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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.06.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 947/08
Rechtsgebiete: BVerfGG, StVollzG, StPO, StGB, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 90 Abs. 2
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
StVollzG § 120 Abs. 1
StPO § 33a
StGB § 63
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 947/08 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. April 2008 - 3 Ws 270/08 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 1. Februar 2008 - 2. StVK-Vollz. 661/07 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Mellinghoff, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. Juni 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 90 Abs. 2 BVerfGG unzulässig, weil der Beschwerdeführer es versäumt hat, gemäß § 120 Abs. 1 StVollzG in Verbindung mit § 33a StPO zuvor eine Anhörungsrüge zu erheben.

Die Einlegung dieses Rechtsbehelfs war hier nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil er offensichtlich aussichtslos gewesen wäre (vgl. BVerfGK 7, 403 <407>). Dem Anspruch auf rechtliches Gehör entspricht die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 18, 380 <383>). Art. 103 Abs. 1 GG zwingt das Gericht zwar nicht dazu, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 5, 22 <24 f.>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör kann aber dann festgestellt werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Schluss zulassen, das Gericht habe das Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Entscheidung entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133 <146>).

Der gemäß § 63 StGB in der Klinik für forensische Psychiatrie Hanau untergebrachte Beschwerdeführer hat unter Bezugnahme auf die in anderer Sache ergangene Entscheidung des Landgerichts Gießen vom 18. Juni 2007 - 1. StVK 394/07 K - in seiner Rechtsbeschwerde ausgeführt, dass sich die Bedingungen in der Klinik für forensische Psychiatrie Hanau seit der von der Klinik im Rahmen der Ablehnung eines Antrags auf Verlegung in eine Therapiestation zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 27. August 2004 - 3 Ws 455/04 - derart verändert hätten, dass die therapeutischen und verfassungsrechtlichen Mindestvoraussetzungen dort inzwischen nicht mehr gegeben seien.

Das Oberlandesgericht sah in seinem die Entscheidung der Klinik für forensische Psychiatrie Hanau bestätigenden Beschluss keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der mit der Klinik verfolgten therapeutischen Konzeption und zitierte, ohne sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den inzwischen geänderten Bedingungen in der Klinik auseinanderzusetzen, zur Begründung erneut ausführlich den Beschluss des Oberlandesgerichts aus dem Jahre 2004, dessen Aktualität der Beschwerdeführer gerade in Frage stellte. Dies lässt nur den Schluss zu, dass das Gericht den betreffenden Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat.

Das Gericht konnte das Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht als unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert erachten. Dies ergibt sich bereits aus den Gründen des vom Beschwerdeführer in seiner Rechtsbeschwerde zitierten Beschlusses des Landgerichts Gießen, der auf Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die dem Beschluss des Oberlandesgerichts aus dem Jahre 2004 zugrundelagen, hinweist und in Zweifel zieht, dass die derzeitigen Bedingungen in der Klinik für forensische Psychiatrie Hanau noch dem Gebot entsprechen, den Untergebrachten eine hinreichend realistische Chance zu belassen, jemals wieder der Freiheit teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187).

Der Umstand, dass eine Anhörungsrüge bislang nicht erhoben wurde, hat hier zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, NJW 2005, S. 3059 <3059 f.>).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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