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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.08.2000
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 5.00
Rechtsgebiete: GG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 1
AuslG § 8 Abs. 2 Satz 3
AuslG § 47
Leitsätze:

1. Die Wirkungen der Ausweisung sind in der Regel nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG auch dann zu befristen, wenn der Zweck der Ausweisung noch nicht erreicht ist.

2. Das Vorliegen einer Ausnahme von der Regel des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG bestimmt sich wesentlich nach dem Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten spezial- und/oder generalpräventiven Zwecken.

3. Eine Ausnahme von der Regel des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG kann nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen, wenn der ausgewiesene Ausländer mangels freiwilliger Ausreise abgeschoben werden musste oder illegal wieder eingereist ist.

4. Im Fall einer Ausnahme von der Regel des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG ist die Ausländerbehörde nicht befugt, die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung nach pflichtgemäßem Ermessen zu befristen.

Urteil des 1. Senats vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 -

I. VG Berlin vom 11.03.1997 - Az.: VG 18 A 609/93 - II. OVG Berlin vom 08.09.1999 - Az.: OVG 1 B 4.99 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 C 5.00 OVG 1 B 4.99

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 11. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Gielen, Dr. Mallmann, Dr. Hahn und Dr. Gerhardt

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 8. September 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der 1955 geborene Kläger, der die jugoslawische Staatsangehörigkeit besitzt, erstrebt die Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung sowie zweier Abschiebungen. Er reiste im Juni 1977 unter dem Namen M. S. aus Jugoslawien in das Bundesgebiet ein und heiratete hier im August 1977 eine deutsche Staatsangehörige. Am 5. Juni 1985 verfügte der Beklagte die Ausweisung des Klägers. Diese war im Wesentlichen damit begründet, dass er sich zumindest seit 1978 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis durch Täuschung der Ausländerbehörde verschafft habe, weil seit dieser Zeit die eheliche Lebensgemeinschaft, wenn sie überhaupt jemals bestanden haben sollte, aufgelöst gewesen sei. Zudem hatte sich herausgestellt, dass der Kläger mit der Jugoslawin M. S.-S., der Mutter seiner 1973 und 1975 geborenen Kinder, zusammenlebte, die etwa zur gleichen Zeit wie er im Juni 1977 ins Bundesgebiet eingereist war und im September 1977 einen deutschen Staatsangehörigen geheiratet hatte. Nachdem der Kläger nach Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Ausweisung im September 1985 am 5. Dezember 1985 in der Wohnung von Frau S.-S. festgenommen worden war, wurde er am 11. Dezember 1985 nach Jugoslawien abgeschoben.

Am 22. April 1987 wurde der Kläger erneut in der Wohnung von Frau S.-S. angetroffen und nach einem Fluchtversuch festgenommen. Dabei gab sich der Kläger als M. M. aus. Vor dem Amtsgericht Schöneberg erklärte er dazu, er habe seinen Namen geändert; dies habe er legal durch Antrag bei Behörden erreicht. Am 8. Mai 1987 wurde der Kläger als M. S. alias M. M. zum zweiten Mal nach Jugoslawien abgeschoben.

Wieder als M. S. heiratete der Kläger am 6. Juni 1988 in Jugoslawien S. V., deren Familiennamen er annahm. Diese lebte seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland und besaß eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Unter dem 18. März 1991 beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine Ehe mit Frau V., die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen mit sofortiger Wirkung zu befristen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 1992 ab. Daraufhin reiste der Kläger im Februar 1992 erneut illegal in das Bundesgebiet ein und erreichte hier schließlich aufgrund der politischen Verhältnisse in Jugoslawien die Duldung bis zum 24. September 1993. Nach erneuter Festnahme zur Abschiebung, diesmal in der Wohnung von Frau V., verließ der Kläger am 14. Mai 1994 freiwillig die Bundesrepublik Deutschland. Den Widerspruch des Klägers gegen die Versagung der beantragten Befristung wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 1996 zurück. Jedenfalls seit Mai 1999 hält sich der Kläger unerlaubt im Bundesgebiet auf.

