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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 02.03.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 961/05
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 5 Abs. 1 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 14 Abs. 1 |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 961/05 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
gegen
a) die Anhalteverfügung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom Mai 2005 im Verfahren III-VI 13/03 -,
b) das Unterlassen des Oberlandesgerichts Düsseldorf, den Beschwerdeführer über die Gründe der Anhaltung einer an einen Untersuchungsgefangenen gesendeten Zeitschrift zu unterrichten und diese Zeitschrift an den Beschwerdeführer zurückzusenden
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin und den Richter Lübbe-Wolff Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 2. März 2007 einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Anhalten einer von einem Strafgefangenen an einen Untersuchungsgefangenen adressierten Zeitschrift.
I.
Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener. Im Mai 2005 übersandte er nach seinen Angaben an einen Gefangenen, der sich wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Untersuchungshaft befindet, eine Ausgabe der Zeitschrift "Rote Hilfe e.V.", in der er einen Artikel veröffentlicht hatte. Auf dem Briefumschlag vermerkte der Beschwerdeführer nach seinen Angaben einen Eigentumsvorbehalt für den Fall der Anhaltung des Schreibens. Mit Brief vom 18. Mai 2005 unterrichtete der Untersuchungsgefangene den Beschwerdeführer brieflich darüber, dass die Zeitschrift aufgrund Beschlusses des Oberlandesgerichts angehalten worden sei, und teilte mit, dass er den Beschluss nicht an ihn weiterleiten dürfe.
Zuvor hatte das Oberlandesgericht bereits in einem anderen Fall ein Schreiben des Beschwerdeführers an den Untersuchungsgefangenen angehalten. Dem Beschwerdeführer, der sich nach den Gründen für die Anhaltung erkundigt hatte, war auf Verfügung des Vorsitzenden des zuständigen Senats - ohne Unterrichtung über die Gründe - mitgeteilt worden, die Schriftstücke seien zur Habe des Untersuchungsgefangenen genommen worden. Die hiergegen gerichtete Gegenvorstellung hatte der Senat zurückgewiesen und ausgeführt, die Unterrichtung des Absenders über das Anhalten von Schreiben und/oder Druckschriften sei nur dann vorgesehen, wenn eine Rücksendung an den Absender erfolge (Nr. 35 Abs. 3, 45 Abs. 4 UVollzO). Von dieser Möglichkeit sei aber kein Gebrauch gemacht worden; einen Eigentumsvorbehalt habe der Beschwerdeführer nicht erklärt. Die ebenfalls gegen die Verfügung des Vorsitzenden gerichtete Beschwerde hatte der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18. Januar 2005 (2 StE 9/03-3 - juris) als unzulässig verworfen. Soweit der Beschwerdeführer sein Auskunftsverlangen auf § 147 Abs. 7 StPO stütze, sei er zwar beschwerdebefugt; die Beschwerde sei jedoch unstatthaft. Es handele sich nicht um einen der in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO benannten Fälle, in denen eine Beschwerde gegen die grundsätzlich unanfechtbaren Beschlüsse und Verfügungen des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug ausnahmsweise zulässig sei. Soweit dem Beschwerdeführer nach Maßgabe des § 475 Abs. 4 StPO Auskünfte aus den Akten versagt worden seien, sei die Entscheidung des Vorsitzenden gemäß § 478 Abs. 3 Satz 2 StPO unanfechtbar.
Wegen der Anhaltung des Schreibens vom Mai 2005 hat sich der Beschwerdeführer nicht an das Oberlandesgericht gewandt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt er eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG. Die angegriffene Entscheidung könne er nicht vorlegen. Sich deswegen an das Oberlandesgericht zu wenden, sei ausweislich der Vorgeschichte aussichtslos und unzumutbar.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen das Unterlassen des Gerichts, ihm die Gründe für die Anhaltung mitzuteilen und die Zeitschrift zurückzusenden, wendet, ist der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet. Dieser Grundsatz fordert, dass der Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60> - stRspr). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer hat sich wegen des Schreibens vom Mai 2005 nicht an das Oberlandesgericht gewandt. Weder hat er dem Oberlandesgericht gegenüber eine Verletzung seiner Rechte durch das Anhalten dieses Schreibens geltend gemacht noch hat er sich um die Zusendung der Anhalteverfügung oder die Mitteilung der Gründe für diese Verfügung bemüht. Seine Mutmaßung, entsprechende Bemühungen würden aussichtslos sein, führt nicht dazu, dass ihm der Versuch, auf diese Weise eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzungen zu erwirken, unzumutbar wäre.
