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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.06.1998
Aktenzeichen: BVerwG 1 A 6.96
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, VAG, VVG


Vorschriften:

AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
AGBG § 11 Nr. 16
AGBG § 13
AGBG § 16 Nr. 1
AGBG § 24
BGB § 125
BGB § 139
VAG § 5 Abs. 3 Nr. 1
VAG § 81 Abs. 2 Satz 1
VVG § 5
VVG § 16
VVG § 17
VVG § 34 a Satz 2
VVG § 43
VVG § 44
VVG § 47
Leitsätze:

1. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen ist auch nach dem Wegfall der präventiven Kontrolle von Versicherungsbedingungen befugt, im Wege anlaßbezogener nachträglicher Mißstandsaufsicht eine Klausel zu untersagen, deren Verwendung die Versicherten unangemessen benachteiligt.

2. Die Rechtmäßigkeit einer die Verwendung einer Klausel untersagenden Aufsichtsmaßnahme hängt nicht davon ab, daß die Klausel bereits aufgrund einer zivilgerichtlichen Inhaltskontrolle für unwirksam erklärt wurde.

3. Gibt der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsantrag gegenüber einem Versicherungsagenten ab, der das Antragsformular nach Befragen des Versicherungsnehmers ausfüllt, so stellt die Beschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten auf schriftliche Erklärungen eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar.

4. Das Transparenzgebot des § 9 AGBG kann verletzt sein, wenn eine Klausel die Wirksamkeit einer mündlichen Erklärung des Versicherungsnehmers von einer Bestätigung des Versicherers abhängig macht.

Urteil des 1. Senats vom 25. Juni 1998 - BVerwG 1 A 6.96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 A 6.96

Verkündet am 25. Juni 1998

Wichmann Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Dr. Mallmann, Dr. Hahn, Groepper und Richter

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (im folgenden: Bundesaufsichtsamt) erließ unter dem 15. Januar 1996 an die Klägerin folgende Verfügung:

Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, § 43 Nr. 1 VVG untersage ich Ihnen, sich gegenüber Versicherungsnehmern auf folgende Klausel zu berufen und sie weiterhin in den Verkehr zu bringen:

"Der Vermittler berät Sie bei Abschluß des Vertrages. Er ist zur Entgegennahme mündlicher Erklärungen und Angaben nicht bevollmächtigt. Sämtliche Erklärungen und Angaben sind daher schriftlich niederzulegen. Bitte prüfen Sie deshalb Ihre schriftlichen Angaben sowohl in diesem Antrag als auch in eventuellen anderen Schriftstücken auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit; sonst gefährden Sie Ihren Versicherungsschutz."

Durch weitere Verfügung vom 29. Februar 1996 untersagte die Beklagte der Klägerin in gleicher Weise auch die Verwendung folgender Klausel:

"Schriftform/Vollständigkeit des Antrags

Grundlage für Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes ist allein der schriftlich beantragte Vertragsinhalt. Ihre mündlichen Erklärungen hierzu sind nur wirksam, wenn sie von uns schriftlich bestätigt werden. <Zusatz: Leben/Unfall: Ihre Erklärungen zum Bezugsrecht sind nur schriftlich wirksam.>

Bitte achten Sie auch auf vollständige und richtige Beantwortung der sonstigen Antragsfragen entweder gegenüber unserem Vertreter oder schriftlich an uns. Sie gefährden sonst Ihren Versicherungsschutz."

Die Widersprüche der Klägerin gegen beide Verfügungen wies eine Beschlußkammer des Bundesaufsichtsamts durch Entscheidung vom 23. September/29. Oktober 1996 (VerBAV 1996, 259) zurück, im wesentlichen mit folgender Begründung:

Die Verfügungen des Bundesaufsichtsamts seien nicht zu beanstanden. Beide untersagten Klauseln verstießen gegen § 9 AGBG. Ihre Verwendung stelle einen Mißstand dar, gegen den vorzugehen das Bundesaufsichtsamt auch nach der Umsetzung der 3. EG-Versicherungsrichtlinien berechtigt sei. Beide Klauseln wichen von § 43 Nr. 1 VVG ab und seien mit dessen wesentlichen Grundgedanken nicht zu vereinbaren.

Die erste Klausel beschränke die Empfangsvollmacht des Vermittlungsagenten entgegen § 43 Nr. 1 VVG auf schriftliche Erklärungen. Dies benachteilige den Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen. Denn entsprechend der üblichen und von der Klägerin geduldeten Praxis sei der Kunde darauf beschränkt, die vom Agenten gestellten Antragsfragen mündlich zu beantworten. Er dürfe deshalb davon ausgehen, daß der Agent, der regelmäßig das Ausfüllen des Antragsformulars übernehme, die mündlichen Erklärungen des Kunden ordnungsgemäß aufnehme. Wenn hierbei wahrheitsgemäß abgegebene mündliche Wissenserklärungen des Kunden nicht in das Formular Eingang fänden, müsse dies nach der "Auge-und-Ohr"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Risikosphäre des Versicherers zugerechnet werden.

Die zweite Klausel beschränke wie die erste Klausel die Empfangsvollmacht des Vermittlungsagenten auf schriftliche Willenserklärungen. Im Gegensatz dazu verlange sie aber für Wissenserklärungen des Kunden keine Schriftform mehr. Gleichwohl stelle auch ihre Verwendung einen Mißstand dar, weil der durchschnittliche rechtsunkundige Interessent aus der Klausel keine eindeutige Differenzierung zwischen Willens- und Wissenserklärungen entnehmen könne. Aus der Klausel, die fünfmal das Wort "schriftlich" und nur einmal und noch dazu an irreführender Stelle das Wort "mündlich" enthalte, müsse der Kunde schließen, daß er sämtliche Erklärungen schriftlich abzugeben habe. Damit unterliege die Klausel denselben Bedenken wie die erste Klausel. Sie benachteilige den Kunden unangemessen, weil er die Rechtslage falsch einschätze und infolgedessen seine Rechte u.U. nicht geltend mache. Die Klausel sei daher selbst dann wegen Verstoßes gegen die "Auge-und-Ohr"-Grundsätze rechtswidrig, wenn sie, was offenbleiben könne, eine zulässige Beschränkung der Vollmacht des Versicherungsagenten für die Entgegennahme von Willenserklärungen enthalten sollte.