Die Verpflichtungsklage ist in erster Instanz erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 8. September 1999 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen. Den Regelfällen des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG stünden Ausnahmefälle gegenüber. Sie seien durch einen so bedeutsamen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, dass das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt werde. Bei der Beurteilung seien neben dem Gewicht des Ausweisungsgrundes die mit der Ausweisung verfolgten general- und/oder spezialpräventiven Zwecke zu berücksichtigen. Danach komme die vom Kläger begehrte Befristung nicht in Betracht. Der Beklagte habe den Kläger 1985 ausgewiesen, weil dieser die ihm seit Juli 1978 erteilte Aufenthaltserlaubnis durch falsche Angaben gegenüber der Ausländerbehörde über eine angeblich bestehende Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau erschlichen habe. Mit der Ausweisung habe der Beklagte spezial- und generalpräventive Zwecke verfolgt. Diesen Zwecken zuwider habe der Kläger seit 1985 bis heute mit ungewöhnlicher Hartnäckigkeit versucht, illegal im Bundesgebiet Fuß zu fassen, indem er trotz zweier Abschiebungen das mit der Ausweisung und jeder Abschiebung seit 1991 verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot immer wieder durch erneute illegale Einreise missachtet, sich teilweise unter einem vorübergehend angenommenen anderen Namen im Bundesgebiet aufgehalten und später die Ausländerbehörde abermals über eine allem Anschein nach nicht bestehende neue Lebensgemeinschaft - jetzt mit einer inzwischen hier aufenthaltsberechtigten jugoslawischen Staatsangehörigen - zu täuschen versucht habe. Dieses Verhalten, das in der erneuten illegalen Einreise 1999 gipfele, beweise, dass der Zweck der Ausweisung im Falle des Klägers bis heute nicht erreicht sei, so dass ein Regelfall, in dem eine befristete Ausweisung zur Erreichung des damit verfolgten Zwecks genüge, hier nicht angenommen werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, die er wie folgt begründet: Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei der Beklagte verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen zu befristen, da ein Regelfall des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG vorliege. Entscheidend sei, ob der mit der Ausweisung und der Abschiebung verfolgte Zweck aufgrund besonderer Umstände nicht durch die zeitlich befristete Fernhaltung vom Bundesgebiet erreicht werden könne. Dies sei dann nicht anzunehmen, wenn der Ausländer in so hohem Maße eine Gefährdung öffentlicher Interessen darstelle, dass seine dauernde Fernhaltung vom Bundesgebiet geboten sei. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liege beim Kläger kein Ausnahmefall vor. Er habe zwar in der Vergangenheit wiederholt gegen aufenthaltsrechtliche Vorschriften verstoßen. Dies begründe aber noch keinen Ausnahmefall. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass er 1994 freiwillig ausgereist sei und sich in der Folgezeit bis Juni 1999 in Jugoslawien aufgehalten habe. Bei seiner Einreise im Jahre 1999 habe er sich in einer Notlage befunden, denn er habe sich der Einberufung zur jugoslawischen Armee während des wegen des Kosovo-Konfliktes verhängten Kriegsrechts in Jugoslawien durch illegale Ausreise entzogen und sich zu seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen begeben.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung der Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 8. September 1999 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. März 1997 die Verfügung des Beklagten vom 31. Januar 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25. September 1996 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der gegen den Kläger verfügten Ausweisung vom 5. Juni 1985 und der Abschiebungen vom 11. Dezember 1985 und 8. Mai 1987 zu befristen.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt nicht Bundesrecht.

1. Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 5. Juni 1985 und der Abschiebungen vom 11. Dezember 1985 und 8. Mai 1987 nicht zu.

a) Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG darf ein Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruches nach dem Ausländergesetz keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG werden die in den Sätzen 1 und 2 der Vorschrift bezeichneten Wirkungen auf Antrag in der Regel befristet. Ob die Voraussetzungen der Regelbefristung im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt als gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG der vollen gerichtlichen Nachprüfung (anders noch § 15 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965, der eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Wirkung der Befristung vorsah; vgl. auch die Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 11/6321, S. 7, 57).

b) Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG genügt eine zeitlich befristete Ausweisung in der Regel zur Erreichung der damit verfolgten Zwecke. Die Worte "in der Regel" beziehen sich dabei auf Fälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden, also typische Sachverhalte betreffen. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen (vgl. auch Beschlüsse vom 2. Mai 1996 - BVerwG 1 B 194.95 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 5 und vom 27. Juni 1997 - BVerwG 1 B 126.97 - Buchholz a.a.O. Nr. 13).

Bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist zunächst das Gewicht des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen (vgl. auch die Äußerung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren, eine Regelbefristung der Ausweisung erscheine in besonders gravierenden Fällen, z.B. bei BTM-Tätern, nicht angebracht <BTDrucks 11/6541, S. 2>). Das Regelungssystem des § 8 Abs. 2 AuslG erfasst alle Fälle der Ausweisung, also nicht nur die Ist-Ausweisung und die Regel-Ausweisung, sondern auch die Ausweisung nach Ermessen. Da die Ausweisungsmöglichkeiten nach dem unterschiedlichen Gewicht der Ausweisungstatbestände abgestuft sind (vgl. Beschluss vom 4. Oktober 1995 - BVerwG 1 B 139.95 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 7), kommt dem Umstand, dass kein Fall der Ist- oder Regel-Ausweisung vorliegt, auch bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG gegeben ist, Gewicht zu. Er schließt andererseits das Vorliegen einer Ausnahme nicht ohne weiteres aus (vgl. Beschluss vom 27. Juni 1997, a.a.O.). Umgekehrt begründet eine Ist- oder Regel-Ausweisung nicht generell einen Ausnahmefall. Vielmehr bedarf es der Abwägung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände eine unbefristete Ausweisung rechtfertigen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 42).

Weiter sind die mit der Ausweisung verfolgten spezial- und/oder generalpräventiven Zwecke zu berücksichtigen. Die Sperrwirkung muss so lange bestehen, wie es diese Zwecke im Einzelfall erfordern. Hierzu genügt nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG in der Regel eine zeitliche Befristung der Wirkungen der Ausweisung. Ist über die Befristung nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausweisung zu befinden, so sind zwischenzeitlich eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage in die Beurteilung einzubeziehen. Sind die mit der Ausweisung verfolgten ordnungsrechtlichen Zwecke erreicht, so ist es nicht länger gerechtfertigt, dem Ausländer allein wegen der Ausweisung den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verwehren. Die Ausweisungswirkungen sind dann grundsätzlich zu befristen (vgl. Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 13.99 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG Nr. 17 S. 6 f.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist aber nicht notwendig ein Ausnahmefall gegeben, wenn der Zweck der Ausweisung bisher nicht erreicht ist. Vielmehr gebietet § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG auch dann in der Regel, die Ausweisungswirkungen zu befristen und die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen. Eine Befristung scheidet demgegenüber aus, wenn die von der Ausländerbehörde zu stellende Prognose ergibt, dass der Ausweisungszweck auch am Ende einer dem Ausländer zu setzenden längeren Frist voraussichtlich nicht erreicht sein wird.

Bei der Entscheidung über die Befristung ist - wie erwähnt - auch das Verhalten des Ausländers nach der Ausweisung zu würdigen. Ein Ausnahmefall kann in Betracht kommen, wenn ein Ausländer nicht freiwillig ausgereist ist und - ggf. auch mehrfach - abgeschoben werden musste (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 11/6321, S. 57) oder wenn ein ausgewiesener bzw. abgeschobener Ausländer illegal wieder eingereist ist (vgl. Renner, Ausländerrecht in Deutschland, S. 308 m.w.N.). Maßgeblich für das Vorliegen einer Ausnahme sind aber immer die Umstände des Einzelfalls (vgl. Beschluss vom 27. Juni 1997, a.a.O.). Auch bei illegaler Wiedereinreise ist zu prüfen, ob der Ausweisungszweck aufgrund der vorliegenden Umstände dadurch erreicht werden kann, dass der Ausländer dem Bundesgebiet noch eine angemessene Zeit fern gehalten wird.