Aus dem vorangegangenen Fall des Anhaltens einer Sendung, in dem der Beschwerdeführer sich erfolglos an das Oberlandesgericht gewandt hatte, kann er nicht ableiten, dass ein erneuter Versuch, das Gericht zur Mitteilung der Gründe für das Anhalten der Sendung und zur Rücksendung der Zeitschrift zu veranlassen, aussichtslos und daher unzumutbar wäre. Der vorliegende Sachverhalt ist dem damaligen nicht vergleichbar.
Seinerzeit hatte der Beschwerdeführer keinen Eigentumsvorbehalt auf dem Umschlag vermerkt, und das Gericht hatte auf diesen Umstand im Rahmen der Zurückweisung der Gegenvorstellung ausdrücklich hingewiesen, um zu begründen, warum von der Möglichkeit der Rücksendung des Schreibens kein Gebrauch gemacht worden war. Angesichts dieser Begründung liegt es nicht nahe, zu unterstellen, dass das Oberlandesgericht den vorliegenden Fall wie den damaligen behandeln würde.
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem entschieden, dass das Anhalten einer Druckschrift, die der Absender an einen Strafgefangenen nicht als interesseloser Vermittler, sondern zu dessen Information und Meinungsbildung adressiert hat, grundsätzlich auch den Absender in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berührt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2004 - 2 BvR 2219/01 -, BVerfGK 4, 305). Unter Verweis auf diese Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof in dem erwähnten Beschluss vom 18. Januar 2005 die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers mit der Begründung bejaht, dass die Weigerung des Vorsitzenden des Oberlandesgerichts, dem Beschwerdeführer die Gründe für das Anhalten des übersandten Schriftstücks mitzuteilen, unmittelbar dessen Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit berühre. Auch angesichts dieser Rechtsprechungslage kann keine Rede davon sein, dass ein Versuch des Beschwerdeführers, beim Oberlandesgericht um eine Erfüllung seines Begehrens nachzusuchen, keine Aussicht auf Erfolg hätte.
2. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Anhalteverfügung selbst wendet, genügt sein Vortrag jedenfalls nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Verfassungsbeschwerde ist erforderlich, dass die angegriffene Entscheidung vorgelegt oder ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt wird (BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Dem ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Aus den oben genannten Gründen kann er sich nicht darauf berufen, dies sei ihm nicht möglich gewesen. Der Beschwerdeführer hätte zunächst versuchen müssen, vom Oberlandesgericht eine Begründung für das Anhalten des im vorliegenden Fall übersandten Schriftstücks zu erhalten.
3. Etwas anders gilt auch dann nicht, wenn die Verfassungsbeschwerde dahingehend auszulegen sein sollte, dass der Beschwerdeführer sich bereits dadurch in seinen Grundrechten verletzt sieht, dass er über das Anhalten von ihm versandter Schriften - sei es generell oder jedenfalls bei erklärtem Eigentumsvorbehalt - als in eigenen Rechten betroffener Absender (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 2004, a.a.O.) nicht bereits unabhängig von einer besonderen Nachfrage benachrichtigt wird (vgl. BVerfGE 65, 1 <70>; 100, 313 <364>; aus der Rechtsprechung der Fachgerichte OLG Hamm, MDR 1969, S. 161; OLG Nürnberg, MDR 1980, S. 165). Auch wenn diese Auffassung in der Sache berechtigt sein sollte, müsste der Beschwerdeführer den geltend gemachten Anspruch zunächst vor dem Fachgericht verfolgen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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