Die Klägerin hat am 21. November 1996 Klage mit dem Antrag erhoben, die angefochtenen Verfügungen und die Beschlußkammerentscheidung aufzuheben. Zur Begründung trägt sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Vorverfahren vor:

Die Befugnis des Bundesaufsichtsamts, die Verwendung allgemeiner Versicherungsbedingungen wegen eines Verstoßes gegen das AGB-Gesetz zu untersagen, sei nach Sinn und Zweck der 3. EG- Versicherungsrichtlinien gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG auf Fälle offenkundigen Mißstands und deshalb auf Klauseln beschränkt, deren Unzulässigkeit bereits vom Bundesgerichtshof festgestellt worden sei. Dieser habe über Klauseln der vorliegenden Art aber noch nicht entschieden. Das Bundesaufsichtsamt sei nicht berechtigt, im Wege der Mißstandsaufsicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorzugreifen, da dies auf eine unzulässige Vorkontrolle hinauslaufe.

Die Untersagungsverfügungen seien nicht erforderlich, weil das Bundesaufsichtsamt gesetzlich berechtigt sei, in Versicherungsbedingungen betreffenden Klageverfahren vor den Zivilgerichten Stellungnahmen abzugeben, und ihm damit ein milderes Mittel zur Verfügung stehe. Die untersagten Klauseln seien von der "Auge-und-Ohr"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erfaßt. Diese beziehe sich nur auf Versicherungsagenten, nicht auch auf Versicherungsmakler und das Auslandsgeschäft und betreffe nur Wissenserklärungen, nicht aber Willenserklärungen.

Die beanstandeten Klauseln unterlägen nicht dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes. Sie seien keine Vertragsbedingungen, die den Inhalt des Versicherungsvertrages bildeten, sondern gäben dem Versicherungsnehmer lediglich Kenntnis davon, daß die Empfangsvollmacht des Versicherungsvermittlers im Innenverhältnis beschränkt sei und daher mündliche Erklärungen keine Bedeutung hätten. Darüber hinaus verstießen die Klauseln auch nicht gegen § 9 AGBG, weil sie mit dem Leitgedanken des § 47 VVG übereinstimmten und dem überwiegenden Interesse des Versicherers und der Gemeinschaft der Versicherten entsprächen. Es sei mit dem AGB-Gesetz vereinbar, die Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten bei der Entgegennahme eines Antrages generell einzuschränken. § 47 VVG setze eine entsprechende Befugnis des Versicherers voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hänge die Wirksamkeit einer Vollmachtsbeschränkung gemäß § 47 VVG im wesentlichen davon ab, ob die Beschränkung aus dem Antragsformular klar und eindeutig hervorgehe. Dies sei im vorliegenden Falle zu bejahen. Denn anders als die vom Bundesgerichtshof verworfenen Klauseln brächten die beiden Klauseln klar zum Ausdruck, daß die Empfangsvollmacht beschränkt sei. Die Auffassung des Bundesaufsichtsamts setze das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis der §§ 43, 47 VVG zu Lasten der Versicherer außer Kraft, ohne daß der Schutz der Versicherungsnehmer dies erfordere. Die Schriftformklausel diene einem berechtigten Interesse der Klägerin. Nur so könne sichergestellt werden, daß der Versicherer alle für das Versicherungsverhältnis und die Berechnung der Prämie relevanten Angaben kenne und nachträgliche unrichtige Angaben durch Versicherungsnehmer abwehren könne, die die prozessuale Beweislastverteilung mißbräuchlich benutzten, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Das Interesse des Versicherers daran, die richtigen Informationen zu erlangen, sei auch dann legitim, wenn der Versicherungsnehmer redlich sei, denn es könne Irrtümer geben. Eine volle Risikoprüfung durch den Versicherer sei aus datenschutzrechtlichen und Kostengründen nicht möglich. Bei der Auslegung des § 9 AGBG müsse deshalb berücksichtigt werden, daß der Versicherer kollektive Gesamtinteressen wahrnehme. Die Tätigkeit des Versicherungsagenten werde dem Kunden nicht generell aufgezwungen, sondern hänge von seiner freien Entscheidung ab. Der Kunde könne einen Versicherungsvertrag auch im schriftlichen Verfahren abschließen. Wähle er die Beratung durch einen Versicherungsagenten, so sei es ihm in der Regel zumutbar, nach mündlicher Erörterung der Antragsfragen das Formular durchzulesen und auf Richtigkeit zu überprüfen. Hiermit sei ein durchschnittlicher Kunde nicht typischerweise überfordert. Für den Versicherer sei die Beschränkung der Vollmacht des Agenten der einzig mögliche Weg, seine Belange zu schützen. Für den Kunden, der die Klausel nur lesen müsse, stelle dies eine vergleichsweise geringe Belastung dar. Es gehe nur um die Einschränkung der Vollmacht, nicht um eine Freizeichnung für Beratungsfehler des Agenten. Außerdem betreffe die Klausel nur die Erklärungen, die im Antragsformular enthalten seien. Sie beschränke die Belastung des Kunden auf das Nötigste. Ein generelles Schriftformerfordernis stelle die Klausel nicht auf.