Eine Ausnahme von der Regel des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG ist andererseits ausgeschlossen, wenn der Versagung der Befristung höherrangiges Recht entgegensteht, insbesondere die Versagung mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen unvereinbar ist (vgl. Beschluss vom 2. Mai 1996, a.a.O.; ferner zu § 7 Abs. 2 AuslG Urteil vom 27. August 1996 - BVerwG 1 C 8.94 - Buchholz 402.240 § 13 AuslG 1990 Nr. 3, S. 7 ff.). § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG bietet der Ausländerbehörde ein geeignetes rechtsstaatliches Mittel dafür, die einschneidenden Folgen einer Ausweisung für die persönliche Lebensführung des Ausländers einzuschränken und insbesondere bei generalpräventiven Überlegungen zu verhindern, dass sich die ausländerrechtliche Maßnahme der Ausweisung im Verhältnis zu der beabsichtigten Abschreckung anderer Ausländer als unverhältnismäßiger Eingriff erweist (vgl. BVerfGE 51, 386 <398>; Urteil vom 3. Juni 1982 - BVerwG 1 C 241.79 - Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 5). Die mit einem nur zeitweiligen Verlassen der Bundesrepublik Deutschland verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Nachteile können noch beträchtlich sein, sind aber im Blick auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit des Mittels eher erträglich und zumutbar als die Folgen einer unbefristeten Ausweisung. Die Ausländerbehörde kann danach dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung eines Ausländers mit einer zeitlich abgestuften Reaktion gerecht werden, die gleichzeitig seinen privaten Belangen hinreichend Rechnung trägt. Allerdings gebietet Art. 6 Abs. 1 GG auch bei Ausländern mit deutschem Ehegatten nicht generell eine Befristung der Ausweisung (vgl. Beschluss vom 2. Mai 1996, a.a.O.), sondern lediglich - wie bei der Ausweisungsentscheidung selbst (vgl. dazu Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10) eine Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der mit einem ausländischen Staatsangehörigen verheiratete Ausländer kann keinen weitergehenden Schutz beanspruchen.

c) Auch die Befristung der Wirkungen der Abschiebung darf nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG nur in atypischen Fällen versagt werden. Insoweit gelten die oben dargestellten Grundsätze zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung entsprechend, wobei Unterschiede in den Zwecken von Ausweisung und Abschiebung zu berücksichtigen sind. Die nicht fristgerechte Ausreise kann als solche keinen Ausnahmefall begründen, da für die Abschiebung eines Ausländers regelmäßig die nicht fristgerechte Ausreise vorausgesetzt wird. Ein Ausnahmefall kommt aber in Betracht, wenn sich ein Ausländer seiner Ausreisepflicht in besonders hartnäckiger Weise entzieht und mehr als einmal abgeschoben werden musste (vgl. auch Hailbronner, a.a.O. § 8 AuslG Rn. 43; Vormeier, in: GK-AuslR, § 8 AuslG Rn. 40).

d) Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass der Kläger nicht die Befristung der - jeweils auch nach In-Kraft-Treten des Ausländergesetzes 1990 weiter wirksamen (§ 95 Abs. 1 AuslG) - Ausweisung vom 5. Juni 1985 und der Abschiebungen vom 11. Dezember 1985 und 8. Mai 1987 beanspruchen kann.

Der Beklagte hat den Kläger ausgewiesen, weil er sich zumindest die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis durch falsche Angaben gegenüber der Ausländerbehörde über eine angeblich bestehende eheliche Lebensgemeinschaft verschafft hatte. Hiermit verfolgte der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts spezial- und generalpräventive Zwecke: Dem Kläger sollte ein derart erlangter Aufenthalt im Bundesgebiet verwehrt werden und andere Ausländer sollten von vergleichbarem rechtswidrigen Verhalten abgeschreckt werden.

