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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 944/00
Rechtsgebiete: BVerfGG, EStG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
EStG § 15 Abs. 2
EStG § 21
EStG § 21 Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 944/00 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. Februar 2000 - IV R 62/98 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 25. März 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Mit der Verfassungsbeschwerde wird ein Urteil angegriffen, mit dem der Bundesfinanzhof erstmals entschieden hat, dass die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung auch dann gegeben sind, wenn an beiden Gesellschaften ausschließlich dieselben beiden Personen beteiligt sind, sich aber die Beteiligungsquoten in der Besitzgesellschaft mit 60% zu 40% von denen in der Betriebsgesellschaft mit 40% zu 60% unterscheiden.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 ff.>; 96, 245 <250>), denn die angegriffene Entscheidung lässt einen Verstoß gegen Grundrechte der Beschwerdeführer nicht erkennen.

1. Soweit die Beschwerdeführer rügen, dass der Bundesfinanzhof vom Vorliegen eines zur Annahme der personellen Verflechtung erforderlichen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens ausgegangen sei, obgleich der Beschwerdeführer zu 1. alleiniger Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft, die Beschwerdeführerin zu 2. alleinige Geschäftsführerin der Besitzgesellschaft gewesen sei, Letzere zudem als selbstständige Handelsvertreterin Geschäftsbeziehungen zur Betriebsgesellschaft unterhalten habe, woraus sich die Verfolgung jeweils eigener geschäftlicher Interessen ergebe, machen sie geltend, dass die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung in ihrem konkreten Fall zu Unrecht vom Bundesfinanzhof bejaht worden seien. Hiermit wenden sie sich gegen die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts.

Die Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind jedoch allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, sofern das angegriffene Urteil keine Auslegungsfehler enthält, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Derartige Auslegungsfehler lässt die angegriffene Entscheidung nicht erkennen.

a) Die in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur steuerlichen Behandlung der Betriebsaufspaltung betreffen allein das einfache Gesetzesrecht. Bei der Betriebsaufspaltung geht es darum, ob die Tätigkeit der Besitzgesellschaft der Einkunftsart Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) oder der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) zuzuordnen ist. Der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine gewerbliche Tätigkeit der Besitzgesellschaft gegeben ist, wenn zwischen dieser und der Betriebsgesellschaft enge sachliche und personelle Verflechtungen bestehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs herausgearbeiteten allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Behandlung der Betriebsaufspaltung im Steuerrecht ausdrücklich gebilligt. Es hat unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG allerdings beanstandet, wenn bei der Beurteilung der personellen Verflechtung von der - wenn auch widerlegbaren - Vermutung ausgegangen wird, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen (vgl. BVerfGE 25, 28 <35 ff.>; 69, 188 <203 ff.>).

b) Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts durch den Bundesfinanzhof verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht ist weder zu einer gleichheitswidrigen Differenzierung gelangt noch ist eine Verletzung des Verbots willkürlicher Rechtsanwendung feststellbar.

aa) Der Bundesfinanzhof ist bei der Anwendung der zur Behandlung der Betriebsaufspaltung entwickelten einfach-rechtlichen Rechtsgrundsätze nicht zu einer Differenzierung gelangt, die gegen den Gleichheitssatz verstößt. Es ist vor Art. 3 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, ein Pachtverhältnis zwischen zwei Unternehmen, die völlig unabhängig voneinander sind, anders zu würdigen als das Pachtverhältnis zwischen Unternehmen, die enge sachliche und personelle Verflechtungen aufweisen. Denn bei einer "normalen" Fremdverpachtung hat der Verpächter im Vergleich mit Gestaltungen, über die der Bundesfinanzhof im vorliegenden Fall zu befinden hatte, keine vergleichbaren Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten auf den Betrieb des Pächters (vgl. BVerfGE 25, 28 <37>).

bb) Der Bundesfinanzhof hat auch nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Verbot willkürlicher Rechtsanwendung verstoßen, indem er die vorliegende Fallgestaltung den Regeln der Betriebsaufspaltung unterwarf. Der Bundesfinanzhof hat nachvollziehbar und plausibel begründet, aufgrund welcher Umstände er in der konkreten gesellschaftsrechtlichen Konstellation vom Vorliegen des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens ausgeht. Er hat weiterhin dargelegt, warum er den Gesichtspunkten "Handelsvertretung" und "Geschäftsführung" nur eingeschränkte Bedeutung beigemessen hat. Treten auf Grund der genannten Gesichtspunkte Interessengegensätze nachweisbar tatsächlich auf, dann können die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung mit der Folge entfallen, dass die Besitzgesellschaft nunmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezieht. Solange sich aber das in den besagten Gesichtspunkten möglicherweise innewohnende Konfliktpotential nicht zu realen Interessengegensätzen verdichtet hat, steht es der Annahme eines einheitlichen wirtschaftlichen Betätigungswillens nicht entgegen. Diesen Überlegungen des Bundesfinanzhofs haftet nichts Willkürliches an.

cc) Soweit der Bundesfinanzhof aus der von den Steuerpflichtigen bewusst geplanten Unternehmensstruktur eine Vermutung gleichgerichteter Interessen hergeleitet hat, steht dem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen (Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 - 2 BvR 802/90 - , BStBl II 1996, S. 34) nicht entgegen. Denn die aus der bewusst geplanten Unternehmensstruktur gewonnene Vermutung ist, was sich aus dem angegriffenen Urteil unmittelbar ergibt, keine unwiderlegliche. Die Indizwirkung der Unternehmensstruktur für das Vorliegen des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens und damit der Betriebsaufspaltung wird nicht zu einem Tatbestandsmerkmal "Art der Unternehmensstruktur" verselbstständigt, das schon für sich genommen die Annahme eines Verpachtungsverhältnisses und damit von Verpachtungseinkünften im Sinne des § 21 EStG stets ausschließen würde. Vielmehr können Interessengegensätze, die sich aus der Beteiligungsstruktur oder aus anderen Einzelfallumständen tatsächlich ergeben, als Indizien für einen uneinheitlichen wirtschaftlichen Betätigungswillen gewertet werden und somit zur Verneinung der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung und zur steuerlichen "Anerkennung" des Pachtverhältnisses führen.

dd) Es ist ferner nicht erkennbar, dass der Bundesfinanzhof mit der angegriffenen Entscheidung die von der Verfassung gezogene Grenze für die richterliche Rechtsfortbildung überschritten habe. Da auch die Rechtsfortbildung das einfache Recht betrifft, darf die vom Fachgericht vorgenommene Würdigung nicht durch eine solche des Bundesverfassungsgerichts ersetzt werden. Dessen Kontrolle beschränkt sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 GG darauf, ob das Fachgericht bei der Rechtsfortbildung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert hat und den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung gefolgt ist (vgl. BVerfGE 96, 375 <394>). Der Bundesfinanzhof hat sich weder über den eindeutigen Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt noch hat er sich außerhalb der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung bewegt. Vielmehr lassen die auslegungsbedürftigen und auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 3 EStG es auch im vorliegenden Fall zu, die Einkünfte der Besitzgesellschaft als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren, da infolge der engen Verflechtungen zwischen Verpächter und Pächter ein qualifizierter Fall der Verpachtung vorliegt.

2. Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Bundesfinanzhof gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen hat. Denn die vom Bundesfinanzhof im angegriffenen Urteil herangezogenen Rechtsgrundsätze finden ersichtlich auch auf Steuerpflichtige Anwendung, die nicht miteinander verheiratet oder verwandt sind.

3. Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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