Da es den typischen Versicherungsvertrag nicht gebe, variierten die Antragsformulare nach Vertragstypen. Die Frage der Unzumutbarkeit könne nicht im Rahmen der AGB-Kontrolle, sondern nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Jedenfalls hätte das Bundesaufsichtsamt über die Unzulässigkeit der Klauseln nicht generell, sondern nach Vertragstypen getrennt entscheiden müssen. Schließlich seien bestimmte Kunden, nämlich Makler, Kaufleute und Kunden im Auslandsgeschäft, von vornherein nicht schutzwürdig. Versicherungsmakler unterlägen nicht den §§ 43, 44 VVG und seien von der "Auge-und-Ohr"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erfaßt. Makler würden im Normalfall von den Kunden beauftragt und handelten treuhänderisch als deren Sachwalter. Kaufleute seien in ihrem Geschäftsbetrieb auf die Führung schriftlicher Unterlagen eingerichtet und müßten aufgrund ihrer Geschäftserfahrung mit Schriftform- und Bestätigungsklauseln rechnen. In Auslandsgeschäften, bei denen der Versicherungsagent seinen gewöhnlichen Tätigkeitsort im Ausland habe und dort die Versicherung vermittle, finde deutsches Recht auf die Empfangsvollmacht keine Anwendung.

Für die zweite Klausel gelte sinngemäß das gleiche wie für die erste Klausel. Sie enthalte, was ihr der durchschnittliche rechtsunkundige Interessent mit hinreichender Klarheit entnehmen könne, nur eine Einschränkung der Empfangsvollmacht für Willenserklärungen, nicht für Wissenserklärungen. Diese Einschränkung sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig. Die Klausel entspreche auch den Anforderungen an Transparenz, wobei es nicht darauf ankomme, ob der Kunde die Regelung rechtlich richtig einordnen könne.

Die Klägerin beantragt,

die Verfügungen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 15. Januar 1996 und vom 29. Februar 1996 sowie die Beschlußkammerentscheidung desselben Amtes vom 29. Oktober 1996 aufzuheben.

Die Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Oberbundesanwalt ist in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Finanzen der Auffassung, das Bundesaufsichtsamt sei grundsätzlich befugt, Klauseln der vorliegenden Art zu beanstanden, die Klauseln der Klägerin seien aber im Gegensatz zur Ansicht des Bundesministeriums der Justiz nicht am Maßstab des § 9 AGBG zu prüfen.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Auf sie und die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügungen ist § 81 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl I 1993 S. 2), im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Beschlußkammerentscheidung zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl I S. 3210) - VAG -. Danach kann die Aufsichtsbehörde gegenüber den Versicherungsunternehmen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Mißstände zu vermeiden oder zu beseitigen. Mißstand ist jedes Verhalten eines Versicherungsunternehmens, das den Aufsichtszielen des § 81 Abs. 1 VAG widerspricht. Zu diesen Aufsichtszielen gehören die ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten und die Einhaltung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten.

1. Zu den Gesetzen, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten und über deren Einhaltung das Bundesaufsichtsamt zu wachen hat, gehört auch das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen - AGB-Gesetz, AGBG -. Dessen § 9 lautet:

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Der Fall nötigt nicht zu einer Entscheidung der Frage, ob bei der Anwendung des § 81 VAG außer einer Gesetzesverletzung stets festgestellt werden muß, daß wegen der Gesetzesverletzung die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt werden. Denn § 9 AGBG setzt seinerseits voraus, daß der Vertragspartner des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Im Falle einer solchen unangemessenen Benachteiligung im Sinne des AGB-Gesetzes sind zugleich die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt (Urteil vom 14. Oktober 1980 - BVerwG 1 A 12.78 - BVerwGE 61, 59 <65> = Buchholz 452.00 § 8 VAG Nr. 5, S. 11). Hieran hat sich durch die Neufassung der Eingriffsvoraussetzungen des § 81 Abs. 2 Satz 2 VAG nichts geändert.

2. Die Befugnis des Bundesaufsichtsamts, die Einhaltung von Vorschriften des AGB-Gesetzes zu überwachen und sie erforderlichenfalls durchzusetzen, ist nicht, wie die Klägerin meint, auf Fälle offenkundigen Mißstands und deshalb auf die Beanstandung solcher Klauseln beschränkt, deren Unzulässigkeit bereits vom Bundesgerichtshof festgestellt worden ist.

Die vom Rat der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Richtlinien zur Regelung des Kernbereichs des europäischen Versicherungsrechts, insbesondere die beiden 3. Richtlinien zur Schadensversicherung (Richtlinie 92/49/EWG vom 18. Juni 1992, ABl. EG Nr. L 228 S. 1) und zur Lebensversicherung (Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992, ABl. EG Nr. L 360 S. 1), auf die sich die Klägerin beruft, verfolgen u.a. das Ziel, den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft herzustellen und in diesem Zusammenhang die Versicherungsunternehmen in die Lage zu versetzen, ohne Bindung an eine vorherige Genehmigung dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung zu stellen (vgl. Erwägung Nr. 19 der 3. Richtlinie Schadensversicherung und Erwägungen Nr. 20 und 23 der 3. Richtlinie Lebensversicherung). Zu diesem Zweck dürfen die Mitgliedstaaten "keine Vorschriften" vorsehen, "in denen eine vorherige Genehmigung oder eine systematische Übermittlung der allgemeinen und besonderen Versicherungsbedingungen, der Tarife ... sowie der Formblätter und sonstigen Druckstücke, die das Unternehmen im Verkehr mit den Versicherungsnehmern zu verwenden beabsichtigt, verlangt wird" (Art. 29 beider Richtlinien). Diese Regelung ist durch das Dritte Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBl I S. 1630) in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Zu den Unterlagen, die dem Antrag auf Erlaubnis des Geschäftsbetriebs beizufügen sind, gehört die Satzung nur noch, "soweit sie sich nicht auf Allgemeine Versicherungsbedingungen bezieht", die - anders als früher - nicht mehr einzureichen sind (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 VAG n.F. gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 und 2 VAG a.F.). Weggefallen ist ferner die Pflicht, die Tarife sowie auf Verlangen der Aufsichtsbehörde "die Formblätter und sonstigen gedruckten Unterlagen, die im Verkehr mit den Versicherten verwendet werden", vorzulegen (§ 5 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 1a VAG a.F.).