Zwar rechtfertigt allein das Gewicht des damaligen Ausweisungsgrundes - es handelt sich bei Zugrundelegung des nunmehr geltenden Rechts nicht um einen Fall der Ist- oder Regelausweisung (§ 47 Abs. 1 bzw. 2 AuslG) - jedenfalls zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Berufsentscheidung nicht mehr eine Ausnahme von der Regel des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG. Ein Ausnahmefall ergibt sich aber aus der gebotenen Würdigung des Verhaltens des Klägers nach der Ausweisung. Der Kläger versucht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit ungewöhnlicher Hartnäckigkeit, illegal im Bundesgebiet Fuß zu fassen, indem er trotz zweier Abschiebungen das mit der Ausweisung und den Abschiebungen verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot immer wieder durch erneute illegale Einreise - zuletzt 1999 - missachtet und sich teilweise unter einem vorübergehend angenommenen anderen Namen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Wie das Berufungsgericht revisionsrechtlich beanstandungsfrei dargelegt hat, ist hinsichtlich der Einreise im Jahr 1999 die Behauptung des Klägers unerheblich, dass er die Bundesrepublik Jugoslawien während des wegen des Kosovo-Konfliktes verhängten Kriegsrechts illegal verlassen habe, um sich der Einberufung durch die Armee zu entziehen. Auch unter diesen Umständen war die Einreise des Klägers in das Bundesgebiet illegal.

Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger seit langem unbeeindruckt von der Ausweisung und zwei Abschiebungen kontinuierlich gegen ausländerrechtliche Vorschriften verstößt, kann mit einer Verhaltensänderung in einem überschaubaren Zeitraum nicht gerechnet werden. Daher ist nicht absehbar, dass sich der Ausweisungszweck bis zum Ende einer ihm zu setzenden - auch längeren - Frist erledigt. Dem stehen die freiwillige Ausreise im Jahre 1994 und der anschließende Aufenthalt in Jugoslawien nicht entgegen, weil der Kläger 1999 wiederum illegal in das Bundesgebiet eingereist ist.

Auch Art. 6 Abs. 1 GG gebietet nicht die begehrte Befristung. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger um die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner ebenfalls jugoslawischen Ehefrau geht. Ebenso hat das Berufungsgericht nichts dafür festgestellt, dass das Verhältnis des Klägers zu seinen erwachsenen Kindern eine Befristung gebieten könnte, was auch der Kläger nicht geltend macht. Zulässige und begründete Revisionsrügen gegen die berufungsgerichtlichen Feststellungen sind nicht erhoben worden.

Die mit der Ausweisung des Klägers verfolgten spezial- und generalpräventiven Zwecke stehen mithin deren Befristung derzeit entgegen. Entsprechendes gilt aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts für die Abschiebungen vom 11. Dezember 1985 und vom 8. Mai 1987, deren Befristung der Kläger gleichfalls nicht beanspruchen kann.

2. In dem hier vorliegenden Fall einer Ausnahme von der Regel des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG ist die Ausländerbehörde entgegen der im erstinstanzlichen Urteil vertretenen Auffassung nicht befugt, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden oder nach Ermessen darüber zu befinden, ob von einer Befristung abgesehen werden soll (so auch Vormeier, a.a.O. § 8 AuslG Rn. 26 f.; Renner, a.a.O. S. 308; a.M. VG Berlin, InfAuslR 1995, 319 <320>). Genügt eine in ihren Wirkungen befristete Ausweisung bzw. Abschiebung nicht zur Erreichung der damit verfolgten Zwecke, so bleibt kein Raum mehr für eine Ermessensentscheidung. Wenn und solange ein Ausnahmefall vorliegt, scheidet eine Befristung aus. Die zu einem Ausnahmefall von der Regel im Sinne von § 7 Abs. 2 und § 47 AuslG entwickelten Grundsätze - insbesondere zum Erfordernis einer Ermessensentscheidung bei Annahme eines Ausnahmefalles (vgl. Urteil vom 29. Juli 1993 - BVerwG 1 C 25.93 - BVerwGE 94, 36 <43 ff.>; Beschluss vom 1. September 1994 - BVerwG 1 B 90.94 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 5) - können wegen struktureller Unterschiede nicht auf § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG übertragen werden. Hier ist in Regelfällen über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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