Begründung dieser Nichtannahmeentscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

3. Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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