Sinn und Zweck der Regelung ist es, die frühere präventive Kontrolle der Allgemeinen und der Besonderen Versicherungsbedingungen, der Tarife und der Formblätter zu beseitigen, weil die systematische behördliche Vorabkontrolle zu einer Vereinheitlichung der Versicherungsbedingungen führte, die nach Auffassung der Gemeinschaft den Wettbewerb behinderte. Damit ist nicht das Recht und die Pflicht der Aufsichtsbehörden beseitigt worden, nachträglich eintretenden Mißständen entgegenzuwirken, insbesondere Gesetzesverstößen bei dem Geschäftsbetrieb. Dies ist auch richtlinienkonform, denn Art. 11 Abs. 3 bzw. Art. 10 Abs. 3 der Richtlinien lautet:

Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Vorschriften, damit die zuständigen Behörden über die Befugnisse und Mittel verfügen, die zur Überwachung der Tätigkeiten der Versicherungsunternehmen ... gemäß den Richtlinien des Rates über die Tätigkeiten und im Hinblick auf deren Anwendung erforderlich sind.

Diese Befugnisse und Mittel müssen den zuständigen Behörden vor allem die Möglichkeit geben,

a) ...

b) gegenüber dem Unternehmen ... alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um sicherzustellen, daß der Geschäftsbetrieb mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die das Unternehmen jeweils in den Mitgliedstaaten zu beachten hat, und insbesondere mit dem Tätigkeitsplan - sofern er weiter verbindlich ist - in Einklang bleibt und daß Mißstände, die eine Gefährdung der Versicherteninteressen darstellen, vermieden oder beseitigt werden; c) ...

Eine anlaßbezogene nachträgliche Inhaltskontrolle Allgemeiner Versicherungsbedingungen, Besonderer Versicherungsbedingungen, von Tarifen und Klauseln ist also nicht ausgeschlossen. Aus dem Wegfall der präventiven Kontrolle von Vertragsbedingungen folgt nicht, daß die Versicherungsunternehmen in dieser Hinsicht jeglicher Kontrolle entzogen sind. Insbesondere ergibt sich aus der Beseitigung der Vorabkontrolle nicht, daß die Aufsichtsbehörde vor Mißständen, deren Voraussetzungen sie im Zulassungsverfahren nicht prüfen durfte oder, weil sie erst später eingetreten sind, nicht prüfen konnte, die Augen verschließen müßte. Das Bundesaufsichtsamt ist befugt, dafür zu sorgen, daß das Versicherungsunternehmen die Gesetze einhält, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten. Eine auf den Einzelfall beschränkte, aus gegebenem Anlaß angeordnete Kontrolle stellt daher keine das Verbot der Vorabkontrolle umgehende und deshalb unzulässige Nachkontrolle dar, die mit dem Sinn und Zweck der Richtlinien nicht vereinbar wäre. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs geht davon aus, daß die Aufsichtsbehörde in Zukunft die Vorlage der Versicherungsbedingungen nachträglich und "anhand von Einzelfällen" verlangen kann (BTDrucks 12/6959, S. 45).

Danach ist das Bundesaufsichtsamt berechtigt, von seinen Aufsichtsbefugnissen Gebrauch zu machen, wenn es nachträglich Kenntnis von einer bestimmten Klausel erhält und in der Verwendung dieser Klausel einen Mißstand erblickt (ebenso: Römer, Der Prüfungsmaßstab bei der Mißstandsaufsicht nach § 81 VAG und der AVB-Kontrolle nach § 9 AGBG, 1996). Dies gilt auch dann, wenn gegen deren Verwendung zivilrechtliche Schritte von dritter Seite bisher nicht unternommen worden sind. Anordnungen nach § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG dürfen nicht nur zur Beseitigung, sondern auch zur Vermeidung von Mißständen ergehen (so ausdrücklich in Anlehnung an die "Vorgaben der Richtlinienbestimmungen" die Gesetzesbegründung, vgl. BTDrucks 12/6959, S. 82 f.) Außerdem wird sich die Auswirkung einer Klausel und die sich aus ihr ergebende unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers oft erst bei ihrer Anwendung zeigen. Das Bundesaufsichtsamt darf daher auch bei "ungeklärten Klauseln" eingreifen; eines vorherigen Zivilverfahrens nach § 13 AGBG und einer vorherigen Mißbilligung der Klausel durch die Zivilgerichte bedarf es nicht. Eine andere Auffassung ließe die Befugnis, Mißstände aufzugreifen und zu beseitigen, von Zufälligkeiten der zivilrechtlichen Rechtsverfolgung abhängig werden. Eine solche Beschränkung der Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörde läßt sich dem Versicherungsaufsichtsrecht nicht entnehmen und widerspräche dessen Schutzzweck: Der Gefahr divergierender Entscheidungen, auf die die Klägerin hinweist, vorzubeugen, ist Sache der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts.

3. Der Beanstandung einzelner Versicherungsbedingungen nach Maßgabe des § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG steht nicht entgegen, daß das Bundesaufsichtsamt gemäß § 16 AGBG im Verfahren auf Unterlassung der Verwendung unwirksamer Geschäftsbedingungen anzuhören ist.

§ 13 Abs. 2 AGBG eröffnet bestimmten rechtsfähigen Verbänden, den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern die Möglichkeit, im Klagewege Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf von Bestimmungen geltend zu machen, die nach den §§ 9 bis 11 des Gesetzes unwirksam sind. Diese Möglichkeit, die dem Bundesaufsichtsamt nicht zusteht, berührt dessen Eingriffsbefugnisse nicht. Das Bundesaufsichtsamt ist nach § 16 Nr. 1 AGBG bei derartigen Verfahren lediglich zu hören. Der Gesetzgeber hat bewußt davon abgesehen, dem Bundesaufsichtsamt ein Klagerecht einzuräumen und es damit auf eine Stufe mit den in § 13 Abs. 2 AGBG genannten Einrichtungen zu stellen. Die öffentlich-rechtlichen Aufsichtsbefugnisse des Bundesaufsichtsamts stehen außerhalb des vom AGB-Gesetz geschaffenen zivilrechtlichen Kontrollverfahrens. Es wäre mit seiner Stellung als hoheitlicher Aufsichtsbehörde unvereinbar, dem Bundesaufsichtsamt in einem wesentlichen Bereich seiner Tätigkeit den Einsatz hoheitlicher Mittel zu versagen. Die bloße Beteiligung in Form der Anhörung an einem zivilgerichtlichen Verfahren, welches das Bundesaufsichtsamt nicht selbst einleiten, sondern allenfalls anregen kann, ist kein geeigneter Ersatz für die Befugnis, die Aufsicht durch eigene Maßnahmen nach § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG selbst zu verwirklichen.

