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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 23.07.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 987/03
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 987/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Mai 2003 - III-4 Ausl (A) 391/02 - 134 + 160 + 212/03 III -,

b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. März 2003 - 4 Ausl (A) 391/02 - 123/03 III -,

c) den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Februar 2003 - 4 Ausl (A) 391/02 - 96/03 III -,

d) den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Januar 2003 - 4 Ausl (A) 391/02 - 232/02 - 233/02 III -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Di Fabio und die Richterin Lübbe-Wolff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 23. Juli 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Auslieferung nach Russland.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ihr weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt noch ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist, § 93a Abs. 2 BVerfGG. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 6. Januar 2003 (hier die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtbeistands), vom 28. Februar 2003 und vom 21. März 2003 richtet, ist sie unzulässig, da es sich insoweit um nicht selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angreifbare Zwischenentscheidungen handelt. Mit den vorgenannten Beschlüssen hat das Oberlandesgericht die Anträge des Beschwerdeführers auf Beiordnung eines Pflichtbeistands sowie auf Übernahme der Kosten eines Dolmetschers für Gespräche mit seinem Wahlbeistand abgelehnt. Dabei handelt es sich um nicht beschwerdefähige gerichtliche Entscheidungen (vgl. § 77 IRG i.V.m. § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO), die der Endentscheidung - hier der Feststellung der Zulässigkeit der Auslieferung durch das Oberlandesgericht - vorausgegangen sind; solche Zwischenentscheidungen sind grundsätzlich jedenfalls dann nicht mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbar, wenn hierin liegende Verfassungsverstöße noch mit der Endentscheidung gerügt werden können (vgl. BVerfGE 1, 9 <10>; 21, 139 <143 f.>; 58, 1 <23>). So liegt der Fall hier. Der Beschwerdeführer kann die Rüge der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen die Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts erheben, worauf er im Übrigen selbst hingewiesen hat.

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde auch die Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Januar 2003 angreift, ist sie verfristet. Bei der Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft handelt es sich um eine selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angreifbare Entscheidung; die Verfassungsbeschwerde ist mithin innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG zu erheben. Dies ist vorliegend im Hinblick auf die Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft nicht geschehen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind weder vorgetragen noch ersichtlich; insbesondere wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gestellt.

3. a) Auch soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Mai 2003 wendet, mit dem dieses die Auslieferung für zulässig erklärt hat, ist sie - jedenfalls derzeit - unzulässig. Ihr steht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt dieser Grundsatz über die Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus, dass der Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um es erst gar nicht zu dem Verfahrensverstoß kommen zu lassen oder um die geschehene Grundrechtsverletzung zu beseitigen (vgl. BVerfGE 22, 287 <290 f.>; 81, 22 <27>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1996 - 2 BvR 2407/96 -, JURIS). Daran fehlt es hier:

Der Beschwerdeführer rügt mit der Verfassungsbeschwerde u.a. die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Mit dieser Rüge kann die Verfassungsbeschwerde regelmäßig erst erhoben werden, nachdem der Beschwerdeführer mit einem Antrag nach § 77 IRG i.V.m. § 33a StPO versucht hat, die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs zu erwirken (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. November 1983 - 2 BvR 1575/83 -, NJW 1984, S. 559). Dieser Rechtsbehelf, der zum Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG gehört (vgl. BVerfGE 42, 243 <247 f.>; 74, 358 <380>) und jeden Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör erfasst (vgl. BVerfGE 42, 243 <250>), ist von dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall, soweit ersichtlich, nicht ergriffen worden. Zwar hat der Beschwerdeführer durch seinen Bevollmächtigten bereits vor dem Erlass des angegriffenen Beschlusses mit Schreiben vom 4. Mai 2003 darauf hingewiesen, dass eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht zu einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG führen kann; er halte eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere zu den sich aus den Verfahrensakten ergebenden Widersprüchen zwischen seinen Angaben im Asylverfahren und denen im Auslieferungsverfahren vor der Entscheidung durch das Oberlandesgericht für erforderlich, andernfalls in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes die im Auslieferungsverfahren gemachten Angaben des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt werden müssten. Dies enthebt ihn aber nicht der Verpflichtung, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde einen Antrag nach § 77 IRG i.V.m. § 33a StPO zu stellen. Denn der Beschwerdeführer hatte erst nach ergangener Entscheidung die Möglichkeit, sich mit den tragenden Entscheidungsgründen des Beschlusses vom 19. Mai 2003 auseinander zu setzen. Anhaltspunkte dafür, dass ein Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 77 IRG i.V.m. § 33a StPO, ihm nachträglich rechtliches Gehör - insbesondere im Hinblick auf die zur Entscheidungsgrundlage gemachten Widersprüche - zu gewähren, von vornherein erfolglos und deshalb unzumutbar wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer kein Pflichtbeistand beigeordnet worden ist, macht die Stellung eines Antrags nach § 77 IRG i.V.m. § 33a StPO nicht unzumutbar, zumal dem Beschwerdeführer ein Wahlbeistand zur Seite steht, der seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann.

Der Beschwerdeführer rügt mit der Verfassungsbeschwerde auch die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtbeistands; insoweit fehlt es jedoch an jeglicher Darlegung, inwieweit hierdurch der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt sein soll. Eine irgendwie geartete inhaltliche Auseinandersetzung mit der ablehnenden Entscheidung enthält weder die Verfassungsbeschwerde noch das an das Oberlandesgericht gerichtete Schreiben vom 4. Mai 2003. Es werden in diesem Zusammenhang weder einfachrechtliche Fragestellungen, etwa die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 IRG, erörtert noch substantiierte verfassungsrechtliche Rügen erhoben. Darauf, dass der Beschwerdeführer trotz der Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtbeistands während nahezu der gesamten Dauer des Verfahrens über einen Wahlbeistand verfügte, geht er ebenfalls nicht ein.

Im Falle einer erfolgreichen Anrufung des Oberlandesgerichts zur behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör besteht auch die Möglichkeit einer fachgerichtlichen Beseitigung der weiteren vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechtsverstöße.

Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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