4. Die mit den angefochtenen Verfügungen beanstandeten Klauseln fallen in den Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes. Die Klägerin macht dagegen geltend, die Klauseln seien keine Vertragsbedingungen, die den Inhalt des Versicherungsvertrages bildeten, sondern gäben dem Versicherungsnehmer lediglich Kenntnis davon, daß die Empfangsvollmacht des Versicherungsvermittlers im Innenverhältnis beschränkt sei und daher mündliche Erklärungen keine Bedeutung entfalten könnten. Es ist jedoch gerade der erkennbare Sinn der Klauseln, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu bestimmen, unter denen ein Vertrag zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zustandekommt; die Klauseln haben den Zweck, den Versicherungsnehmer zu einem bestimmten, vom Versicherer gewünschten Verhalten zu veranlassen und ihm die Folgen vor Augen zu führen, die ein abweichendes Verhalten nach sich zieht ("Sie gefährden sonst Ihren Versicherungsschutz."). Die Klauseln gehören damit zu den Regelungen, die Inhalt oder Zustandekommen des zwischen dem Verwender und seinem Vertragspartner zu schließenden Rechtsgeschäfts betreffen. Dies rechtfertigt es, beide Klauseln ebenfalls der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz zu unterwerfen (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1988 - VIII ZR 175/87 - BGHZ 104, 95 <98>).

5. Klausel 1 verstößt gegen § 9 AGBG, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken von der gesetzlichen Regelung der §§ 43 bis 47 VVG, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren ist. Die gesetzliche Regelung, von der abgewichen wird (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG), umfaßt auch die Rechtssätze, die durch Auslegung aus den gesetzlichen Vorschriften hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 12. März 1987 - VII ZR 37/86 - BGHZ 100, 157 <163>).

a) Anknüpfungspunkt der Klausel 1 ist die Einschaltung eines Versicherungsagenten, der Vertreter des Versicherers ist.

Ein Versicherungsvertrag kommt regelmäßig dadurch zustande, daß der potentielle Versicherungsnehmer einen Versicherungsantrag stellt, den der Versicherer annimmt, nachdem er das Risiko geprüft hat. Bis zum Ergebnis der Prüfung behält sich der Versicherer die Annahme des Antrages vor. Für den Versicherer kommt es darauf an, daß derjenige, der innerhalb seiner Organisation die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung trifft, die mit vertretbarem Aufwand erreichbare größtmögliche Kenntnis der je nach Typ und Inhalt des Vertrages erheblichen Risikoumstände besitzt. Bedient sich der Versicherer bei der Anbahnung des Versicherungsvertrages eines Vermittlers, so hat dies gelegentlich zur Folge, daß zwischen dem vom Versicherungsnehmer (angeblich) Gesagten und dem im Versicherungsantrag Dokumentierten keine volle Kongruenz besteht. Der Versicherer hat ein legitimes Interesse daran, sich davor zu schützen, daß sich ein Versicherungsnehmer auf mündliche Erklärungen beruft, die er entweder gegenüber dem Vermittler überhaupt nicht abgegeben hat oder die der Vermittler nicht in das Antragsformular übernommen hat.

Das Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) trifft Regelungen für den Fall, daß es bei Abschluß des Vertrages zu einer Divergenz zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über den Inhalt des Vertrages oder über gefahrerhebliche Umstände gekommen ist. Für Willenserklärungen ordnet § 5 VVG an, daß der schriftliche Inhalt des Versicherungsscheins gilt, wenn er vom Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen abweicht und der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, sofern der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins auf diese Rechtsfolge und das Widerspruchsrecht hinweist. Hat der Versicherungsnehmer die in § 16 VVG genannte Anzeige gefahrerheblicher Umstände (Wissenserklärungen) unterlassen, so ist der Versicherer zum Rücktritt berechtigt, es sei denn, er hat den nicht angezeigten Umstand gekannt. Bei Einschaltung eines Versicherungsagenten richten sich diese Rechtsfolgen danach, inwieweit das dem Agenten Mitgeteilte als dem Versicherer mitgeteilt gilt.

Nach § 43 VVG gilt ein Versicherungsagent als bevollmächtigt, in dem Versicherungszweig, für den er bestellt ist, u.a. Anträge auf Schließung eines Versicherungsvertrages, die nach §§ 16 und 17 VVG zu machenden Anzeigen sowie sonstige das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen von dem Versicherungsnehmer entgegenzunehmen. Soweit die Kenntnis des Versicherers von Erheblichkeit ist, steht nach § 44 VVG die Kenntnis eines nur mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betrauten Agenten der Kenntnis des Versicherers nicht gleich. Nach § 47 VVG braucht ein Dritter eine Beschränkung der dem Versicherungsagenten zustehenden Vertretungsmacht nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er die Beschränkung bei der Vornahme des Geschäfts oder der Rechtshandlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Auf eine abweichende Vereinbarung kann sich der Versicherer nicht berufen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86 - BGHZ 102, 194 <197>; vom 23. Mai 1989 - IVa ZR 72/88 - BGHZ 107, 322 <325>; vom 28. November 1990 - IV ZR 219/89 - NJW-RR 1991, 348) muß sich der Versicherer die Kenntnis seines rechtsgeschäftlichen Stellvertreters (§ 43 Nr. 1 VVG) zurechnen lassen mit der Folge, daß der Versicherer den Versicherungsvertrag in Kenntnis der auch nur mündlich dem Agenten mitgeteilten Umstände schließt. Die Entgegennahme eines Antrages auf Abschluß des Versicherungsvertrages und die Kenntnisnahme der von dem Antragsteller bei dieser Gelegenheit abgegebenen - mündlichen - Erklärungen zu den ihm im Antragsformular gestellten Fragen stellen danach einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der keine juristische Aufspaltung erlaubt. Bei der Entgegennahme des Antrages auf Abschluß eines Versicherungsvertrages steht dem Antragsteller - auf alleinige Veranlassung des Versicherers - der empfangsbevollmächtigte Vermittlungsagent, bildlich gesprochen, als das "Auge und Ohr" des Versicherers gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden. Durch die vom Versicherer geduldete Aktivität des Agenten, der das Ausfüllen des Formulars übernimmt, wird der Antragsteller auf die mündliche Beantwortung der Formularfragen beschränkt. Mit seinen Antworten erfüllt er demgemäß seine Anzeigeobliegenheit. Mit der mündlichen Angabe gelangen die erfragten Gefahrumstände zur Kenntnis des Versicherers.

Nach dieser die typischen Gepflogenheiten beim Zustandekommen eines Versicherungsvertrages unter Einschaltung eines Versicherungsagenten berücksichtigenden Rechtsprechung, die der erkennende Senat teilt, kann sich der Versicherer auf eine Einschränkung der Empfangsvollmacht des Vermittlungsagenten durch Allgemeine Versicherungsbedingungen oder eine Schriftformklausel im Antragsformular nicht berufen, denn andernfalls beschränkte sich dessen Tätigkeit auf eine Botenfunktion. Das widerspräche der eigentlichen Aufgabe des Vermittlungsagenten, seinem Auftreten nach außen und den berechtigten Erwartungen des Kunden (vgl. auch BGH, Urteil vom 25. März 1982 - VII ZR 60/81 - BGHZ 83, 293 <296>). Da der Vermittlungsagent den Kunden berät und mit ihm erörtert, welche Angaben im Antragsformular zu machen sind, würde die Beschränkung der Empfangsvollmacht - z.B. auf schriftliche Erklärungen oder allein auf die Entgegennahme des Versicherungsantrages - einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich und deswegen in unzulässiger Weise aufspalten. Vielmehr hat der Versicherer, der seine Absatzinteressen mit Hilfe von Vermittlungsagenten zu verwirklichen beabsichtigt, auch die Risiken dieses Einsatzes zu tragen.

b) Die Klausel 1 weicht von wesentlichen Grundgedanken der dargestellten, im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszulegenden gesetzlichen Regelung ab. Sie unterscheidet zwischen Willenserklärungen ("Erklärungen") und Wissenserklärungen ("Angaben"). Rechtstechnisch weist sie den Versicherungsnehmer auf eine bestehende Beschränkung der Empfangsvollmacht des Vermittlers hin. Außerdem ist sie kombiniert mit einer umfassenden Schriftformklausel; der Versicherer erklärt damit, daß er mündliche Erklärungen und Angaben nicht gegen sich gelten lassen und sie nicht als Erfüllung der dem Versicherungsnehmer obliegenden Mitteilungspflichten (hierzu gehören auch vorvertragliche Anzeigeobliegenheiten) ansehen werde.

Satz 1 stellt jedoch klar, daß der Vermittler nicht auf die bloße Entgegennahme schriftlicher Erklärungen beschränkt ist, sondern im herkömmlichen Sinne den Versicherungsnehmer "berät", was besagt, daß er ihm in der üblichen Weise behilflich ist, indem er die maßgeblichen Fragen mit ihm durchgeht, Unwesentliches ausscheidet, die Antworten in einer für das Formular geeigneten Weise formuliert und insgesamt für ihn das Antragsformular bis zur Unterschriftsreife ausfüllt. Damit erfüllt - auch nach dem Bild der Klausel der Vermittler die wesentlichen Voraussetzungen, um ihn als "Auge und Ohr" des Versicherers anzusehen und diesem auch die mündlichen Erklärungen des Versicherungsnehmers zuzurechnen, ob sie nun in das Formular aufgenommen worden sind oder nicht. Die Einschränkung der Empfangsvollmacht ist nicht vereinbar damit, daß sich die mit Wissen und Wollen des Versicherers durchgeführte Beratung von der Entgegennahme des Antrages nicht abspalten läßt.

Das in Satz 3 aufgestellte Schriftformerfordernis widerspricht ebenfalls der Rechtslage, nach der der Versicherer auch von solchen Erklärungen Kenntnis erhält, die der Versicherungsnehmer anläßlich des Beratungsgesprächs dem Versicherungsagenten gegenüber mündlich abgegeben hat. Hieraus ergibt sich, daß die Kombination beider Einschränkungen den unzulässigen Versuch darstellt, den Rechtsfolgen auszuweichen, die sich aus der Einschaltung eines Versicherungsagenten ergeben.

An diesem Ergebnis ändert der Umstand nichts, daß sich die Klausel 1 nicht nur auf Wissenserklärungen, sondern auch auf Willenserklärungen bezieht. Zum einen spricht einiges für die Annahme, daß für Willenserklärungen, die der Versicherungsnehmer im Rahmen des für die Vertragsanbahnung typischen Gesprächs mit dem Versicherungsagenten abgibt, nichts anderes gelten kann als für Wissenserklärungen, weil auch diese Erklärungen innerhalb eines einheitlichen Lebensvorgangs abgegeben werden, der keine juristische Aufspaltung erlaubt. Zum anderen wäre die Klausel auch dann insgesamt nach § 9 AGBG zu verwerfen, wenn sie hinsichtlich der Willenserklärungen nicht die dargestellten Mängel aufwiese. Sie verstieße dann jedenfalls gegen das aus § 9 Abs. 1 AGBG entwickelte Transparenzgebot, weil der rechtsunkundige Versicherungsnehmer den Unterschied nicht kennt und die bei dem Ausfüllen des Antragsformulars abzugebenden Erklärungen, die sowohl Willens- als auch Wissenserklärungen umfasssen, insoweit keine nach Erklärungsarten geordnete Reihenfolge aufweisen können. Das Transparenzgebot will verhindern, daß Rechte und Pflichten durch unklar oder schwer verständlich gefaßte Klauseln verschleiert oder für den Vertragspartner schwer durchschaubar werden (vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1988 - III ZR 188/87 - BGHZ 106, 42 <49>; vom 10. Juli 1990 - XI ZR 275/89 - BGHZ 112, 115 <117>; vom 14. April 1992 - XI ZR 196/91 - ZIP 1992, 751 <753>; vom 11. November 1992 - IV ZR 271/91 - VersR 1993, 871; vom 10. März 1993 - VIII ZR 85/92 - NJW 1993, 2052 <2054>; vom 14. Mai 1996 - XI ZR 257/94 - NJW 1996, 2092 <2093>). Die Klausel wäre insgesamt geeignet, den Antragsteller auch dann davon abzuhalten, seine Rechte geltend zu machen, wenn sich die Beklagte zu Unrecht auf die Klausel beruft. Eine Aufteilung der Klausel in zu verwerfende und zu billigende Teile kommt deshalb nicht in Betracht. 6. Die Klausel 2 verstößt ebenfalls gegen § 9 AGBG.

a) Auch diese Klausel knüpft an die Einschaltung eines Versicherungsagenten an. Ihr Wortlaut deckt dies zwar nicht so deutlich auf wie Klausel 1; die Tatsache kommt lediglich im vorletzten Satz - mehr beiläufig - zum Ausdruck. Es ist jedoch nicht zweifelhaft, daß es auch bei dieser Klausel um die Regelung von Folgen geht, die sich aus der Einschaltung einer zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer stehenden Person ergeben. Regelmäßig sind nämlich nur in diesem Falle "mündliche Erklärungen" denkbar, von denen in Absatz 1 die Rede ist, und nur in diesem Falle kann es dazu kommen, daß zwischen dem vom Versicherungsnehmer (angeblich) Gesagten und dem vom Vermittler im Versicherungsantrag Dokumentierten keine volle Übereinstimmung besteht.

Grundsätzlich muß sich deshalb auch die Klausel 2 an den bereits dargestellten Maßstäben messen lassen, die sich aus der Einschaltung eines Versicherungsagenten ergeben.

b) Absatz 1 der Klausel bezieht sich allerdings allein auf Willenserklärungen, wie zum einen der Vergleich mit der in Absatz 2 erwähnten "Beantwortung der sonstigen Antragsfragen", zum anderen der Bezug auf den "beantragten Vertragsinhalt" zeigen. Denn Vorfragen, die dem Versicherer die Entscheidung ermöglichen sollen, ob und zu welchem Preis er das Risiko übernimmt, sind in diesem Sinne nicht "Vertragsinhalt". Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung eingehend erläutert, daß sie mit dieser Klausel das Ziel anstrebe, sich vor verdeckten Abweichungen zwischen Versicherungsantrag und Versicherungsschein zu schützen, auf die sie mangels Kenntnis nicht hinweisen könne und die deshalb nicht entsprechend § 5 Abs. 1 VVG zur Maßgeblichkeit des Versicherungsscheins führten. § 5 Abs. 3 VVG sieht für diesen Fall vor, daß der abweichende Inhalt des Versicherungsscheins unverbindlich ist und daß statt dessen das zwischen dem Versicherungsnehmer und - in diesem Falle - dem Versicherungsagenten mündlich Vereinbarte gilt. Diese Folge möchte die Klägerin vermeiden.

An der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Schriftformklausel bestehen keine Zweifel. Dies gilt angesichts des § 34 a Satz 2 VVG für Gefahrenanzeigen; erst recht muß es für Willenserklärungen gelten. Grundsätzlich mißbilligt das AGB-Gesetz Bestimmungen nicht, "durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an ... die Schriftform ... gebunden werden" (§ 11 Nr. 16 AGBG). Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift auch die Mitteilung von Tatsachen zur Erfüllung von Obliegenheiten im Auge gehabt (BTDrucks 7/3919, S. 39). Er hielt die Weite der in § 43 VVG beschriebenen Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten nur deshalb für vertretbar, weil der Versicherer sie wesentlich abmildern könne, indem er sich für Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmers ganz generell die Schriftform ausbedinge. Aus beiden Bestimmungen ist aber nicht zu entnehmen, daß die Einführung der Schriftform stets unbedenklich ist. Deswegen kann auch in diesem Falle die Generalklausel des § 9 AGBG, namentlich das Transparenzgebot eingreifen (BGHZ 90, 280 <283> und 104, 232 <239>).

Absatz 1 der Klausel ist, wie das Bundesaufsichtsamt mit Recht beanstandet hat, in einem zur Verwerfung führenden Maße unklar. Die Formulierung, mit der die Klägerin das angestrebte Ziel erreichen will, läßt nicht eindeutig erkennen, ob es sich um ein Formerfordernis für die Vertragsannahme, um eine besondere Bedingung für den Zugang einer mündlichen Erklärung des Versicherungsnehmers oder - was die Klägerin selbst geltend macht - um eine Beschränkung der Empfangsvollmacht des Vermittlers handeln soll. Der Wortlaut legt in erster Linie die Auslegung nahe, daß der Versicherer grundsätzlich nur schriftliche Willenserklärungen entgegennimmt (echtes Formerfordernis); mündliche Erklärungen sind dann gemäß § 125 BGB grundsätzlich unwirksam. Abweichend von § 125 BGB ist der Versicherer aber im Einzelfall bereit, auch eine mündliche Willenserklärung zu akzeptieren. Diese Bereitschaft kann er nur dadurch zum Ausdruck bringen, daß er die mündliche Erklärung des Versicherungsnehmers schriftlich bestätigt. Diese Bestätigung macht dann erst den Antrag auf Abschluß eines Versicherungsvertrages wirksam; die Annahme setzte eine weitere Willenserklärung des Versicherers voraus. So verstanden ist die Klausel eine Schriftformklausel mit der in das Belieben des Versicherers gestellten Möglichkeit, auch mündliche Erklärungen gelten zu lassen. Mit diesem Inhalt verkehrt Absatz 1 der Klausel die gesetzliche Regelung des § 5 Abs. 1 VVG in ihr Gegenteil. Außerdem läßt sie den Versicherungsnehmer darüber im unklaren, welche seiner mündlichen Erklärungen der Versicherer überhaupt als abgegeben zu akzeptieren bereit ist. Die spätere schriftliche Bestätigung des Versicherers ist ebensowenig geeignet, diese Zweifel zu beheben, wie eine Bestätigung, die die fragliche Erklärung nicht enthält. Auch in diesem Falle kann der Versicherungsnehmer nicht überblicken, welche seiner Erklärungen dem Versicherer gegenüber wirksam sind. Denn mündliche Erklärungen, die sich nicht auf den Vertragsinhalt beziehen, sind auch ohne schriftliche Bestätigung gültig. Die Rechtsfrage, welche Erklärungen als Willenserklärungen und welche als Wissenserklärungen einzuordnen sind, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer jedoch nicht entscheiden. Absatz 1 der Klausel ist daher, wie das Bundesaufsichtsamt zu Recht ausgeführt hat, geeignet, in dem Versicherungsnehmer den Eindruck zu erwecken, er müsse zur Vermeidung von Nachteilen alle Erklärungen schriftlich abgeben. In der konkreten Form ihrer Verwendung im Einsatz von Versicherungsagenten erweckt Absatz 1 der Klausel den unzutreffenden Anschein, der Versicherungsnehmer sei von Versicherungsleistungen ausgeschlossen, wenn er - aus welchen Gründen auch immer - das Schriftformerfordernis verletzt hat. Hieraus folgt die Eignung der Bestimmung, den Versicherungsnehmer von der effektiven Wahrung seiner Rechte schon im Vorfeld eines Prozesses abzuhalten (vgl. hierzu Bundschuh, Tendenzen der Rechtsprechung in Bank- und Versicherungssachen, Karlsruhe 1992, S. 14). Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG und damit zugleich einen Mißstand im Sinne des § 81 Abs. 2 Satz 2 VAG dar.

c) Absatz 2 der Klausel bezieht sich nur auf Wissenserklärungen (Anzeigen). Er stellt weder eine Einschränkung der Vollmacht des Vermittlers noch eine Schriftformklausel dar. Dieser Klauselteil beläßt dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit, alle wesentlichen Anzeigen mündlich gegenüber dem Vermittler abzugeben. Absatz 2 der Klausel bringt dem Versicherungsnehmer lediglich die - selbstverständliche - Obliegenheit in Erinnerung, seine Angaben vollständig und wahrheitsgemäß zu machen. Er verstößt - isoliert gesehen - daher zwar nicht gegen das System der §§ 16 ff., 43 ff. VVG in der dargelegten Auslegung des Bundesgerichtshofs. Die Bestimmung läßt sich jedoch als isolierte Klausel nicht aufrechthalten. Abgesehen davon, daß die Klägerin keine Absicht bekundet hat, die Klausel 2 in diesem Sinne aufzuspalten und ihren Absatz 2 auch dann weiterzuverwenden, wenn die Untersagungsverfügung hinsichtlich des Absatzes 1 erhalten bleibt, verbietet sich eine gespaltene Entscheidung auch deshalb, weil Absatz 2, der eines eigentlichen Regelungsgegenstandes entbehrt, durch seine in der Überschrift zum Ausdruck kommende Verklammerung mit Absatz 1 und durch seinen Wortlaut wesentlich an der Entstehung der Unklarheit beteiligt ist, unter der Absatz 1 der Klausel leidet (vgl. § 139 BGB).

7. Das Bundesaufsichtsamt war am Erlaß der angegriffenen Verfügungen nicht deshalb gehindert, weil die Klägerin die Klauseln auch im Auslandsgeschäft verwendet und sich die Klauseln darüber hinaus an Makler und Kaufleute richten, die die Klägerin nicht in gleicher Weise wie andere Versicherungsnehmer für schutzwürdig hält. Für das Auslandsgeschäft gilt die Untersagung der Klauseln nur, soweit deutsches Recht anwendbar ist, was zwischen den Parteien inzwischen unstreitig ist. Die Beklagte macht mit Recht geltend, daß ausländische Kunden, die deutsches Recht vereinbart haben, nicht weniger schutzwürdig sind als deutsche Kunden und davon ausgehen dürfen, daß ihre Erklärungen nicht anders bewertet werden als wenn der Vertrag von einem deutschen Antragsteller in Deutschland abgeschlossen worden wäre.

Die Verfügungen sind ferner nicht im Hinblick auf die Verwendung der Klauseln gegenüber Kaufleuten zu beanstanden. Auch wenn der Abschluß eines Versicherungsvertrages für einen Kaufmann ein Handelsgeschäft ist, bleibt § 9 AGBG generell anwendbar; allerdings ist gemäß § 24 AGBG auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen, wenn sich die Unwirksamkeit einer Bestimmung aus den §§ 10 und 11 AGBG ergibt. Auf diese Spezialvorschriften ist hier nicht zurückzugreifen.

Schließlich führt die Einschaltung eines Versicherungsmaklers nicht dazu, den Anwendungsbereich der Klauseln einzuengen. Sie betreffen die Einschaltung von Versicherungsagenten, die als Vertreter des Versicherers mit dem sich aus § 43 VVG ergebenden Vollmachtsumfang auftreten, nicht dagegen die von Versicherungsmaklern, die Vertreter des Versicherungsnehmers sind und deren Vollmacht von einem Versicherer nicht beschränkt werden kann. Wird jedoch ein Versicherungsmakler gleichzeitig als Versicherungsagent tätig, ist es gerechtfertigt, seine Tätigkeit den für Versicherungsagenten geltenden Grundsätzen zu unterwerfen.

8. Nach alledem war das Bundesaufsichtsamt befugt, die mit der Klage angegriffenen Verfügungen zu erlassen. Für Fehler bei der Ausübung des ihm insoweit eingeräumten Ermessens ist nichts ersichtlich. Die Klage muß daher erfolglos bleiben.

9. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf vier Millionen DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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